Erstes Freitagsgebet

Hagia Sophia: Erdogans großes Moschee-Spektakel

Ausland
24.07.2020 13:53

In der Hagia Sophia in Istanbul ist am Freitag das erste Gebet seit der Rückumwandlung der ursprünglichen Kirche von einem Museum in eine Moschee abgehalten worden. Hunderte Gläubige nahmen an der Zeremonie, die mit Gebetsrufen von den Minaretten der Hagia Sophia begann, teil. Vor Ort waren hochrangige Politiker und auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der einige Koranverse zitierte. Das Freitagsgebet fand unter dem Schutz eines massiven Polizeiaufgebots statt.

Nach der umstrittenen Umwandlung der Hagia Sophia von einem Museum in eine Moschee wurden am Freitag zum ersten Gebet zwischen 1000 und 1500 muslimische Gläubige erwartet. Vor dem historischen Kuppelbau versammelten sich die Gläubigen, von denen viele schon die Nacht vor der Moschee verbracht hatten. Wegen der Corona-Pandemie durften nicht mehr als tausend die Moschee betreten. „Das ist ein historischer Moment. Möge Allah Erdogan segnen. Er tut so schöne Dinge“, sagte eine der Gläubigen, Aynur Saatci.

Präsident Erdogan saß bereits vor Beginn des eigentlichen Gebets in der Hagia Sophia und hörte der Predigt des Imams zu, wie Aufnahmen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zeigten. Der islamisch-konservative Präsident trug zwischenzeitlich eine Atemschutzmaske und befand sich in Begleitung einiger hoher Beamter.

20.000 Polizisten im Einsatz
Zudem sind rund um das Gebäude Bereiche für betende Gläubige reserviert. Viele Straßen wurden für den Verkehr gesperrt. Die Behörden riefen dazu auf, eine Maske zu tragen und den Mindestabstand einzuhalten. Insgesamt sollen mehr als 20.000 Polizisten für Ordnung sorgen.

Erst vor zwei Wochen hatte das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei den bisherigen Status der Hagia Sophia (Heilige Weisheit) als Museum annulliert. Erdogan ordnete daraufhin die Nutzung als Moschee an.

Video: Hagia Sophia wird wieder Moschee

Griechenland setzt Fahnen auf halbmast
Nach Bekanntwerden der Umwidmung hatte nicht nur Papst Franziskus seinen „großen Schmerz“ bekundet, auch die griechisch-orthodoxen Kirchen in Griechenland und den USA bringen ihre Trauer zum Ausdruck. In zahlreichen Kirchen Griechenlands sollen die Glocken zur Trauer läuten, Fahnen werden auf halbmast gesetzt und eine Sondermesse abgehalten. In Athen und Thessaloniki kündigten religiöse und nationalistische Gruppen Proteste an.

Auch Papst Franziskus brachte seinen „großen Schmerz“ über die Umwidmung zum Ausdruck. (Bild: APA/AFP/VATICAN MEDIA/Handout, stock.adobe.com, krone.at-Grafik)
Auch Papst Franziskus brachte seinen „großen Schmerz“ über die Umwidmung zum Ausdruck.

„Tiefe Bestürzung“: Erzbischof spricht bei US-Präsident vor
Das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Erzdiözese in den USA, Elpidophoros (Lambriniadis), wurde von US-Präsident Donald Trump sogar im Weißen Haus empfangen. Dieser wollte sich aus erster Hand über die Bedenken der orthodoxen Kirche hinsichtlich der Umwandlung der Hagia Sophia informieren. „Ich habe unsere tiefe Bestürzung über die Rückumwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee sowie über die anhaltenden Sicherheitsbedenken für das Ökumenische Patriarchat und Fragen der Religionsfreiheit mitgeteilt“, twitterte der Erzbischof nach dem 15-minütigen Treffen.

Kritik reißt nicht ab
Die nunmehrige Rückumwandlung in eine Moschee hat auch international Kritik ausgelöst, darunter aus der EU und den USA. So kritisierte die deutsche Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth das Vorgehen als „Kampfansage an die laizistische Türkei“ und Missbrauch der Religion. Die Politikerin bezeichnete die Umwidmung des Gebäudes als eine Grenzüberschreitung, mit der sich Erdogan Applaus aus der islamischen Welt sichern wolle. Auch von österreichischer Seite gab es Kritik, darunter von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) sah am Freitag einen „Missbrauch der Religion“ durch die Politik. US-Außenminister Mike Pompeo hatte von einer „Verpflichtung“ Ankaras „zum Respekt gegenüber den Glaubenstraditionen und der diversen Geschichte“ der türkischen Republik gesprochen.

(Bild: APA)

„Kein Gebet, sondern politische Demonstration“
Auch in der Türkei gab es Kritik. Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk erklärte, die Umwidmung widerspreche den Absichten von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk. Dessen Ziel sei eine säkulare und zugleich muslimisch geprägte Türkei als Teil der großen europäischen Kultur und Zivilisation gewesen, erklärte Pamuk im Interview der Deutschen Welle. Der muslimische Intellektuelle und islamistische Oppositionspolitiker Cihangir Islam warf der türkischen Regierung Heuchelei vor. „Das wird kein Gebet, das wird eine politische Demonstration“, sagte er der deutschen Zeitung „Die Welt“. Beobachter gehen davon aus, dass Erdogan die Umwandlung der Hagia Sophia vorangetrieben hat, um seine religiöse Wählerschaft inmitten von wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die durch die Corona-Pandemie zusätzlich verschärft wurden, zu mobilisieren.

Kurze Geschichte der Hagia Sophia
Fast ein Jahrtausend lang war die Hagia Sophia das größte Gotteshaus der Christenheit. Sie war Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, bevor sie nach Eroberung Konstantinopels (Istanbul) durch die muslimischen Osmanen in eine Moschee umgewandelt wurde. Auf Anordnung des säkularen türkischen Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk wurde das Gebäude 1934 zum Museum. Die Hagia Sophia beherbergt einige wertvolle christliche Mosaike, die laut vorherigen Ankündigungen während der islamischen Gebete verhüllt werden sollen.

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