Toter bei Protesten
Weißrussland: Polizei geht gegen Demonstranten vor
Nach der Präsidentenwahl in Weißrussland, die Amtsinhaber Alexander Lukaschenko staatlichen Medien zufolge mit 80,2 Prozent der Stimmen gewonnen haben soll, sind am Sonntagabend bei landesweiten Protesten Zehntausende Menschen gegen Wahlfälschung auf die Straße gegangen. Dabei kam es in der Nacht auf Montag zu blutigen Zusammenstößen mit Dutzenden Verletzten und einem Toten. Die Polizei ging brutal gegen friedliche Demonstranten vor, es gab Dutzende Festnahmen.
In der Hauptstadt Minsk, wo sich laut Angaben von Beobachtern bis zu 100.000 Menschen an den Demonstrationen beteiligten, setzten die Sicherheitskräfte Wasserwerfer, Gummigeschosse und Blendgranaten ein. Solche Proteste hat die Ex-Sowjetrepublik noch nie erlebt. Die Menschenrechtsorganisation Wesna sprach in der Nacht von zunächst mehr als 50 Festnahmen allein in Minsk. Landesweit sollen es 120 gewesen sein. Diese Zahl dürfte aber weiter steigen.
Menschenrechtler: Ein Toter bei Protesten
Laut Bürgerrechtlern wurde bei den Protesten ein Mensch getötet. Das Todesopfer sei von einem Gefangenentransporter der Polizei umgefahren worden, teilte die Aktivistengruppe Spring 96 am Montag mit.
Auf Videos war etwa zu sehen, wie Demonstranten aus Müllcontainern Barrikaden errichteten. Menschenmassen zogen durch die Straßen - auch in anderen Städten des Landes. In sozialen Netzwerken wurden immer wieder Aufnahmen veröffentlicht, wie Polizisten brutal auf Menschen einprügelten. Auch Demonstranten attackierten Polizisten, um Festnahmen zu verhindern. Es gab viele Bilder von blutüberströmten Menschen.
Oppositionskandidatin will Wahl nicht anerkennen
Die Wahlkommission veröffentlichten auch Stunden nach Schließung der Wahllokale keine ersten offiziellen Ergebnisse. Es war lediglich die Rede von einem Sieg Lukaschenkos. Die Website der Wahlleitung war zunächst nicht abrufbar - wie viele andere Webseiten in Weißrussland. Erst Montagfrüh teilte die Wahlleiterin mit, Lukaschenko habe beim Urnengang 80,23 Prozent der Stimmen erzielt, seine Gegnerin, Swetlana Tichanowskaja, kam demnach nur auf 9,9 Prozent der Stimmen. Sie kündigte bereits an, eine Niederlage nicht anzuerkennen. „Es kann keine Anerkennung eines solchen Wahlergebnisses geben“, sagte ihre Sprecherin.
„Letzter Diktator Europas“ drohte mit Militär
Vor den Wahllokalen hatten sich am Sonntag teils lange Warteschlangen von einigen Hundert Metern gebildet. Das gab es in der Ex-Sowjetrepublik noch nie. Nach Angaben der Wahlkommission stimmten 84 Prozent der Wahlberechtigten ab. Schon am Wahltag und in den Wochen davor gab es viele Festnahmen. Lukaschenko, der als „letzter Diktator Europas“ gilt, hatte mit dem Einsatz von Militär gedroht, um seine Macht zu erhalten. In Weißrussland wird noch die Todesstrafe vollstreckt.
Ziel Tichanowskajas war es im Wahlkampf, die Abstimmung zu gewinnen, als Präsidentin alle politischen Gefangenen freizulassen und dann freie Neuwahlen anzusetzen. Sie kandidiert an Stelle ihres Ehemanns Sergej Tichanowski. Der regierungskritische Blogger sitzt wie der frühere Banken-Chef Viktor Babariko in Haft - wegen Anschuldigungen, die als politisch inszeniert gelten.
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