Die Reformpläne von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) für das Bundesheer sorgen einmal mehr für Wirbel. So rückten am Montag zwei ihrer Vorgänger, nämlich die Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Mario Kunasek (FPÖ), gemeinsam mit dem früheren Generalstabschef Edmund Entacher aus, um ein klares Bekenntnis der ÖVP zur Landesverteidigung zu fordern. Denn mit dem aktuellen Kurs werde das Bundesheer kaputtgespart, so Doskozil: „Ich glaube, die Ministerin weiß nicht, was es bedeutet, ein souveräner und neutraler Staat zu sein. So, wie sie jetzt handelt, ist sie rücktrittsreif.“ Die Volkspartei reagierte empört, Unterstützung bekamen die drei Herren von Doskozils Parteikollegen in der SPÖ.
Aktuell gebe es keine Kommunikation mit dem Generalstab und der Führungsebene im Bundesheer, lediglich ein kleiner Kreis im Verteidigungsressort würde sich Gedanken über die Zukunft des Heeres machen, so Doskozil: „Das ist an Skurrilität nicht zu überbieten, mit welcher Unwissenheit und Unprofessionalität hier vorgegangen wird.“ Der burgenländische Landeshauptmann ortete eine geplante „Hinentwicklung zu einem Schweizer Milizsystem, die Miliz soll dann künftig Auslands- und Katastropheneinsätze abdecken“.
So habe ein ranghoher Mitarbeiter des Kabinetts in einem Hintergrundgespräch gesagt, dass ein 25-prozentiger Personalabbau geplant sei: „Da wird mit dem Federstrich wird vom Bodensee bis zum Neusiedlersee wird über das Bundesheer drübergefahren. Für das Burgenland bedeutet das, dass wir zwischen 200 und 300 Planposten verlieren werden.“ Das Bundesheer sei eine Institution, welche gerade kaputtgespart werde: „Bei mir läuten die Alarmglocken, wenn ich die Ministerin dann sagen höre, wir sind ja von lauter NATO-Staaten umgeben, die uns dann schon helfen werden. Ich denke, die Ministerin weiß nicht, was es heißt, ein souveräner und neutraler Staat zu sein.“
Die Ministerin muss sich klar äußern, wohin die Reise geht. So wie das jetzt gehandelt wird, ist sie rücktrittsreif.
Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ)
„ÖVP interessiert sich nicht fürs Bundesheer“
Ex-Minister Mario Kunasek sagte, bereits während seiner Amtszeit habe es in der ÖVP kein Interesse am Bundesheer oder der Landesverteidigung gegeben. Man habe damals schon versucht, 500 Millionen Euro einzusparen, er habe erst nach einem intensiven Gespräch mit dem damaligen Regierungskoordinator Gernot Blümel ein Sonderbudget ausverhandeln können: „Tanner versucht jetzt, die militärische Landesverteidigung auszuhöhlen und auszuhebeln. Aber nur, wenn diese sichergestellt ist, hat das Bundesheer auch die Mittel, um Hilfe zu leisten, etwa im Katastrophenfall.“
Innerhalb der ÖVP interessiert sich für Landesverteidigung und das Bundesheer niemand.
Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ)
Was die angekündigte Aufwertung der Miliz betrifft, so sagte Kunasek, es brauche dann aber auch gleiche Behandlung aller Milizsoldaten: „Aktuell haben wir Gehaltsunterschiede bis zu 60 Prozent bei gleichem Dienstgrad.“ Die Verteidigungsministerin habe dafür zu sorgen, dass „wir ein starkes Bundesheer haben“ - und davon auch den Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Blümel zu überzeugen.
Entacher: „Weltmeisterschaft im Ausreden finden“
Edmund Entacher, General a.D. und früherer Generalstabschef, sah das „Bild eines Verhungerten, so jetzt alle analysieren, warum der verhungert. Anstatt dass wir dafür sorgen, dass der einmal was zu essen bekommt.“ Die „politische Klasse“ habe eine „Weltmeisterschaft im Ausreden finden“ erreicht, so Entacher: „Man drückt sich um die Kernfrage herum: Wollen wir, dass Österreich fähig ist, sich zu verteidigen - oder nicht?“ Österreich sei in Europa derzeit der einzige Staat, der einen solchen Kurs in Sachen Landesverteidigung fahre: „Alle anderen stellen sich besser auf mit Zielrichtung einer europäischen Verteidigung.“
Es kann doch niemand meinen, dass wir im Ernstfall unsere Heimat nicht verteidigen wollen.
Ex-Generalstabschef Edmund Entacher
Entacher fordert unter anderem die Wiedereinführung einer Übungspflicht für die Milizverbände, die Forderung nach einem besseren Budget sei jedenfalls mehr als berechtigt: „Große Entwicklungen kommen immer überraschend. Hinterher werden Bücher geschrieben, die alles erklären, aber niemand konnte es vorhersagen. Wenn wir uns nicht vorbereiten, werden wir im Notfall auf den Schalter drücken - und wenn wir nicht aufgestellt sind, passiert dann nichts.“
ÖVP bezeichnet Vorwürfe als „Farce“
In der ÖVP hat man erwartungsgemäß kein Verständnis für die Vorwürfe. Der türkise Wehrsprecher Michael Hammer bezeichnete die Aussagen von Doskozil, Kunasek und Entacher als „Farce“ und bezeichnete Doskozil und Kunasek als „Veteranen des Scheiterns“: „Das ist der Gipfel am Eisberg der Showpolitik.“ Tanner habe immerhin „das höchste Heeresbudget in der Geschichte des Bundesheeres“ erreicht.
Die stellvertretende Generalsekretärin der Volkspartei, Gaby Schwarz, ortete gar ein „pures Ablenkungsmanöver“ Doskozils vom Skandal rund um die Mattersburger Commerzialbank. „Statt die volle Verantwortung zu übernehmen, die er durch seine frühere Funktion als Finanzlandesrat und jetzt als Landeshauptmann im Bankenskandal zu übernehmen hat, attackiert Doskozil Verteidigungsministerin Klaudia Tanner“, kritisiert Schwarz.
„Seit Amtsantritt Chaos angerichtet“
Unterstützung für die Forderungen kam von der SPÖ: Wehrsprecher Robert Laimer unterstützt den überparteilichen Schulterschluss für das österreichische Bundesheer. Er verlangt von der Verteidigungsministerin, „dass sie endlich einen Plan vorlegt, wie sie das Bundesheer vor dem drohenden finanziellen Kollaps bewahren will“: „Bisher kennen wir von Tanner nur ihre Pläne, wie sie das Bundesheer in den Graben fahren will. Egal, wohin man schaut, die ÖVP-Ministerin hat in den wenigen Monaten seit ihrem Amtsantritt Chaos angerichtet. Damit muss Schluss sein.“
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