Corona-Hilfen der EU

Juncker: Österreichs Haltung „ein grober Fehler“

Ausland
17.07.2020 17:22

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat in einem Interview einmal mehr sein Unverständnis für Österreichs Position in EU-Budgetfragen ausgedrückt. Er habe Verständnis dafür, dass Regierungen wissen wollten, wo genau die Steuergelder hinfließen, wer angesichts der aktuellen Krisen aber denke, dass Europa nicht mehr Geld brauche, begehe einen „groben Fehler“, so Juncker.

Der Ex-EU-Kommissionspräsident kritisiert im Interview mit dem „profil“ die „Sparsamen Vier“. Es brauche mehr Geld für die Erasmus-Programme, für Forschung, Verteidigung, Umwelt und Klimaschutz. „Ich habe es nie gemocht, dass Österreich sagt: Der europäische Haushalt darf nicht mit zusätzlichen Geldüberweisungen nach Brüssel verbunden sein“, erklärt Juncker. In Österreich möge Kanzler Kurz‘ Haltung für Beifall sorgen, für die Zukunftsgestaltung der EU sei sie hinderlich, so der ehemalige Kommissionschef.

Juncker: „Anti-deutscher Reflex“
Zudem kritisierte Juncker im Interview auch Österreichs Haltung in der Flüchtlingskrise. „Ich habe mich diesbezüglich mit den österreichischen Bundeskanzlern manchmal in Massenschlägereien verwickelt“, blickte er zurück. Die Schließung der Balkanroute, die es in Wahrheit nie gegeben habe, sei ein „nicht-europäischer und vornehmlich anti-deutscher Reflex“ gewesen.

„Es ist nicht wahr, was in Österreich dauernd erzählt wurde: Dass Merkel die Grenzen geöffnet hat - nein, sie hat die Grenzen nicht geschlossen. Das ist ein Riesenunterschied“, so der Luxemburger. Mit ihrer Politik habe die deutsche Kanzlerin 2015 das Schlimmste verhindert. „Man darf nicht den kritisieren, der einem bei der Problembehebung hilft“, sagte er.

Sebastian Kurz und Jean-Claude Juncker 2017 in Brüssel (Bild: AFP)
Sebastian Kurz und Jean-Claude Juncker 2017 in Brüssel

„Nationalstaaten können Probleme nicht lösen“
Die aktuelle Corona-Krise hat seiner Ansicht nach vielen Menschen vor Augen geführt, wie wichtig die EU sei. Er kritisierte auch hierbei die „zum Teil überflüssigen Grenzschließungen“ und „strikt nationalen Reflexe“ der EU-Länder wie etwa beim Exportverbot für medizinisches Material. „Jeder hat sein eigenes Corona-Süppchen gekocht“, drückte er es aus. Dabei sei schnell klar geworden, dass die Nationalstaaten alleine die Probleme nicht lösen könnten. „Ich denke, dass wir in der Krise bessere Europäer geworden sind“, zieht Juncker letztlich eine positive Bilanz.

Gemeinsame Außenpolitik gefordert
Nach jahrzehntelangem Einsatz für die europäische Integration sieht er nun die Zeit für eine gemeinsame europäische Außenpolitik gekommen. „Die EU muss ihre Fähigkeit, Weltpolitik zu betreiben, verbreitern und vergrößern“, ist der 65-Jährige überzeugt und fordert die Möglichkeit ein, in wichtigen Fragen mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden.

Auf Konfrontationskurs: Bundeskanzler Sebastian Kurz, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der niederländische Premier Mark Rutte (Bild: Bundeskanzleramt/Dragan Tatic)
Auf Konfrontationskurs: Bundeskanzler Sebastian Kurz, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der niederländische Premier Mark Rutte

Dadurch könne auch dem Auseinanderdriften der EU-Länder etwa im Umgang mit China entgegengewirkt werden, meint Juncker. Derzeit sei die EU mitunter nicht imstande, Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik zu verurteilen, weil einzelne EU-Länder Sondergeschäfte mit Peking abgeschlossen hätten, erklärte er.

Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten am Freitag in Brüssel über den nächsten EU-Finanzrahmen und einen mit 750 Milliarden Euro dotierten Aufbaufonds zur Bewältigung der Corona-Krise. Eine Einigung an diesem Wochenende gilt angesichts großer Differenzen als unwahrscheinlich.

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