Urteil in Abwesenheit

Haftstrafe für „Welt“-Journalist Deniz Yücel

Ausland
16.07.2020 14:37

Ein Schwurgericht in Istanbul hat am Donnerstag den deutschen „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel in Abwesenheit wegen Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Vom Vorwurf der Volksverhetzung und der Propaganda für die Gülen-Bewegung sei Yücel freigesprochen worden, sagte sein Anwalt Veysel Ok, der eine Berufung ankündigte: „Wir akzeptieren dieses Urteil nicht“, erklärte der Jurist.

Laut Ok gab das Gericht zudem bekannt, dass zwei weitere Ermittlungen gegen Yücel liefen. Dem Journalisten wird Beleidigung des Präsidenten und des türkischen Staates vorgeworfen, wie aus dem Gerichtsprotokoll hervorgeht. Im Vorfeld des Prozesses hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Yücel als „Agenten-Terroristen“ bezeichnet. Die Regierung in Berlin sieht die gegen den Journalisten erhobenen Anschuldigungen als politisch motiviert an. Yücel arbeitete als Auslandskorrespondent der „Welt“ in der Türkei, als er 2017 wegen seiner Artikel festgenommen wurde. Von türkischen Medien wurde er als „PKK-Auftragsmörder“ verunglimpft.

Deniz Yücel mit seiner Ehefrau Dilek Mayatürk nach seiner Freilassung in Istanbul (Bild: AFP)
Deniz Yücel mit seiner Ehefrau Dilek Mayatürk nach seiner Freilassung in Istanbul

Ohne Anklage 367 Tage im Gefängnis
Zwischen Februar 2017 und Februar 2018 saß Yücel ohne Anklageschrift 367 Tage in der Türkei im Gefängnis. Der Fall hatte die deutsch-türkischen Beziehungen schwer belastet. Erst nach langem politischen Tauziehen kam Yücel frei und durfte ausreisen. Mit seiner Entlassung aus dem Gefängnis und der Ausreise aus der Türkei nach Deutschland wurde Anklage erhoben. Der Prozess startete - in Abwesenheit des Journalisten - im Juni vor zwei Jahren.

Die Zeitung „Die Welt“ veröffentlichte dieses Plakat auf ihrem Redaktionsgebäude in Berlin. (Bild: AP)
Die Zeitung „Die Welt“ veröffentlichte dieses Plakat auf ihrem Redaktionsgebäude in Berlin.

Staatsanwaltschaft forderte 15 Jahre Haft
Im vergangenen Jahr wurde die Haftzeit Yücels vom türkischen Verfassungsgericht für rechtswidrig erklärt.  Das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit sowie das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit seien verletzt worden, entschied das Gericht damals. Dennoch forderte die Staatsanwaltschaft in dem Verfahren vor dem Istanbuler Schwurgericht mehr als 15 Jahre Haft.

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