„Falschen“ getötet
Synagogen-Attentäter hetzt vor Gericht weiter
Unter großen Sicherheitsvorkehrungen und begleitet von einem enormen Medienandrang hat am Dienstag der Prozess gegen den Attentäter von Halle begonnen. Der rechtsextreme Stephan B. ist unter anderem wegen Mordes und Mordversuchs angeklagt. Der 28-Jährige hatte am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, schwer bewaffnet versucht, die Synagoge in Halle zu stürmen. Dies misslang, er konnte die Eingangstür nicht aufbrechen. Auf seiner Flucht tötete B. zwei Menschen und verletzte mehrere weitere, bevor er verhaftet werden konnte. Vor Gericht zeigte der Angeklagte wenig Reue. Vielmehr nützte er den Auftritt zu weiterer Hetze gegen Juden und Araber.
Schon bei Fragen zu seinem persönlichen Werdegang sprach B. am Dienstag mehrfach abwertend über Zuwanderer in seinem Dorf im Süden von Sachsen-Anhalt. Die deutsche Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, „aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus einen Mordanschlag auf Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens“ geplant zu haben.
Keine Freunde, Internet als einziges Hobby
Auf Fragen der Vorsitzenden Richterin zu seinem Werdegang antwortete der Mann knapp. Gute Freunde habe er nicht gehabt, er sei auch in keinem Verein gewesen. Er habe vor allem Interesse am Internet gehabt, weil man sich dort frei unterhalten könne. „Man fragt sich natürlich, wie man solche Taten verhindern kann, ich habe da natürlich kein Interesse dran“, sagte B. Nach dem verkürzten Wehrdienst habe er sein Studium krankheitsbedingt abgebrochen, danach habe er in den Tag hinein gelebt. Sein einziges Hobby war das Internet „Nach 2015 hab ich entschieden, nichts mehr für diese Gesellschaft zu tun“, gab der 28-Jährige zu Protokoll. Laut einem „Bild“-Gerichtsreporter hatte B. im Vorfeld ein Redemanuskript für den Prozessauftakt angefertigt, welches er am Dienstag auch mitnahm.
Reue zeigte B. nicht. Worte des Bedauerns fand er lediglich für die „Weißen, die ich angeschossen“ habe. Und der Mord an einem jungen Mann in einem Döner-Imbiss tue ihm ebenfalls leid. Der Mann, der „schwarzes krauses Haar“ hatte, sei nämlich ein Deutscher gewesen. „Wenn er ein Muslim gewesen wäre, hätte ich überhaupt kein Problem gehabt, ihn zu töten“, führte B. aus. Die Ermordung einer 40-jährigen Passantin bezeichnete B. als „Kurzschlussreaktion“. „Hätte ich das nicht gemacht, hätten mich alle ausgelacht“, sagte er mit Blick auf seine live von ihm ins Internet übertragenen Taten. Als einschneidendes Erlebnis schilderte der Angeklagte die Flüchtlingskrise im Jahr 2015. In diesem Zusammenhang ritt er auch heftige Attacken auf die Flüchtlingspolitik der deutschen Bundesregierung.
Attentäter von Christchurch als Vorbild
Sein großes Vorbild dürfte der Attentäter von Christchurch sein. Der Australier Brenton Tarrant tötete am 15. März 2019 bei einem Angriff auf zwei Moscheen in der neuseeländischen Hauptstadt 51 Menschen und verletzte 50 weitere. Tarrant streamte - genauso wie B. - seine Tat live und hatte ein Manifest verfasst. Da gibt es sehr viele Parallelen zwischen Christchurch und Halle. Vor Gericht meinte B. über Tarrant: „Es wehrt sich ein weißer Mann, obwohl er nicht gewinnen kann. Er hat es selbst in die Hand genommen.“
Der Prozess vor dem Oberlandesgericht Naumburg findet wegen des großen öffentlichen Interesses und aus Sicherheitsgründen im größten Verhandlungssaal Sachsen-Anhalts in der Landeshauptstadt Magdeburg statt. Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich Menschen aus Solidarität mit Betroffenen, Hinterbliebenen und Opfern versammelt. Die Kundgebung mit dem Motto „Solidarität mit den Betroffenen - keine Bühne dem Täter“ will dafür sorgen, dass die Nebenklägerinnen und Nebenkläger nicht allein in den Prozess gehen, hieß es von den Veranstaltern. Vor Prozessbeginn sprachen die Veranstalter von rund 100 Teilnehmern.
Attentäter von Halle droht lebenslange Haft
Das Gerichtsverfahren gilt als eines der größten und bedeutendsten in der Geschichte Sachsen-Anhalts. Für das Verfahren sind zunächst 18 Verhandlungstage bis Mitte Oktober angesetzt. Im Fall einer Verurteilung droht dem Mann eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung.
Zentralrat der Juden fordert harte Bestrafung
Der Zentralrat der Juden fordert ein hartes Urteil. „Der Attentäter muss mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden“, forderte Zentralratspräsident Josef Schuster. „Es ist unvorstellbar grausam, welchen Judenhass Stephan B. verbreitet hat.“ Dieser habe offenbar keine Scheu gehabt, „seinen blanken Hass auf Juden in die Tat umzusetzen und Menschen zu ermorden“, so Schuster weiter.
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