Der niederländische Premier Mark Rutte und sein österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz sind beim EU-Gipfel rund um den Corona-Wiederaufbaufonds und den mehrjährigen Finanzrahmen besonders in den Fokus der Medien geraten. Laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA gaben die beiden bei den nervenaufreibenden Verhandlungen ein ungewöhnliches Polizistenduo. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban war über Ruttes Verhalten sichtlich verärgert (siehe Video oben). Italiens Regierungschef Giuseppe warf seinem niederländischen Kollegen vor, die Zerstörung des EU-Binnenmarkts zu riskieren.
„Sie weichen vom üblichen Schema ab und spielen den bösen Cop und den noch böseren Cop“, schrieb ANSA. Während Rutte angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen auf eine strikte Kontrolle der EU-Mittel dränge, greife Kurz an anderer Stelle an, nämlich bei der Höhe der Zuschüsse (im EU-Wiederaufbaufonds). „Gemeinsam haben die beiden einen mehr oder weniger geheimen Kampf: Die Verteidigung der Budgetnachlässe, deren glückliche Empfänger sie sind.“
Weniger schmeichelhaft porträtierte indes die „Berliner Zeitung“ (Montagsausgabe) den ÖVP-Chef. Dieser habe sich während des Gipfels „als emsiger Sparer“ inszeniert. „Ganz klar, ein Mann mit Profilierungssucht. Dass er aber die Vergabe der Gelder auch noch an die Einhaltung von rechtsstaatlichen Normen knüpfen wollte und damit Polen und Ungarn düpierte, war nicht ganz unironisch. War es nicht Kurz, der 2017 mit einer rechtsnationalen FPÖ koaliert hatte, um neue Standards in Korruptionsmethoden zu setzen (Stichwort: Ibiza-Affäre)?“
Kurz hielt am Sonntagnachmittag eine Einigung beim EU-Gipfel in Brüssel für möglich. „Ich glaube, es ist möglich, ein Ergebnis zustande zu bringen“, sagte der Kanzler am Sonntag kurz vor Wiederaufnahme des Gipfels in großer Runde. Dafür wäre aber noch ein „weiter Weg zu gehen“. Kurz forderte erneut, dass die EU-Hilfsgelder in die Bereiche Ökologisierung, Digitalisierung und Reformen fließen müssten, und nicht in „rückwärtsgewandte Projekte“.
Orban greift Rutte frontal an
Ein weiterer Konfliktpunkt des Gipfels ist das Kriterium der Rechtsstaatlichkeit. Hier fordert die Gruppe der „Frugalen“ (Österreich, Niederlande, Schweden, Dänemark) und Finnland, dass es „keine faulen Kompromisse“ geben dürfe, sondern klare Regeln und eine Schwelle, die nicht unterschritten werden dürfe. Damit stellten sich die Länder klar gegen die Vetodrohung des ungarischen Premier Viktor Orban, der für Rechtsstaatsfragen Einstimmigkeit forderte, was den Mechanismus wirkungslos machen würde. Orban attackierte am Sonntag den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte.
„Der Niederländer ist der wirklich verantwortliche Mann für das ganze Durcheinander, das wir haben“, sagte Orban, der während seines Pressestatements erklärte, er hätte noch ein paar Tage Zeit. Die Hotelzimmer für die ungarische Delegation seien gebucht.
Conte warnt Rutte vor Zerstörung des Binnenmarkts
Zu später Stunde sickerte über Diplomaten auch eine Drohung des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte aus den Beratungen der EU-27 durch. Dieser soll gegenüber Rutte gemeint haben: „Du bist vielleicht ein Held in deiner Heimat für ein paar Tage, aber nach ein paar Wochen wirst du vor allen europäischen Bürgern dafür verantwortlich gemacht werden, dass du eine angemessene und effiziente europäische Antwort blockiert hast.“ Conte habe demnach auch erklärt, dass der Wiederaufbaufonds zwei- bis dreimal größer sein müsste, wenn die EU nicht umgehend handle. Der jetzige Betrag sei nur das Minimum, so der Italiener. Er fügte den Angaben zufolge hinzu, dass der niederländische Widerstand gegen den Aufbauplan riskiere, den EU-Binnenmarkt zu zerstören.
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