Nicht zuletzt durch die aktuelle Rekordhitze in Sibirien taut der Permafrost in der Arktis deutlich schneller auf und setzt dabei immense Mengen an Kohlenstoff frei. Die in den auftauenden Böden wurzelnden Pflanzen füttern Bodenmikroben, wodurch Abbauprozesse beschleunigt und mehr Treibhausgase freigesetzt werden. Alleine durch diesen sogenannten Priming-Effekt könnten bis zum Jahr 40 Gigatonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangen, wie Forscher der Universität Wien nun berechneten. Das rückt die Erfüllung der Klimaziele in noch weitere Ferne.
Permafrost ist dauerhaft gefrorener Boden, in dem mehr Kohlenstoff gespeichert ist als in allen Pflanzen und der Atmosphäre zusammen auf der Erde vorkommt. Für gewöhnlich taut im Sommer nur ein kleiner Teil des Permafrostbodens auf, was es den Mikroorganismen im Boden erlaubt, den Humus abzubauen. Dadurch werden Treibhausgase - wie Kohlendioxid und Methan - freigesetzt, die in die Atmosphäre gelangen. Die rapide steigenden Temperaturen in der Arktis beschleunigen aber sowohl das Auftauen wie auch die Treibhausgasemissionen.
Mehr Treibhausgase als erwartet
Bislang ging man davon aus, dass dadurch bis zum Jahr 2100 etwa 100 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem Permafrost freigesetzt werden. Wie ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Wien nun herausgefunden hat, muss diese Zahl jedoch nach oben korrigiert werden. Pflanzen, die im aufgetauten Permafrost wurzeln, geben Kohlenstoff - etwa in Form von Zuckern - an Mikroorganismen im Boden ab, die dadurch mehr Humus zersetzen können und schließlich noch mehr Treibhausgase freisetzen. Dabei handelt es sich um den „Priming -Effekt“.
Massive Auswirkungen auf den Klimawandel
Für die Studie hat das Team Informationen über mikrobielle Aktivitäten und Wurzelverteilungen mit Daten zu Kohlenstoffkonzentrationen im Boden kombiniert. „Wir haben jetzt erstmals in ausführlichen Modellrechnungen nachgewiesen, dass der Priming-Effekt große Auswirkungen auf die gesamte Kohlenstoffmenge der Atmosphäre hat“, erklärt Birgit Wild von der Universität Stockholm.
„Das hat uns letztlich erlaubt, die Auswirkungen auf die Treibhausgas-Emissionen zu berechnen“, sagt Ökosystemforscher Andreas Richter von der Universität Wien, der als einer der ersten weltweit in der Arktis zum Thema Priming geforscht hat.
Immer weniger Handlungsspielraum
Den Menschen bleibt dadurch immer weniger Spielraum, um die Erderwärmung zu stoppen. Die Ergebnisse der Studie im Fachjournal „Nature Geosciences“ zeigen, dass der „Priming-Effekt“ die Atmungsaktivität der Mikroorganismen im Boden um etwa zwölf Prozent erhöht. Das bewirkt, dass bis zum Jahr 2100 zusätzlich etwa 40 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem schmelzenden Permafrost in die Atmosphäre entweichen könnten.
Das entspricht etwa einem Viertel des verbleibenden „Kohlenstoff-Budgets“, das der Mensch zur Verfügung hat, um die Erde nicht mehr als 1,5 Grad Celsius zu erwärmen. „Wir Menschen haben also noch weniger Spielraum als gedacht“, so Richter.
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