Wahlen in Weißrussland

Reaktionen, die man in Minsk nicht lesen kann

Digital
10.08.2020 11:26

Weißrussland hat unter Ausschluss internationaler Beobachter einen neuen Präsidenten gewählt - und Amtsinhaber Alexander Lukaschenko, der „letzte Diktator Europas“, will mit einem Ergebnis von rund 80 Prozent einen Erdrutschsieg eingefahren haben. Ein Ergebnis, das die Opposition als „fern jeder Realität“ bezeichnet, und das auch in den Nachbarländern für kritische Kommentare sorgt. Lesen können die Weißrussen sie nicht: Die meisten haben seit der Wahl kein Internet mehr.

Die massiven Internetausfälle in Weißrussland begannen Sonntagfrüh und dauerten auch nach dem Schließen der Wahllokale am Abend an. Die Bürgerrechtsorganisation „Netblocks“ hat die Ausfälle analysiert und berichtet von landesweiten Internet-Blackouts und Störungen bei Social-Media-Angeboten.

Kein Internet, demonstriert wurde trotzdem
Sowohl im Festnetz als auch am Handy ging nichts mehr, und zwar bei so gut wie allen Internetanbietern - laut „Futurezone“ unter anderem auch bei der dortigen Tochter der A1 Telekom Austria. Beobachter sehen in den Ausfällen Taktik: Lukaschenko wolle verhindern, dass sich wütende Bürger online zu Demonstrationen verabreden.

Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja hat viele Fans. (Bild: AFP)
Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja hat viele Fans.
Neben der Polizei war plötzlich auch jede Menge Militär auf den Straßen von Minsk unterwegs. (Bild: AFP)
Neben der Polizei war plötzlich auch jede Menge Militär auf den Straßen von Minsk unterwegs.
(Bild: Associated Press)

Genützt hat es nichts: Zahlreiche Weißrussen gingen am Sonntagabend auf die Straße, die Polizei ging hart gegen die Demonstranten vor. Lukaschenko hatte zuvor gar mit einem Militäreinsatz gegen das eigene Volk gedroht.

Lukaschenko steht jetzt massiv unter Druck
Das Klima des Misstrauens und der Gewalt, das nach der Wahl in Weißrussland herrscht, wird in den Nachbarländern mit Sorge aufgenommen, zeigt nach Ansicht vieler Beobachter auch, dass der Präsident seine Macht nur mehr mit Unterdrückung und Gewalt aufrechtzuerhalten vermag.

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Die großen Demonstrationen sind ein Beweis dafür, dass die Zivilgesellschaft in Belarus lebt und stärker wird. Diese Lektion in Freiheit werden die Menschen in Belarus nie mehr vergessen.

"Gazeta Wyborcza", Warschau

Die polnische „Gazeta Wyborcza“ schreibt: „Wir blicken mit Angst und Hoffnung nach Belarus. Egal, was die Propaganda von Lukaschenkos Apparat nach der Wahl verkündet: Die Demokratie in Belarus kann heute schon von einem großen Sieg sprechen. Dieser Wahlkampf, diese Tausenden Menschen, die Veränderungen fordern, das ist ein großer Schritt der Gesellschaft zur Freiheit. Die großen Demonstrationen sind ein Beweis dafür, dass die Zivilgesellschaft in Belarus lebt und stärker wird. Diese Lektion in Freiheit werden die Menschen in Belarus nie mehr vergessen.

Alexander Lukaschenko, seit mehr als 25 Jahren Staatschef Weißrusslands (Bild: AP)
Alexander Lukaschenko, seit mehr als 25 Jahren Staatschef Weißrusslands
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Sollte sich der Kreml entscheiden, gegen Lukaschenko aufzutreten, dann ist sein Los vorbestimmt.

„Rzeczpospolita“, Warschau

Bekommt Lukaschenko Unterstützung aus Moskau?
Ob sich Lukaschenko an der Macht halten könne, hänge nun davon ab, ob der weißrussische Präsident im Ausland Unterstützung finde, glaubt man bei der polnischen „Rzeczpospolita“. Vor allem auf Russland sei Lukaschenko angewiesen: „Sollte sich der Kreml entscheiden, gegen Lukaschenko aufzutreten, dann ist sein Los vorbestimmt. Nicht ohne Grund haben russische Politiker zuletzt suggeriert, dass er durch einen Putsch von Generälen zu Fall gebracht werden könnte. Die Grenze zwischen der russischen Armee und der Armee von Belarus ist ebenso schwer auszumachen wie die Grenze zwischen beiden Staaten.“

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Belarus wird nicht das Land bleiben, wie es Staatschef Alexander Lukaschenko bisher kannte.

"Nesawissimaja Gaseta", Moskau

In Russland scheint man ebenfalls mit Sorge nach Minsk zu blicken. Die Moskauer „Nesawissimaja Gaseta“ schreibt: „Belarus wird nicht das Land bleiben, wie es Staatschef Alexander Lukaschenko bisher kannte. Das Land hat sich verändert. Das war in der Auswahl der Kandidaten gut zu sehen und auch die massive Unterstützung der Bevölkerung hat das ganz deutlich gezeigt. Dass die Unzufriedenheit mit der Macht größer geworden ist, versteht Lukaschenko. Ebenso weiß er, dass eine nächste Amtszeit für ihn nicht einfach werden könnte. Der Präsidentschaftswahlkampf und auch die Abstimmung in Belarus sind absolut nicht nach Drehbuch gelaufen, weder für die Behörden noch für die traditionelle Opposition.“

Reaktionen, die zeigen, wie isoliert der weißrussische Präsident ist, die aber das weißrussische Volk durch die massiven Internetstörungen in vielen Fällen wohl nicht erreichen werden ...

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