In Zeiten der Pandemie sind Konzerte und Reisen zur Rarität geworden. Der holländische Instrumentenbauer und Musiker Yuri Landman ließ sich davon nicht abhalten und hat sich kurzerhand selbst eine kleine Europatour gebucht, die ihn mit dem Zug durch mehrere Länder führte. Vor seinem Auftritt im Wiener Fluc Ende Juli gab er uns Einblick in die aktuelle Reiselage und seine spannenden Tätigkeitsfelder.
Das herkömmliche Leben mit seinen Verpflichtungen und Normen war Yuri Landman schon immer zuwider. Als Jugendlicher verkroch er sich lieber in seinem Kinderzimmer, um Comics zu zeichnen und auf die Gitarre zu schlagen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Noise-Fanatiker war stark von The Cure und der Spät-80er-Indie-Szene rund um Sonic Youth geprägt. Als Besitzer eines Comicladens hätte er in seiner holländischen Kleinstadt Zwolle ein gemütliches Leben führen können, doch irgendwann war das dem zweifachen Familienvater zu wenig. Der handwerklich begabte Musikfanatiker begann an Instrumenten zu schrauben. Er überzog einfach Spanbretter mit Saiten, entlockte diesen Konstrukten erste Klänge und gab nicht auf, weiter daran zu feilen. Ohne es zu wissen hat er durch seine Leidenschaft einen neuen Markt geboren.
Durch geschicktes Marketing und etwas Glück kam er in erlauchte Indie-Kreise und baute Instrumente für Sonic Youth-Frontmann Thurston Moore (Sonic Youth), Lou Barlow (Dinosaur Jr.) oder The Japanese House. Instrumente für seine Heroen und Freunde baut der heute 47-Jährige nur mehr selten, sein Brot verdient er sich durch das Abhalten von Workshops und als Lehrender - etwa mit festem Auftrag an der FH Joanneum in Graz. Diese internationalen Trips ermöglichen es Landman auch, nach wie vor als One-Man-Show aufzutreten und berstend laute Noise-Konzerte zu geben. Vor wenigen Tagen war er als Support der einheimischen Band Radian im Wiener Fluc zu Gast. Die Tour durch Deutschland, Österreich, Tschechien, Italien, Schweiz, Frankreich und die Niederlande hat er sich mit seinen Kontakten selbst zusammengestellt. Ein Mann, sein Equipment und die öffentliche Bahn. Querfeldein durch alle Länder und Beschränkungen, inmitten von Corona als wohl einzig tourender Musiker der Gegenwart. Wir baten ihn in Wien vor seinem Gig zum Gespräch.
„Krone“: Yuri, Ende Juli/Anfang August 2020 auf Europatour mit dem Zug. Es kann gut sein, dass du derzeit der einzige Musiker auf dem Kontinent bist, der wirklich tourt.
Yuri Landman: Das kann gut sein. (lacht) Ich habe alles im Zug mit und teilweise booke ich die Shows noch auf Reisen, sehr spontan. Ich habe auch niemanden mit, bin komplett allein. Eine gute Freundin von mir lebt in Italien und in der Nähe von Venedig gab es ein Festival, auf dem ich geladen war. Zu der Zeit war ich in Berlin und habe gerade unterrichtet. Also hatte ich Berlin und Vicenza fixiert, aber das sind rund 4000 Kilometer Unterschied. Statt über Monate habe ich die Tour in zwei Tagen aufgestellt. Ich habe Bekannte in ganz Europa angerufen und aufgrund von Corona waren alle spontan bereit, was aufzustellen. Bologna, Wien, Tschechien - plötzlich ergab sich ein System. Nur für die Heimfahrt ergab sich leider zu wenig, denn ich musste ja nach Holland und hatte zu wenig Connections in Frankreich. Also eben 15 Stunden mit dem Zug heim, aber da muss man durch.
Du sitzt quasi jeden Tag permanent maskiert im Zug.
Gar nicht, da unterscheiden sich die Länder teilweise beträchtlich. In Tschechien war es zum Beispiel völlig egal. In Österreich, Deutschland oder Holland ist die Maske verpflichtet. Die internationalen Fernzüge sind alle ziemlich leer, weil eben kaum jemand reist und wenn, dann per eigenem Auto.
Wie geht es dir so beim Reisen? Du bist ja dennoch permanent von Leuten umgeben. Verunsichert das?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin kerngesund und lebe daheim in Holland in einem kleinen Dort. Die Chancen dort zu erkranken sind gering und das Virus ist gleichermaßen in Amsterdam, Prag und Wien - also ist es ohnehin egal, wo ich unterwegs bin. Im letzten Nachtzug waren vielleicht drei Leute, eigentlich ist man dort sogar am sichersten.
Du bist ja ein echtes Chamäleon, was die Liebe zu Instrumenten anbelangt. In erster Linie baust du Instrumente, dann spielst du sie auch und seit einiger Zeit unterrichtest du. Wie kam es zu dieser Leidenschaft?
Ich war anfangs Comiczeichner und habe mich da vor gut 20 Jahren richtig reingeworfen. Mit etwa 24 oder 25 habe ich mir dann einen Shop für Comics gekauft und dafür braucht man natürlich Regale, um die Bücher zu lagern. Also habe ich begonnen, diese Regale zu bauen, denn in meiner Gegend gibt es keinen Ikea. (lacht) Ich habe mich einfach daran versucht, alles designt und mein Talent erkannt. Ich konnte schnell sehr gut mit Holz umgehen. Nebenbei war ich schon immer in Bands und wusste, wie man Gitarren richtig stimmt und mit Sounds experimentiert. Ich habe Physik und Biologie studiert und wusste viel über die Funktionstheorie und harmonische Analyse. All diese Einflüsse kamen damals im Geschäft zusammen und dann dachte ich mir, ich könnte doch Saiten auf Holz basteln und etwas Neues kreieren. Da begann die Handarbeit so richtig. Das allererste Instrument klang sogar gut, auch wenn man es noch nicht stimmen konnte. Ich habe dann viel probiert, viel verworfen und irgendwann hatte ich eine Gitarre, die auch kontrollier- und stimmbar war. Das war so um 2000 herum.
Heute kannst du doch längst vom Instrumentenbau leben.
Das ist korrekt. Es war eine lange Reise, aber der Markt ist klein. Jedenfalls bin ich, glaube ich zumindest, weltweit der einzige, der das macht. Ich kenne noch einen Typen, der sowas in Synthesizerform baut. Der ist lustigerweise auch Performance-Künstler und Comiczeichner. (lacht) Aber das war es wohl mit dem Markt und wir haben ihn uns gut aufgeteilt. Mein Leben besteht aus vielen Zufällen. Irgendwann langweilten mich die Comics und die Musik frustrierte mich, weil damit kein Geld zu machen war. Niemals rechnete ich, dass ich mal Lehrer werden würde, aber ein Festival wollte, dass ich einen Workshop mache und unterrichte, wie man solche Instrumente herstellt. Bis dahin habe ich meinen Lebensunterhalt als Grafikdesigner verdient. So kam eines zum anderen.
Irgendwann kam es dann dazu, dass du bekannten Musikern aus dem Indie-Bereich eigene Gitarren auf den Leib gebaut hast. Wie funktioniert das? Kommen die mit Ideen, oder hast du völlig freie Hand?
Die meisten Leute kennen mich genau deshalb. 2000 bis 2005 habe ich nur für mich gearbeitet und hatte etwa 30 Gitarren, auf denen niemand spielte. Meine Freunde meinten, ich solle sie zur Verfügung stellen. Ich bin kein Finanzgenie, habe aber ein gutes Gespür, wie man in Märkte eindringt. Mir kam die Idee, das mit den Gitarren so zu machen wie Michael Jackson mit Pepsi Cola oder Michael Jordan mit den Nike Airs - also Produkte zu fertigen, die auf den Künstler zugeschnitten sind. Das könnte ich doch mit Gitarren machen, denn ich wusste, wie man sie baut. Ich war damals schon großer Fan von Sonic Youth und bei einem Konzert eröffneten die Liars, eine New Yorker Band, die ich ebenfalls schätzte. Ich hab sie einfach angemailt und sie antworteten, so kamen sie gratis zu meiner Gitarre. Das war eine Spende, aber so kam ich dann zu Sonic Youth. Auch denen schenkte ich eine, aber das hatte natürlich schon eine andere Wirkung.
In erster Linie bist du aber überhaupt erst als Fan und mit einer gewissen Dosis Frechheit dazu gekommen.
Das kann man so sagen. Sie akzeptierten meine Angebote, das war wichtig. Ich hatte auch dieselben künstlerischen Zugänge wie Sonic Youth. Wir beide mögen John Cage, wir beide mögen bildende Kunst und Malerei, dieselben Ästhetiken. So kamen wir uns leichter näher und die Jungs sahen, dass meine Instrumente von diesen Ästhetiken inspiriert waren. Es ging um Noise und um Kunst. Wir hatten also den gleichen Zugang.
Ist es für dich einfacher, dich ans Instrumentenbauen für Leute zu machen, die ein tieferes und auch breiteres Verständnis für Kunst und Kultur haben? Die auch gerne und oft über den Tellerrand blicken?
Definitiv. Das war im Endeffekt auch der Grund, warum ich aufhörte, Instrumente für Bands zu bauen. Damals habe ich etwa 20 Bands in gut vier Jahren versorgt, habe auch gut damit verdient, aber ich hing im Indie-Sektor fest. Natürlich war es toll für Japanese House und andere zu bauen, aber es schränkte mich zu sehr ein. King Gizzard And The Lizard Wizard würden mich heute noch interessieren. Sie sind alles andere als durchschnittlich und ihr Garage Rock ist mit nichts vergleichbar. Sie arbeiten konstant und unterschiedlich. Manchmal waren manche Bands in Zahlungsverzug und mir wurde langsam langweilig. Dazu kamen immer mehr Workshops, die mir Riesenspaß machten. Der informelle Charakter hat mir sehr gut gefallen. Rockmusik besteht ja aus diesem Jesus-Element, dieser Anbetung von Publikum an den Musiker. So ging es mir auch mit Thurston Moore und das war irgendwie furchtbar. Ich sah mich immer als Fan und nicht auf gleicher Ebene. Thurston ist ein netter Kerl, aber es hat immer eine Stunde gebraucht, bis die Situation entspannt war und ein Gespräch floss. (lacht) Das war mir irgendwann zu mühsam. Auch wenn wir uns oft trafen.
Bist du Thurston Moore oder Lee Ranaldo bei den vielen Treffen nie nähergekommen? Hat sich da nicht eine engere Beziehung ergeben?
Mit Lee habe ich ein sehr gutes Verhältnis, mit Thurston hat das nie so richtig geklappt. Ich habe für Thurston nur eine Gitarre gemacht und habe ihn vier- fünfmal sehr formell getroffen. Mit Lee habe ich regelmäßigen Mailkontakt und er ist von mir genauso Fan wie ich von ihm. Es ist einfach eine nette, lockere, entspannte Beziehung.
Gibt es neben King Gizzard And The Lizard Wizard noch Künstler, für die du gerne was kreieren würdest? Die dich aus irgendeinem Grund besonders ansprechen?
Heute nicht mehr. Ich habe unlängst in Berlin für ein Ausbildungsinstitut eine Kollektion gemacht. Ein fantastischer Platz namens „Acud macht neu“. Die haben eine Philosophie, die Unterricht, Performance, Kino und Musik verbindet. Da fließt alles ineinander und dort hatte ich etwa 15 verschiedene Instrumente ausgestellt. Jochen Arbeit von den Einstürzenden Neubauten war auch dort und ich habe dann fünf Instrumente für ihn gemacht. Er ist seit gut 20-30 Jahren im Genre, deshalb dachte ich, das würde auch für mich passen.
Was ist eigentlich das Herausfordernste, wenn du ein Instrument baust?
Ich habe mittlerweile aufgehört, Dinge zu erfinden. Ich habe auf so gut wie alles, was ich kenne, Saiten gebaut. (lacht) Letztes Jahr habe ich damit begonnen, Telefone zu basteln, aber ich bin da überall schon recht weit. Es geht eher um das Besserwerden, um den Perfektionismus. Ich bin natürlich ein Nischenkünstler und viel Zeit verschlingt bei mir das Marketing und die Eigenbewerbung. Das Entrepreneurship verbraucht derzeit mehr Zeit als das Erfinden. Hier und da mache ich Musik, aber Workshops und Bewerbung sind der Hauptteil meines Lebens. Wenn du dasitzt und eine Gitarre in die Hand nimmst, funktioniert vielleicht wochenlang nichts. Plötzlich greifst du eine Melodie, die funktioniert und die dich begeistert. Wie aus dem Nichts. So geht das auch mit dem Bauen von Instrumenten. Man hat viele Ideen und testet sehr viel, aber es dauert oft ein halbes Jahr voller Fehler, bis etwas wirklich funktioniert. So machen wohl auch Komödianten ihre Witze.
Das Lehren und die Workshops sind deine derzeitige, größte Leidenschaft. Geht es dir dabei vor allem um das Weitergeben deiner Fertigkeiten?
Das Lehren hat mich nach Europa gebracht. Ich bin jedes Jahr an der FH Joanneum in Graz, sie buchen mich schon seit Jahren. Ich habe also immer diesen gut gebuchten Job in Graz, der etwa zwei Tage dauert und dann nutze ich die Zeit und buche mir kleine Gigs, die oft nicht mehr als 50 Euro pro Abend abwerfen, um den Termin herum. Mir ist das aber egal, denn an der FH fühle ich mich wohl und drumherum kann ich meine Leidenschaft ausleben und mich durch Performances bewerben. (lacht) Ich habe auch keine Lust, auf normale Tour zu gehen, um dann über den einen oder anderen 100er zu verhandeln. Das ist es mir nicht wert, da bleibe ich gleich daheim. So habe ich einen fixen, guten Job und kann quasi meinen Urlaub darum aufbauen. Ich mache normal nur einwöchige Touren. Ich habe eine Familie und es wäre ihnen gegenüber nicht fair, wenn ich nicht zumindest alle zwei, drei Wochen fix zuhause wäre. Ich toure sehr selten.
Wie sehen diese Workshops in Graz aus, was machst du da genau?
Meist sind es zwei Tage, in Finnland habe ich oft fünf Tage am Stück. Die meiste Zeit kriegen die Studenten ein quadratisches Stück Holz von mir und müssen mit Saiten etwas daraus bauen. Wenn sie Probleme haben oder Hilfe brauchen, bin ich da. Der Job als Lehrer dreht sich mehr darum, die Angst vor dem Kreativsein und dem Basteln zu verlieren. Das Ergebnis muss nicht toll sein, aber es wäre schön, wenn man Ideen hat und sich versucht. Andererseits will ich ihnen auch zeigen, dass man in vier Stunden ein Instrument bauen kann, wenn man will. Es wird nicht das beste der Welt, aber sie sollen wissen, dass es möglich ist. Ich zeige ihnen auch immer abstrakte Zeichnungen des berühmten Sowjet-Malers Kazimir Malevich, der sich bildlich mit Saiten befasst hat. Sie sollen inspirieren.
Lernst du dann im Umkehrschluss auch von deinen Studenten dazu? Bringen sie dich manchmal auf ganz neue, spannende Ideen?
Aber sicher doch. Das gehört zu den Dingen, die ich am meisten mag. Ich habe ja nie gewusst, dass ich jemals Lehrer werden würde. Ich war auf einer sehr konservativen Hochschule und habe dort nie reingepasst, aber als ich Künstler kennenlernte wusste ich, das sind die Menschen, mit denen ich im Leben zu tun haben will. Es gibt immer zwei, drei Menschen auf einer Schule oder einer Uni, die Hirn haben, eine eigene Meinung oder besondere Visionen. Dort habe ich mich drangehängt. Manchmal integriere ich solch helle Geister auch in meinen Workshops oder lasse mich inspirieren. Es geht immer ums Nehmen und Geben.
Wird es mit den Jahren schwieriger, dich neu auszudrücken oder etwas Neues an deine Schüler oder Studenten zu vermitteln?
Schwer zu sagen. Viele Dinge in meinem Leben passieren einfach und ich bin immer beschäftigt. Es ist wie ein automatischer Flow. Ich arbeite bei den Performances immer mit experimentellen Musikern. Wenn jemand etwas mit seinen Percussions macht, versuche ich das auf die Gitarre oder die Saiteninstrumente umzusetzen. Leute wie David Bowie oder John Lennon sind deshalb berühmt geworden, weil sie dafür geboren waren. Sie hatten dann auch intellektuelle Kontakte zu Leuten wie Yoko Ono oder Brian Eno und wenn du dauernd von solchen Menschen umgeben bist und auch selbst sehr kreativ bist, dann kommt die Kunst auf eine höhere Plattform. Bowie hat auch nicht alles selbst erfunden. Gott bewahre, ich bin natürlich viel kleiner als Bowie, aber den Ansatz, sich inspirieren zu lassen und Ideen einfließen zu lassen, den teilen wir uns wohl.
Woraus ziehst du die meisten Inspirationen? Was ist für dich ein Quell der Kreativität?
Schwierige Frage. Noch bevor ich Comics zu zeichnen begann, lernte ich das Gitarrespielen und verantwortlich dafür war das Album „Pornography“ von The Cure. Der Sound war unheimlich sinister und das hat mich fasziniert. Anfang der 90er bin ich dann zu Sonic Youth gekommen. Diese sinistren Klänge hörte ich in meiner Kindheit, als ich Fieberträume hatte. Ich litt am Alice-im-Wunderland-Syndrom, das ich damals gar nicht kannte. Ich habe mich selbst und meine Umgebung irgendwie außerweltlich wahrgenommen. Hatte Fieberträume und gefühlte Nahtoderfahrungen. Ich nahm meinen Herzschlag wie ein Gebläse ganz speziell war. Es war fast wie ein Spektrum von verschiedenen Klängen, die sich alle in meinem Gehörgang versammelten. Bei Sonic Youth oder auch The Cure habe ich dieses Phänomen wieder wahrgenommen. Ich wollte dann also Albtraum-Musik im Stil von Marilyn Manson machen. Meine Fieberträume quasi klanglich umsetzen. Das war kein großer Spaß, aber ich wollte unbedingt meine Erlebnisse und Gefühle in einen Sound umsetzen. Steve Ditko, der Marvel-Comics-Zeichner war, hat Dr. Strange erfunden und in frühen Comics ging es um Planeten, auf denen der Protagonist wandelte. Genau so fühlte ich mich lange auch. Mein Sohn meinte immer, das wäre wie bei Super Mario, wenn er Pilze isst und größer wird. (lacht) So musste ich niemals LSD oder Magic Mushrooms nehmen, ich hatte diese Erfahrungen durch das Syndrom schon als Kind.
Dein Sohn muss deinen Job eigentlich auch ziemlich cool finden.
Mein Sohn ist schon 17, meine Tochter 15. Als sie aufwuchsen haben sie immer ganz große Augen gemacht, wenn ich mal in der Zeitung war. Auch im Fernsehen war ich in Holland und in der Schule sagten sie immer, dass ihr Vater eine Wikipedia-Seite hätte. (lacht) Anfangs wussten sie wohl nicht so recht, was ihr Daddy am Dachboden so macht. Heute denken sie, ich bin ein ziemlich verrückter Typ. (lacht)
Wolltest du nicht auch einmal selbst Rockstar werden? Ist das etwas, was dir eben nicht gelang und weshalb du nun nostalgisch und wehmütig zurückblickst?
Als ich jung war wollte ich natürlich Rockstar sein. Heute bin ich 47 und der Traum ist wohl durch. (lacht) Ich spiele immer vor extrem wenigen Leuten, aber das gefällt mir gut. Ich bin kein Typ für Festivals, wo die Fans völlig besoffen sind, ihre Chickenburger verzehren und nach Techno verlangen. Ich bin sehr glücklich über die Leute, die zu mir kommen und solange ich unterrichten und lehren kann, ist alles gut. Finanziell ist mein ganzes Leben natürlich ein ständiges Auf und Ab, es gibt nur wenig Sicherheiten. Ich verwende die meiste Zeit dafür, mich irgendwo zu bewerben und bemerkbar zu machen. Durch Corona ging jetzt alles gewaltig zurück und das war schockierend. Aber gut, da müssen jetzt viele durch.
Ist es dir sehr wichtig, dass die Menschen bei deinen Konzerten sehr konzentriert und aufmerksam sind?
Eigentlich gar nicht, denn ich spiele verdammt laut. (lacht) Da ist kein Platz für Stille oder zurückgelehnte Momente.
Du schreibst ja nun wieder Comics, hast zu deinen Ursprüngen zurückgefunden. Wie kam es eigentlich dazu?
Ich war als Teenie Fan von Comics und Noise-Musik. Ich war als Zeichner besser und so verfolgte ich diesen Weg und wurde in den Niederländen recht bekannt als Graphic-Novel-Artist. In Deutschland, den USA oder Frankreich kam ich aber irgendwie nie ganz durch. Ich bekam dann für einen Jahresauftrag etwa 10.000 Euro, aber damit kann man nicht überleben, wenn man ein ganzes Jahr daran arbeitet. Ich habe dann zehn Jahre lang in der Comicindustrie gearbeitet und Auftragsarbeiten angenommen. Irgendwann hat es mir gereicht, es war zu viel. Wenn du am Tag 20 Stunden Heavy Metal hörst, reicht es dir auch irgendwann. (lacht) Vor zehn Jahren hörte ich damit auf, aber vor zwei Jahren habe ich bemerkt, dass zwei Künstler in dem Bereich wirklich gut wären und weil ich jetzt etwas Geld hatte, habe ich gleich vier Meter Bücher von ihnen abgekauft. Ich habe da rund 500 Euro im Monat ausgegeben, ich bin ein ziemlich guter Sammler. Ich habe mich dann in ein paar Künstler regelrecht verliebt und da kam das Feuer zurück. Ich hatte dann einen 20-seitigen Entwurf, habe ein Storyboard am Computer entworfen und die Idee eigentlich wieder verworfen. Dann kam aber Corona. Die Lehrjobs waren weg, Workshops waren weg, Konzerte waren weg, die Online-Verkäufe sackten ein. So hatte ich Zeit für die Comics und habe mich total darauf konzentriert.
Ich habe dann in zwei Monaten 100 Seiten gemacht, sie alle handkoloriert. Der Stresslevel war immens, aber ich musste es tun. Die Handlung dreht sich um 1991. Das Jahr von Nirvana und das Jahr in dem ich Sonic Youth entdeckte und erwachsen wurde. Es ist ein Coming-Of-Age-Buch und bin sehr glücklich darüber. Alte Freunde erzählten mir ein paar Anekdoten und so ergab sich ein unglaublich persönliches, aber auch fiktives Comicbuch. Alles darin ist wirklich passiert, nur wurde manchmal etwas beschönigt oder Namen verändert. (lacht) Mein alter Verleger sah sich das an und musste lachen. 20 Jahre nach seinem Karriereende tanzte plötzlich sein alter Comictyp bei ihm an. Aber es gefiel ihm sofort und so legen wir das Buch in Holländisch und Englisch auf. Vielleicht wird es auch was mit Deutsch, aber der Markt dafür ist in euren Ländern eher schlecht. Frankreich hat einen zehnmal größeren Markt als Deutschland, das ist phänomenal. Jedenfalls schließt sich hier nun ein Kreis für mich.
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