Während die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ihre Erwartungen an den EU-Sondergipfel am Freitag etwas dämpfte, erhöhte der niederländische Regierungschef Mark Rutte seine Forderungen im Streit über das 1,8 Billionen Euro schwere Hilfspaket der EU, und auch Ungarn stellte Forderungen für die Zustimmung. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwartet sich nun „eine neue Dynamik in der Debatte“. Die Dinge hätten sich für Österreich zuletzt in die richtige Richtung bewegt.
„Die ungarische Position überrascht nicht“, sagte Kurz im Vorfeld des Gipfels in Bezug auf die ungarische Forderung, das laufende Rechtsstaatsverfahren für eine Zustimmung zum EU-Konjunkturpaket zu beenden. Seine Position sei unverändert, so der Kanzler. Dabei betonte er vor allem die Sinnhaftigkeit von Bedingungen und die Zweckbindung der EU-Mittel. „Relevanter als die Frage, ob und wie viel Geld man in die Hand nimmt, ist die Frage, wofür und wo wird es ausgegeben.“
Gemeinsame Positionen notwendig
Der Kanzler betonte vor dem Treffen mit seinen Kollegen aus Dänemark, Schweden und den Niederlanden, den sogenannten Sparsamen Vier, diese vier Länder seien „sehr gut abgestimmt“. Die EU funktioniere für kleine und mittlere Länder nur, wenn sie auch Partner für ihre Positionen finden. „Wir freuen uns, dass es Bewegung in unsere Richtung gibt.“
Es habe aber nicht nur Bewegung gegeben, „sondern in einigen Bereichen sind die Vorschläge auch besser geworden“, sagte Kurz. Ursprünglich sei behauptet worden, man brauche schnelles Geld, damit die von der Corona-Krise betroffenen Staaten liquide bleiben. „Das ist überhaupt nicht das Thema im Moment.“ Vielmehr ginge es um die Frage, wohin das Geld geflossen sei und nicht, wie lange es gebraucht habe bis es ankommt, so Kurz.
Ungarn verknüpft Zustimmung mit Forderungen
Ungarn hat seine Zustimmung zum Corona-Wiederaufbaufonds an ein Nachgeben der EU in der Frage der Rechtsstaatlichkeit geknüpft. „Es darf keine Politisierung bei der Vergabe der Mittel geben“, sagte die Vizechefin der ungarischen Regierungspartei Fidesz, Katalin Novák. Dazu gehöre auch, dass die EU das laufende Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 gegen Ungarn einstelle.
EU-Diplomaten geben der ungarischen Forderung keine Chance. Allerdings könnte ein von der EU-Kommission vorgeschlagener Rechtsstaatsmechanismus im EU-Budget im Zuge der Verhandlungen weiter verwässert werden, hieß es.
Merkel fordert Kompromissbereitschaft ein
Neben den vier Nettozahlerländern, die gegen eine gemeinsame Schuldenaufnahme sind, haben aber auch andere Länder Vorbehalte und Forderungen. So verlangte der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis, auch die Autoindustrie beim Wiederaufbau zu fördern. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki lehnte den Vorschlag ab, EU-Gelder mit Klimazielen oder Auflagen zur Rechtsstaatlichkeit zu verknüpfen.
Merkel forderte „wirklich große Kompromissbereitschaft aller, damit wir etwas hinbekommen, was für Europa gut ist“. Der Kanzlerin kommt in den Verhandlungen eine Vermittlerrolle zu, denn Deutschland führt seit dem 1. Juli den Vorsitz der 27 EU-Länder. Den Gipfel leitet jedoch der ständige Ratspräsident Charles Michel, der ebenfalls appellierte: „Obwohl es schwierig ist, bin ich davon überzeugt, dass es mit politischem Mut möglich ist, eine Einigung zu erreichen.“
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