Die Mehrheit der Österreicher nimmt das Coronavirus ernst, versteht auch die Sicherheitsvorkehrungen und hält sich an die Maßnahmen. Es gibt aber eine sehr laute Minderheit, die von Hysterie und Panikmache spricht oder gar an Verschwörungstheorien glaubt oder diese verbreitet. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch verständlich und menschlich - schließlich befinden wir uns in einer Zeit, in der die Unsicherheit und das Bedürfnis nach Erklärungen hoch sind. Aber was wissen wir bisher sicher über dieses neuartige Coronavirus, wo hört die Vorsicht auf und fängt die Hysterie an, ist an den Verschwörungstheorien etwas dran und wie sicher ist der neue russische Impfstoff? Das hat Damita Pressl bei „Moment Mal“ rechtzeitig vor der befürchteten zweiten Welle im Herbst mit dem Pharmakologen Markus Zeitlinger und dem Virologen Christoph Steininger besprochen.
Klar ist bisher aus medizinischer Sicht: SARS-CoV-2 infiziert die Zellen der Lunge, vermehrt sich in diesen Zellen und stößt eine Immunreaktion an, die die Lungenzellen dann weiter beschädigen kann. Auch die Virusvermehrung selbst schadet der Lunge, ihre Funktion wird beeinträchtigt.
Das Virus stammt nicht aus einem Labor in China, es ist nicht menschengemacht. Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben sich das Erbgut des Virus angesehen. Das, erklärt Virologe Christoph Steininger, sei sehr ähnlich zu bekannten Viren, die in der Natur zirkulieren, und enthalte auch keine klassischen Merkmale von künstlich hergestellten Viren.
Anstecken, so der Pharmakologe Markus Zeitlinger, könne man sich beinahe ausschließlich über kleinste Flüssigkeitsteilchen in der Luft. Das passiert etwa über Husten, Niesen, aber auch über das Sprechen. Daher ist der Sicherheitsabstand zu anderen Menschen so wichtig. Bei Oberflächen bestehe kein Infektionsrisiko - im Supermarkt oder in Geschäften also kein Grund zur Sorge.
„Man kann versuchen, mit oder ohne Unterhose gegen Baum zu pinkeln“
Beim Thema Masken, so Steininger, habe es seit Beginn der Pandemie einen deutlichen Wissensgewinn gegeben. Anfangs hatte die WHO diese nicht empfohlen, weil sie Mangelware waren. Mittlerweile zeigen allerdings verschiedenste Studien, dass sich weniger Menschen mit dem Virus anstecken, wenn alle Masken tragen. Denn die Maske stoppt die infektiösen Flüssigkeitsteilchen. Man könne ja versuchen, „mit oder ohne Unterhose gegen einen Baum zu pinkeln“, formuliert es Zeitlinger salopp, und sehen, wann man trifft.
Dass die täglichen Neuinfektionen derzeit teilweise ähnlich hoch wie im März oder im April sind, setzt Virologe Steininger in Relation: Der Anstieg sei derzeit nicht exponentiell. Das liege einerseits daran, dass die Österreicher Masken tragen, andererseits aber auch daran, dass die Behörden inzwischen geschulter im Nachvollziehen von Kontakten und im Eindämmen von Clustern seien.
Dass Tests falsch positiv sind, sei aktuell zu 99,9% auszuschließen, erklärt Steininger. Ist ein PCR-Test eines österreichischen Labors positiv, so ist der Patient mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit auch infiziert. Es kommt allerdings immer wieder zu falsch negativen Ergebnissen, räumt Steininger ein, vor allem bei Patienten ohne Symptomen.
Bei Grunderkrankungen fällt die Infektion schwerer aus
Auch dass die gezählten Todesfälle nicht wirklich auf die Erkrankung Covid-19 zurückzuführen seien, können die Mediziner ausschließen: Für die Definition eines Todesfalls gelten internationale Kriterien und gezählt werden jene Fälle, bei denen die Infektion als Todesursache identifiziert werden konnte. Allerdings, so Zeitlinger, treffe dies natürlich Menschen mit Grunderkrankungen häufiger. Hier fällt die Virusinfektion schwerer aus und die Lungen sind eventuell vorgeschädigt, während der Krankheitsverlauf bei jüngeren oder gesunden Menschen deutlich milder ausfällt.
Langzeitfolgen anders als bei Grippe oder Atemwegsinfekten
Selbst bei jenen Patienten, die die Infektion überleben, gibt es allerdings Langzeitfolgen. Bisher sieht es aus, als würde sich die Lunge nicht vollständig erholen, erklärt Zeitlinger. Chronische Langzeitschäden werden auch am Nervensystem festgestellt. Die volle Leistungsfähigkeit der Lunge ist zumindest in den ersten Monaten nach der Infektion nicht mehr gegeben. „Das ist zum Beispiel bei Leistungssportlern klar ersichtlich“, so Zeitlinger, „und ist bei einer Grippe oder anderen Atemwegsinfekten nicht so.“
Beide Mediziner gehen davon aus, dass Patienten, die die Infektion durchgemacht haben, immun sind - auch wenn zum Teil keine Antikörper mehr nachweisbar sind. Es gibt andere Anteile des Immunsystems, die das Virus dann bereits kennen, erklärt Steininger, und die den Körper dann schützen können.
Was Impfungen betrifft, so erinnert der Pharmakologe Zeitlinger: „Bei Impfungen macht das Immunsystem eine Schule durch. Man zeigt ihm: ‚Das ist der Feind, wenn der kommt, bist du vorbereitet. Bitte merk dir das eine Zeit lang.‘“ Impfstoffe können weder das Immunsystem verändern noch in das menschliche Erbgut eingreifen, bestätigen die Ärzte. Auch etwaige Stoffe, die Menschen orten oder „tracken“ könnten, wie das in diversen Verschwörungstheorien kolportiert wird, können über Impfungen nicht in den Körper gelangen.
Skepsis vor „Sputnik V“: „Eine Impfung zu evaluieren, braucht Zeit“
Die von Russland angekündigte Impfung, die für internationale Skepsis sorgt, stammt durchaus von einem „sehr renommierten Institut“ mit „renommierten Forschern“, sagt Steininger. Aber: Eine Impfung zu evaluieren, brauche Zeit. Man müsse sichergehen, dass der Impfstoff langfristig wirkt und keine Nebenwirkungen hat. „Dieser Evaluierungsprozess ist offensichtlich massiv abgekürzt worden“, so Steininger. „Das kann gut gehen. Es kann durchaus sein, dass das ein ausgezeichneter Impfstoff ist. Es kann aber auch sein, dass er nicht geeignet ist. Sollte es schwere Nebenwirkungen geben, bekommen wir große Schwierigkeiten hinsichtlich des Vertrauens in Impfstoffe, und genau das wollen wir nicht. Deshalb ist sorgfältigste Überprüfung selbst in einer Pandemie sehr wichtig.“
Zeitlinger hat eine andere Sorge. Die Sicherheit könne man anhand relativ weniger Patienten bereits überprüfen, sagt er. „Aber ich weiß wirklich nichts über die Effektivität.“ Denn ob die Impfung wirklich gegen das Virus wirkt, könne man nur in einer großen Studie prüfen, wo ein Teil der Probanden geimpft wird, ein anderer Teil nicht. Dann vergleicht man die Anzahl der Infektionen in beiden Gruppen und prüft so, ob der Impfstoff funktioniert. Und das, so Zeitlinger, weiß über „Sputnik“ niemand: „Wenn ich einen schlechten Impfstoff herausgebe, dann glauben die Leute, sie sind immun. Dann glaube ich, jetzt kann ich wieder feiern gehen. Und wenn das eine Millionenstadt wie Moskau macht, dann knallt es natürlich ordentlich, wenn der Wirkstoff nicht aktiv war.“
„Moment Mal“ greift aus der Informationsflut jede Woche ein Thema auf, das Österreich bewegt - aufbereitet in einer Doppelkonfrontation.
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