Neue Details im Fall rund um jenen Tschetschenen, der im Jänner 2019 in einem Spiellokal in Wien-Favoriten von Polizisten ohne ersichtlichen Grund geschlagen worden ist: So soll in der Causa, von der erst in der Vorwoche ein Video aufgetaucht ist und in dessen Folge acht Beamte vorläufig suspendiert wurden, zunächst offenbar schleißig ermittelt worden sein.
Wie Recherchen der APA ergaben, gab es nämlich einen unbeteiligten Zeugen, der in dem Lokal anwesend war, während der 28-Jährige - wie das Video aus einer Überwachungskamera zeigt - von zwei Polizisten misshandelt wurde, wobei sechs Beamte untätig danebenstanden und das gewalttätige Verhalten der Kollegen offenbar tolerierten.
Wegen „sprachlicher Barriere“ nie einvernommen
Der Zeuge - ein Slowake, dessen Telefonnummer der Polizei bekannt war - wurde allerdings nie zu seinen Wahrnehmungen als Zeuge vernommen. Aufgrund der „sprachlichen Barriere“ sei mit keinen neuen Erkenntnissen zu rechnen, wurde im Ermittlungsakt nach einem kurzen Telefonat mit dem Slowaken sinngemäß festgehalten. Auf die Idee, einen Dolmetscher für die slowakische Sprache beizuziehen oder den Zeugen im Rechtshilfeweg in der Slowakei einvernehmen zu lassen, kam man nicht.
Krankenkasse brachte indirekt Fall ins Rollen
Der gewalttätige Übergriff war polizeiintern erst im Dezember bekannt und zum Gegenstand von Erhebungen geworden, nachdem sich die Wiener Gebietskrankenkasse mit Regressforderungen für die Spitalsbehandlung des Tschetschenen an die Wiener Landespolizeidirektion gewandt hatte. Der Tschetschene selbst hatte im Krankenhaus zwar zum Zustandekommen der Verletzungen angegeben, diese wären ihm von der Polizei zugefügt worden, von sich aus aber keine Anzeige erstattet.
Das Spital wiederum war nicht zu einer Anzeige verpflichtet, weil es sich um eher geringfügige, daher nicht meldepflichtige Verletzungen handelte. Allerdings wollte nach einigen Monaten der Spitalsträger, der wusste, woher die Verletzungen stammten, die Behandlungskosten von der Polizei ersetzt bekommen.
Amtshandlung nicht schriftlich dokumentiert
So kamen die Ermittlungen in Gang, wobei diese allerdings rasch wieder im Sand verliefen bzw. sich gegen den Tschetschenen drehten. Die Amtshandlung, die untersucht werden sollte, war von den beteiligten Polizisten entgegen aller Vorschriften nämlich nicht schriftlich dokumentiert worden. Auf telefonische Nachfrage in der betroffenen Polizeiinspektion, ob in dem Spiellokal am fraglichen Abend etwas vorgefallen sei, hieß es, es sei nichts passiert.
Das hatte zur Folge, dass die Beamten unbehelligt blieben, während die Staatsanwaltschaft gegen den Tschetschenen ein Verfahren wegen Verleumdung einleitete. Die Vernehmung der Polizisten hielt die Anklagebehörde dabei vorerst für nicht erforderlich. Sie wurden bis zum Auftauchen des Videos nicht zu dem Vorfall befragt.
Mit dem Auftauchen des Videomaterials, das der „Krone“ zugespielt wurde, änderte sich alles. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verleumdungsverfahren gegen den 28-Jährigen umgehend ein, die Polizisten wurden unverzüglich außer Dienst gestellt und haben nun ein Verfahren wegen Körperverletzung, allenfalls zusätzlich wegen Amtsmissbrauchs am Hals. Für die Beamten gilt die Unschuldsvermutung.
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