Der 26-Jährige und seine Freundin galten als Traumpaar im Tiroler Kitzbühel. Die beiden wollte heiraten, doch die Beziehung ging in die Brüche. Daraufhin wollte der 26-Jährige Rache - fünf Menschen mussten sterben. Am Mittwoch beginnt der Mordprozess, dem Angeklagten droht eine lebenslange Haftstrafe.
Es herrscht gespenstische Stille auf dem Friedhof in Kitzbühel. Nur das leise Surren eines Rasenmähers ist zu hören. Eine Touristen-Gruppe schleicht zur letzten Ruhestätte des wohl berühmtesten Sohnes der Gamsstadt – zu der von Ski-Legende Toni Sailer. Nur ein paar Meter daneben brennen vor einem anderen Grab mehrere Trauerkerzen. Drei kleine Engel scheinen Wache zu halten. Es wirkt unscheinbar. Doch die Namen, die neben dem Kreuz eingraviert sind, erinnern an das schlimmste Gewaltverbrechen, das Kitzbühel wohl je erlebt hat.
Im vergangenen Herbst löschte der heute 26-jährige Andreas E., nachdem er seine Ex-Freundin Nadine H. (19) im Kitzbüheler Nachtleben plötzlich mit einem anderen gesehen hatte, eine ganze Familie aus. Der betrunkene, aber in der Tatnacht laut einem Gutachten zurechnungsfähige Maurer tauchte gegen 4 Uhr früh erstmals beim Haus seiner Opfer auf. Doch er ließ sich zunächst noch abwimmeln.
Gezielte Schüsse
Als ihm der Vater (59) seiner Ex eineinhalb Stunden später aber erneut die Tür öffnete, schoss er dem 59-Jährigen laut Anklage mit einer inzwischen von zu Hause geholten Pistole sofort zweimal in den Kopf. Dann tötete er mit gezielten Schüssen nach der Reihe den Bruder (23) seiner Ex-Freundin, deren Mutter (51), Nadine selbst und ihren neuen Bekannten, den aus Oberösterreich stammenden Eishockey-Goalie Florian J. (24).
„Ich habe soeben fünf Menschen getötet“, gestand der junge Tiroler, der in seiner Heimatgemeinde immer als besonders ruhig, fleißig und nett gegolten hatte, kurz darauf bei der Polizei. Im Wachzimmer legte er die Tatwaffe sowie einen Baseballschläger auf den Tresen. „Ich habe einfach rotgesehen“, soll der 26-Jährige den Ermittlern den Grund für sein entsetzliches Handeln geschildert haben. Als er seine große Liebe vertraut mit einem „Fremden“ gesehen hatte, habe er einen Stich in seinem Herzen verspürt.
Jeder im Ort kannte wohl einen aus der Familie
Das Ski-Mekka, in dem Ende Jänner zumindest vor der Corona-Pandemie Jahr für Jahr Zehntausende aus dem legendären Hahnenkamm-Rennen eine einzige Party machen, stand unter Schock. Jeder im Ort kannte mindestens einen aus der Familie. Alle waren betroffen. Zwar ist nach dem Begräbnis der Mordopfer wieder Ruhe eingekehrt, der Fünffach-Mord hat sich in die Gedanken der Bevölkerung allerdings eingeprägt.
Eltern von Andreas E. „sind gestraft genug“
Doch die Familie des mutmaßlichen Mörders wurde „nie ausgegrenzt“, wie Bürgermeister Klaus Winkler stets betonte. Hört man sich auch heute noch – gut zehn Monate nach der fürchterlichen Gräueltat – in der Stadt um, sind sich Wirte, Geschäftsleute und fast alle anderen Kitzbüheler einig: Die Eltern können für die Taten ihres Sohnes nichts. „Sie sind gestraft genug“, lautet der allgemeine Tenor.
Beim Prozess am Mittwoch vor dem Innsbrucker Landesgericht droht Andreas E. lebenslange Haft. Eine Antwort auf die Frage, warum im Oktober des Vorjahres aber fünf Menschen sterben mussten, wird der mutmaßliche Mörder – für ihn gilt trotz Geständnis die Unschuldsvermutung – wohl nicht geben. Denn für das Unfassbare gibt es keine Erklärung.
Samuel Thurner, Kronen Zeitung
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