Missstände angeklagt

Aufstand der Hebammen im Wiener AKH

Österreich
21.09.2010 15:15
Die Hebammen in Österreichs größtem Krankenhaus, dem AKH Wien, demonstrieren derzeit offenbar mit Protestkrankenständen gegen die Arbeitsbedingungen in den Kreißsälen. Bereichsleiter Peter Husslein sprach am Dienstag von einem "Ausnahmezustand". Die Hebammen hatten sich bereits Anfang September an die Politik und einen Anwalt gewendet und "schwere Missstände" im Geburtenbereich des AKH kundgetan (siehe Infobox).

Die "offensichtlichen Protestkrankenstände" hätten zur Folge, dass zeitweise keine einzige Hebamme im Kreißsaal anwesend sei, so Husslein in einer Aussendung. Dies berge ein beträchtliches Gefahrenpotenzial, da das AKH als eines der beiden Perinatalzentren Ostösterreichs für die Versorgung von Problemschwangerschaften zuständig sei.

Die Ärzte der Geburtshilflichen Abteilung des AKH würden sich akut gezwungen gesehen, einen Katastrophenplan zu erstellen, bis die Situation gelöst werden könne. Laut Husslein werden Geburtshelfer (also Ärzte, Anm.) des AKH in den kommenden Tagen Hebammenarbeit verrichten.

AKH-Chef: "Wir haben das im Griff"
Der ärztliche Direktor des Spitals, Reinhard Krepler, versicherte, dass die Betreuung der Schwangeren sichergestellt sei. Laut Krepler haben sich in den vergangenen Tagen zehn der insgesamt 35 Hebammen krankgemeldet. Gefahr entstehe daraus keine, versicherte er: "Wir haben das im Griff." 

Unter anderem würden nun Hebammen aus anderen Bereichen bzw. Spitälern hinzugezogen, genauso wie niedergelassene Hebammen. Zudem werden geburtshilfliche Abteilungen in anderen Spitälern ersucht, Schwangere zu übernehmen.

Bereits seit Anfang des Monats schwelt die Debatte um die mutmaßlichen Missstände im Geburtenbereich des AKH. Die Vorwürfe beziehen sich nicht nur auf Mängel bei der technischen und sanitären Ausstattung, sondern betreffen auch die Arbeitssituation der Hebammen. Die Rede war zuletzt von chronischer Unterbesetzung und massiver Überbelastung. Die Wiener Grünen haben aus diesem Anlass auch das Kontrollamt eingeschaltet. "Die Hebammen fühlen sich von der Politik und ihren Vorgesetzten im Stich gelassen", hieß es vergangene Woche. 

Management-Fehler und Gefahren für Patienten
Laut der Grünen Gesundheitssprecherin Sigrid Pilz kritisieren die Hebammen Schwächen im Management und bedenkliche Entwicklungen in der Spitalsversorgung. In den betroffenen Bereichen - die Abteilungen für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin sowie für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie - herrsche "Führungsschwäche und inadäquate Führung auf allen Hierarchieebenen", insbesondere was die fachliche Kompetenz und praktische Erfahrung betreffe. 

Für die Patientinnen sei es zudem unzumutbar, wenn sie etwa Sanitäranlagen mit hoch infektiösen Personen teilen müssten. Außerdem gebe es Berichte betroffener Hebammen, wonach Neugeborene wegen Bettenmangels in andere Krankenhäuser transferiert werden müssten, wodurch es bei Kindern mitunter zu gesundheitlichen Folgen komme.

Hebammen holten sich Anwalt
19 der betroffenen Hebammen haben unabhängig davon bereits den Anwalt Markus Essl für ihre Anliegen beauftragt. Ursprünglich sei es nur um finanzielle Aspekte gegangen, "aber bald musste ich meinen Mandantinnen sagen: Geld ist euer kleinstes Problem", so der Jurist.

Gleichzeitig widersprach er Hussleins Darstellung, dass es sich bei den Krankmeldungen um eine Protestaktion handle. Die Mitarbeiterinnen seien tatsächlich nicht arbeitsfähig. Laut Essl haben einige der betroffenen Frauen früher bereits Schmerzmittel einnehmen müssen, um überhaupt in die Arbeit gehen zu können. Zu groß sei der Druck gewesen, so Essl.

"Wir wollen nur, dass normale Zustände herrschen"
Wegen der massiven chronischen Unterbesetzung seien Mitarbeiterinnen zum Teil krank im Dienst erschienen, Urlaub und Überstunden hätten nicht abgebaut werden dürfen - was von der Spitalführung mittlerweile aber zugestanden worden sei. "Meine Mandantinnen wollen nur, dass Normalzustand herrscht und der Dienstgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommt", so Essl.

"Vielleicht denken sich einige, wieso soll ich mir meine Gesundheit weiter ruinieren, wenn der Arbeitgeber meine Anliegen nicht ernst nimmt", erklärte der Anwalt. Aus Protest bleibe aber niemand daheim, darum wolle er das Zitat "Protestkrankenstände" so nicht stehen lassen. Als Kritik an Husslein sei das aber nicht zu verstehen, fügte Essl hinzu. Dieser habe die Hebammen stets unterstützt.

AKH-Chef zeigt sich kooperationsbereit
AKH-Chef Krepler betonte am Dienstag, dass eine "Personalevaluierung" in die Wege geleitet werde - und es bei Bedarf weitere Posten geben könnte. Fix sei, dass der Dienstposten einer Oberhebamme geschaffen werde. Auch eine Anpassung der Geräteausstattung stellte Krepler in Aussicht. Husslein forderte die Verantwortlichen - also die Stadt Wien bzw. Stadträtin Sonja Wehsely - auf, die personelle Versorgung am "größten Personalzentrum Österreichs" sicherzustellen. 

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