Wie man 40 Millionen Euro versenkt, zeigt derzeit Lech am Arlberg vor: Dort soll ein neues Gemeindezentrum samt Luxus-Kaufhaus entstehen. Ob das die Gemeinde wirklich vorwärtsbringt?
Im idyllischen Lech am Arlberg, wo man im Sommer eigentlich nur die Kuhglocken bimmeln hören sollte - und sonntags natürlich die Kirchenglocken -, ist Unruhe eingekehrt. Mit Erdreich beladene Laster dröhnen durch die Ortschaft, die zwischen den Berghängen hin gedrückt ist und sich jeden Winter in ein Schnee-Eldorado für Urlauber verwandelt. Nun aber wird ordentlich Staub aufgewirbelt - und zwar in einer riesigen Baugrube, in der selbst die schotterschaufelnden Bagger wie Spielzeug wirken.
Urlaubsgäste fragen sich, was hier entstehen soll? Das neue Luxus-Ressort eines russischen Oligarchen? Ein rustikales Chalet-Dorf für Beton-geschädigte Städter? Oder gar ein Spa-Tempel? Weit gefehlt! Mitten im Ortszentrum soll zwar tatsächlich ein Tempel hochgezogen werden, gehuldigt werden soll darin aber nicht der Gesundheit, der Kultur oder einfach dem süßen Nichtstun, sondern – der Verwaltung! Das neue Gemeindezentrum soll aus zwei kirchenschiffhohen Gebäudeblöcken bestehen, in denen sich so viele Büros unterbringen lassen, dass selbst Anhänger der einstigen, recht voluminösen k.u.k.-Bürokratie vor Neid erblassen würden. Handelsflächen und ein Veranstaltungssaal sollen dort ebenfalls Platz finden.
Ein Kaufhaus, das niemand will - außer dem Bürgermeister
Zogen beim Gedanken an diese städtebaulichen Fremdkörper im Dorf schon Gewitterwolken vors geistige Auge vieler Lecher, entluden sich diese nun, als bekannt wurde, dass auch einem ganz speziellen Player in der Immobilienbranche reichlich Platz im neuen Gemeindezentrum geboten werden soll. Die Rede ist vom Luxus-Kaufhaus KaDeWe aus dem Umfeld des Immobilieninvestors René Benko. Justament dieses Unternehmen legte der Gemeinde schon wenige Wochen nach Ausschreibung der Gewerbeflächen ein fixfertiges Konzept vor.
Auf ganzen 2500 Quadratmetern könnten die Touristen in Lech zukünftig ihr Geld liegen lassen. Eine Aussicht, die die ortsansässigen Händler auf die Barrikaden gehen ließ. Plötzlich regte sich Widerstand gegen das Projekt, das in unterschiedlichen Formen bereits seit Jahrzehnten diskutiert und nun vonseiten des ebenso lange im Dienst stehenden Bürgermeisters Ludwig Muxel endlich durchgeboxt werden soll. Berauscht von der mit Euroschein-Knistern unterlegten zukünftigen Kaufhausmusik, spielen auch die Kosten für Bürgermeister Muxel scheinbar keine Rolle mehr, denn der Bau verschlingt 40 Millionen Euro.
Lech braucht Ideen, keine millionenverschlingenden Gebäudekomplexe
40 Millionen, die die Gemeinde nicht aus der Portokasse zahlen kann. Deswegen wurde auch schon vor Monaten beschlossen, die Tourismusbeträge und die Gästetaxen zu erhöhen. Das war allerdings zu einer Zeit, da von Gewerbeflächen dieses Ausmaßes keine Rede war, denn bewilligt wurden nur 600 Quadratmeter Handelsflächen. Wie die Zusatzflächen aus dem Boden gestampft werden sollen, darüber gibt sich Muxel bedeckt („Das wird man noch sehen“). Überhaupt scheint Kommunikation nicht gerade das Steckenpferd des Bürgermeisters zu sein, denn die Kaufmannschaft in der Gemeinde fühlt sich nicht nur übergangen, sondern auch hinters Licht geführt. Viele vermuten gar, dass es sich bei dem KaDeWe-Deal um ein abgekartetes Spiel handeln könnte, um das Projekt auf Biegen und Brechen finanzieren zu können.
Der Bürgermeister, heißt es im Flüsterton, wolle sich hier ein Denkmal setzen. Offen formulierten Ängsten der Händler begegnet Muxel mit Antworten, die nur noch mehr Fragen aufwerfen. Und derer gibt es mittlerweile viele. Einige davon stellt Hotelier Thomas Eggler: „Mittlerweile hat niemand mehr Freude mit dem Projekt. Warum wurde der Handel nie in das Projekt eingebunden? Wie kann es sein, dass KaDeWe so schnell ein Konzept auf den Tisch zaubert? Und warum denkt die Gemeinde nicht an die Folgen von Corona und hört endlich auf, Geld in dieses Loch zu schaufeln?“ Gerade die Corona-Krise, so Eggler, wäre eine gute Chance gewesen, einen Baustopp zu beschließen, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Aber die Bagger schaufeln weiter.
Im Trüben fischen muss man auch bei einigen anderen Fragen: So gibt es bis jetzt kein Konzept für die Nachnutzung der leer stehenden Immobilien, ist erst einmal die gesamte Verwaltung im neuen Mega-Komplex untergebracht. Gibt es auch dafür schon Interessenten, von denen derzeit offiziell noch niemand etwas weiß?
Unbeantwortet bleibt auch die Frage, wie die Gemeinde die Einnahmenverluste durch die Corona-Krise kompensieren will. Man denke derzeit noch zu viel in Gebäuden und Flächen statt in Strategien und Prozessen, findet Eggler. Dabei wäre es für Letztere höchste Zeit, denn auch Lech muss den Tourismus neu denken. Eine Geldvernichtungsmaschine wie das Gemeindezentrum hilft da wohl wenig. Stagnierende Gästezahlen und ein Virus, das sich in Gondeln und Bars nicht ganz unwohl zu fühlen scheint, sollten auch im Bürgermeister-Büro Glocken zum Klingen bringen. In diesem Fall Alarmglocken.
Angelika Drnek, Kronen Zeitung
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