EU-Sondergipfel
Lukaschenko nach Protesten zu Machtteilung bereit
Nach einem der größten Proteste seit der Unabhängigkeit Weißrusslands ist Staatschef Alexander Lukaschenko nun doch zu Zugeständnissen bereit. Er lehne zwar eine Neuwahl ab, aber könne sich vorstellen, seine Macht zu teilen, hieß es am Montag. Allerdings betonte er, dass dies nicht unter dem Druck von Demonstrationen passieren werde.
„Sie werden nicht erwarten, dass ich etwas unter Druck mache.“ Ähnlich hatte er sich bereits am Sonntag geäußert und Fälschungsvorwürfe bei der Präsidentenwahl vor gut einer Woche zurückgewiesen. Seit der Wahl kommt es landesweit zu Demonstrationen - die größte davon fand am Sonntag statt. Nach Reuters-Schätzungen protestierten rund 200.000 Menschen gegen Lukaschenko in Minsk.
Es werde bereits an einer möglichen Verfassungsänderung gearbeitet, die eine Umverteilung der Macht vorsehe, sagte der Präsident am Montag bei einem Besuch des staatlichen Fahrzeugherstellers MZKT in Minsk der Staatsagentur Belta zufolge, ohne Details zu nennen. Der 65-Jährige regiert das Land seit 26 Jahren autoritär. Bei der Wahl vor gut einer Woche hatte er sich zum Sieger mit großem Vorsprung erklärt. Die Opposition wirft ihm Wahlbetrug vor und reagierte mit Demonstrationen, gegen die Sicherheitskräfte teils brutal vorgingen.
EU beruft wegen Polizeigewalt gegen Demonstranten Gipfel ein
Auch die EU äußerte Zweifel an der Wahl. Am vergangenen Freitag hatte sie Sanktionen gegen Personen auf den Weg gebracht, die für mutmaßliche Wahlfälschung und die Niederschlagung von Protesten verantwortlich gemacht werden. Großbritannien erklärte, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. EU-Ratspräsident Charles Michel berief für Mittwoch einen EU-Videogipfel an. Die Menschen in Weißrussland hätten das Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden und ihre Führung frei zu wählen, schrieb Michel am Montag auf Twitter. Gewalt gegen die Demonstranten sei inakzeptabel.
Zu Wochenbeginn traten Arbeiter in vielen Staatsbetrieben in den Streik. Die Fabriken gelten in der Ex-Sowjetrepublik als elementar für das Funktionieren des Staates. Experten gehen davon aus, dass Lukaschenko über die Arbeitsniederlegungen nach 26 Jahren an der Macht am schnellsten zum Aufgeben gedrängt werden kann. Die Staatsagentur Belta behauptete am Montag, dass die Werke im Land „im Großen und Ganzen funktionieren“. Lukaschenko sagte: „Diejenigen, die arbeiten wollen, sollen arbeiten. Wenn nicht, dann werden wir sie auch nicht dazu zwingen.“ Wenn 150 oder sogar 200 Menschen streikten, dann habe das keinen Einfluss auf den Betrieb.
Lukaschenko flog am Vormittag mit einem Hubschrauber auf das Werksgelände. Während der Rede riefen ihm die Beschäftigten „Hau ab“ entgegen, wie in Videos zu sehen war. Im Nachrichtenkanal Telegram wurden Aufnahmen von Versammlungen in Betrieben geteilt, auf denen Mitarbeiter zu sehen waren, die ihre Fabriken verlassen hatten und auf der Straße demonstrierten.
Studio von staatlichem Fernsehsender blieb leer
Auch das Staatsfernsehen hatte am Montag Sendeprobleme, weil Mitarbeiter entweder streikten oder prominente Moderatoren gekündigt haben. Ein Twitter-Video (siehe oben) zeigt ein leeres TV-Studio, das so auf Sendung ging. Für den Abend ist in der Hauptstadt Minsk eine neue Großkundgebung geplant.
Laut unbestätigten Medienberichten soll Lukaschenko mittlerweile eingelenkt haben, was die Forderung nach Neuwahlen in Weißrussland betrifft. Einem Bericht der Nachrichtenagentur RIA zufolge ist er bereit, die Präsidentschaftswahl zu wiederholen, sobald eine neue Verfassung angenommen worden ist.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.