„Passt auf euch auf!“
Tichanowskaja: Dramatische Botschaft aus dem Exil
Nach einer weiteren Gewaltnacht in Weißrussland hat die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja in einer ergreifenden Video-Botschaft ihre Ausreise ins Ausland gerechtfertigt. „Ich dachte, der Wahlkampf hätte mich abgehärtet und mir die Kraft gegeben, alles durchzustehen. Aber wahrscheinlich bin ich doch die schwache Frau geblieben, die ich zu Beginn war“, sagte die zweifache Mutter mit stockender Stimme.
Zuvor war bekannt geworden, dass die 37-Jährige in der Nacht auf Dienstag in das benachbarte EU-Land Litauen ausgereist war. Nach der von Manipulationen überschatteten Präsidentenwahl am Sonntag brachen landesweite Proteste aus, es gab Tausende Festnahmen.
Anstelle ihres inhaftierten Ehemannes angetreten
Die politisch unerfahrene Fremdsprachenlehrerin war im Juli als Kandidatin bei der Wahl in der autoritären Ex-Sowjetrepublik registriert worden. Sie war anstelle ihres inhaftierten Ehemannes angetreten. Sergej Tichanowski ist ein bekannter Blogger, der im Internet offen Korruption und Missstände unter Staatschef Alexander Lukaschenko kritisiert. Seine Frau wurde zur Hoffnungsträgerin der Opposition. Ihre minderjährigen Kinder brachte Tichanowskaja schon vor einiger Zeit ins Ausland.
Viele werden mich verstehen, mich verurteilen oder hassen. Aber Gott bewahre, dass sie je vor so einer Wahl stehen müssen, wie ich es musste.
Swetlana Tichanowskaja
Sie habe diese schwere Entscheidung selbstständig getroffen, niemand habe sie beeinflussen können, sagte sie. „Viele werden mich verstehen, mich verurteilen oder hassen. Aber Gott bewahre, dass sie je vor so einer Wahl stehen müssen, wie ich es musste.“
Leute, passt bitte auf euch auf. Kein Leben ist es wert, was jetzt passiert. Kinder sind das Wichtigste im Leben.
Swetlana Tichanowskaja
Die Ausreise überraschte viele Beobachter. Tichanowskaja hatte noch zuvor bei einer Pressekonferenz gesagt, dass sie im Land bleiben werde und weiterkämpfen wolle. Sie legte am Montag bei der Wahlleitung offiziell Beschwerde gegen das Ergebnis der Wahl ein. Dann soll sie stundenlang nicht mehr erreichbar gewesen sein. „Leute, passt bitte auf euch auf. Kein Leben ist es wert, was jetzt passiert. Kinder sind das Wichtigste im Leben“, sagte Tichanowskaja nun.
NGO prangert „offensichtlichen Wahlbetrug“ an
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kritisierte indes in einer Aussendung am Dienstag den „offensichtlichen Wahlbetrug, das gewaltsame Vorgehen der Polizei sowie Dutzende Verhaftungen von Regimekritikern aufs Schärfste“. „Die Menschen in Weißrussland wollen nicht länger betrogen werden. Sie stellen sich der Wahlfälschung von Lukaschenko entgegen, auch wenn sie sich damit in große Gefahr begeben. Die Gewalt des Regimes gegen friedliche Demonstrierende muss sofort gestoppt, alle politischen Gefangenen müssen umgehend und bedingungslos freigelassen werden“, erklärte Edgar Lamm, Vorsitzender der IGFM.
Das Vorgehen des seit 26 Jahren „an der Macht klebenden“ Lukaschenko zeige, wie sehr sich dieser bedroht sehe und dass die Zeichen auf Wandel stünden. „Deutschland und die EU müssen klarmachen, dass unser natürlicher Partner in Weißrussland die Demokratiebewegung ist“, so Lamm. Die IGFM begrüßte die kritische Reaktion aus Brüssel und rief die EU dazu auf, Sanktionen gegen das Regime zu beschließen sowie die dortige Zivilgesellschaft zu stärken. Solange Lukaschenko keine Konsequenzen fürchte, werde die Gewalt gegen Regimekritiker weiter eskalieren, so IGFM.
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