Lage in Weißrussland
„Hau ab!“ Proteste gegen Lukaschenko nehmen zu
Er gilt als Europas „letzter Diktator“ und regiert Weißrussland seit 26 Jahren mit harter Hand: Alexander Lukaschenko hat gerade erst die Präsidentschaftswahl mit offiziell knapp 80 Prozent der Stimmen gewonnen und trotzdem zieht sich die Schlinge um den Hals des langjährigen Machthabers immer weiter zu. Nach historischen Massenprotesten im ganzen Land besuchte Lukaschenko am Montag eine traditionell regierungsfreundliche Traktorenfabrik in Minsk und wurde dort prompt ausgepfiffen und ausgebuht: „Hau ab!“, riefen ihm die Fabrikarbeiter entgegen. Kurze Zeit später gab Lukaschenko dem Druck nach und flog mit seinem Tross an Sicherheitsleuten im Hubschrauber davon.
„Ihr seid die Masse, und ich bin allein“, sagte Lukaschenko noch zu einem der Arbeiter, kurz bevor er ging. Der Machthaber kämpft gerade um sein politisches Überleben. Seit Montag sind viele Mitarbeiter von Staatsbetrieben in den Streik getreten. Zuletzt schlossen sich vorübergehend sogar Journalisten der staatlichen Fernsehanstalt den Protesten an und ließen demonstrativ ein leeres TV-Studio zurück. Mittlerweile ist der TV-Sender jedoch wieder auf Sendung.
Wirtschaft von Produktionsbetrieben abhängig
Die Arbeitsniederlegungen breiten sich wie ein Flächenbrand aus und sollten am Montagabend in einer neuen Großkundgebung auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk münden. Die Betriebe sind die Achillesferse der Wirtschaft in der Ex-Sowjetrepublik. Wenn sie nichts mehr produzieren und kein Geld verdienen, ist die Staatsmacht bald am Ende, wie ein Minsker Analyst betont.
„Uchodi!“ - „Hau ab!“ - ist der Schlachtruf der Revolution in Weißrussland. Zum ersten Mal brüllte das die wütende Bevölkerung dem umstrittenen Staatschef direkt ins Gesicht:
Lukaschenko wohl für Neuwahlen offen
Noch am Montag sagte Lukaschenko, dass es keinen Machtwechsel geben werde, solange er lebe: „Ich gehe nicht, bis ihr mich tötet.“ Er stimmte mittlerweile jedoch auch der Forderung nach Neuwahlen zu und konnte sich auch erstmals offen vorstellen, Teile seiner Macht abzugeben.
Tichanowskaja will Führung übernehmen
Als Nachfolgerin stünde die ins litauische Exil geflohene Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja bereit. Die 37-Jährige meldete sich mit einem neuen Video zu Wort und äußerte darin die Bereitschaft, wieder nach Weißrussland zu kommen und das Land selbst in die Zukunft zu führen.
Dabei forderte sie auch den Sicherheits- und den Justizapparat auf, die Seiten zu wechseln: „Euch passiert nichts, wenn Ihr Euch uns anschließt.“ Außerdem berief die EU für Mittwoch einen Sondergipfel zur Lage in Weißrussland ein und Großbritannien erklärte, das amtliche Wahlergebnis vom 9. August nicht anzuerkennen.
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