Bei den Salzburger Festspielen dirigiert er die Strauss-Oper Elektra. Am kommenden Sonntag feiert Franz Welser-Möst seinen 60. Geburtstag. Rechtzeitig zum Jubiläum erschien seine Autobiografie „Als ich die Stille fand“. Im persönlichen Gespräch erzählt er von Perfektionismus, Rückschlägen und wie er den Lockdown verbracht hat.
Keine Konzerte, keine Proben – wie haben Sie den Lockdown verbracht?
Ich habe noch nie so ausgiebig gegartelt wie jetzt. Ich habe 1994 den Besitz am Attersee von meinem Vater übernommen. Das war seinerzeit eine saure Wiese, wo die Bauern froh waren, dass sie sie losgekriegt haben. Zum ersten Mal habe ich den Mai Zuhause verbracht. Das Blühen im Garten zu erleben, war eine neue Erfahrung. Man wird ein bissl zum Kind und sagt: Oh, heute hat der Hibiskus angefangen zu blühen!
Jetzt sind Sie bei den Salzburger Festspielen im Einsatz – wie gewagt ist das in diesen Zeiten?
Wenn alles gut geht, bin ich Ende September wieder in Cleveland. Ich habe meinen Leuten dort von dem strengen und tollen Sicherheitskonzept bei den Festspielen berichtet. Es ist in der Musikwelt führend. Alle anderen haben die Hände hochgeworfen und gesagt: „Aus!“ Die Löwin von Salzburg hat gesagt: „Nein, wir schauen wie sich das entwickelt.“ Sie ist eine Kämpfernatur. Das findet man heute nicht mehr sehr oft. In der Politik ist es eine Angela Merkel und in der Kultur eine Helga Rabl-Stadler.
Wenn der Klangrausch von Richard Strauss im Hirn weiterwabert, an welchen Kraftorten in Salzburg können Sie abschalten?
In der Stadt oben am Mönchsberg oder beim Erzabt Korbinian, er ist ein Freund von mir. Da kann man sich hinter kühlen Klostermauern zurückziehen. Ein Riesenbonus ist, wenn ich in Salzburg arbeite, dass ich am Attersee in meinem eigenen Bett schlafen kann. Ich bin in einer dreiviertel Stunde Zuhause, wenn kein Verkehr ist. Das ist wunderbar.
Sie haben beruflich alles erreicht, wo geht es hin?
Wenn man versucht, großartigen Kunstwerken gerecht zu werden, dann ist das jedes Mal ein bissl ernüchternd. Man versucht, es so perfekt wie möglich hinzukriegen. In dem Wissen, dass es völlige Perfektion nicht gibt. Das ist wie in einer Beziehung. Natürlich ist der andere nicht vollkommen. Aber man kann ja trotzdem miteinander glücklich sein.
Welche Auszeichnung bedeutet Ihnen viel?
Der Ehrenring der Wiener Philharmoniker hat mich am meisten gefreut. Als Dirigent ist man gewöhnt, ich sage es humorvoll, dass das Orchester einem gegenüber in Opposition ist. Es gibt einen Spruch mit einem gewissen Augenzwinkern: „Der Dirigent ist der natürliche Feind des Orchestermusikers.“ (Lacht.) Dass das Orchester dann so seine Wertschätzung ausdrückt, hat mich wahnsinnig gefreut. Das gemeinsame Ziel ist es, eine bestmögliche Aufführung zu spielen. Das vereint alle. Es sind nur die Wege dorthin nicht immer die gleichen.
Wie überwinden Sie schwere Rückschläge?
Man braucht einen langen Atem. Aber letztlich ist es das Bewusstsein, ein Talent geschenkt bekommen zu haben, das eine Verpflichtung ist. Dazu kommt mein Umfeld, das mich trägt. Das fängt bei meiner Frau an und geht über Mitarbeiter und Freunde.
Hilft so ein Umfeld bei Gegenwind?
Ich bin viel geprügelt worden in meinem Leben. Manche wundern sich, dass ich immer noch da bin, wo ich bin. Denn ich bin schon so oft totgesagt worden, warum auch immer. Dieses Umfeld und das Wissen, dass dieses Talent nicht von der Meinung anderer abhängig ist, das sind die Dinge, die einem darin bestärken, trotzdem weiter zu machen. Mein Umfeld sagt: „Auch wenn die anderen dich furchtbar finden, bist du ein klasser Kerl.“ Wir brauchen ja alle Bestätigung. Wenn man keine Bestätigung mehr bekommt, ist man wahrscheinlich der Selbstaufgabe nahe. Jeder will Erfolg haben, auch wenn es nur kleine sind. Die zählen eben auch.
Was bringt Sie bei der Arbeit auf die Palme?
Disziplinlosigkeit, Faulheit und Arroganz. Diese Dinge kann ich überhaupt nicht ertragen und da werde ich auch böse.
Inwiefern hat Ihre Mutter Sie geprägt?
Sie war das Gegenteil von einer Glucke und hat immer gesagt: „Sitzt nicht zu Hause und seid langweilig! Raus mit euch in die Welt!“
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