360 ATB-Mitarbeiter haben am Montag in Spielberg ihr Kündigungsschreiben in die Hand gedrückt bekomen - für die ganze steirische Region ein herber Schlag. Zu einer Solidaritätskundgebung samt Demo waren zwar viele Bewohner und Interessensvertreter gekommen, allerdings blieben die direkt Betroffenen der Zusammenkunft fern. Laut Gewerkschaft hielt die Firmenleitung die Mitarbeiter von einem Verlassen des Werks ab. „Stimmt nicht!“, sagt die Gegenseite. Der Betriebsrat will jedenfalls um den Traditionsbetrieb weiterkämpfen.
„Ich bin genau hinter dem Werk aufgewachsen, durch mein Kinderzimmerfenster habe ich direkt auf die Anlage gesehen“, erinnert sich Bernd Liebminger, ÖVP-Vizebürgermeister von Spielberg. Dass er von der „falschen" Partei ist, spielte am Montag keine Rolle. Er war wie viele andere gekommen, um Seite an Seite mit den 360 von einer Kündigung betroffenen Mitarbeitern und ihren Familien zu stehen.
Arbeitnehmer zweifeln an Perspektiven
„Ich habe selber 37 Jahre in dem Betrieb gearbeitet. Heute bin ich wegen meiner Freundin hier, sie ist 58 und in der Montage tätig“, erzählt Kurt. Es hätte in der langen Firmengeschichte stets Höhen und Tiefen gegeben, „aber dass es so schlimm enden könnte, damit hat hier keiner gerechnet“, plagen den Obersteirer Zukunftssorgen. Mehr als die Hälfte der Belegschaft ist über 50 Jahre alt. Für sie wird es besonders schwer, am Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.
Eine Entscheidung lässt viele Träume zerplatzen
Aber es sind auch genug junge Menschen unter den Betroffenen: „Mein Lebensgefährte ist Schlosser, wir haben die Hiobsbotschaft im Urlaub erfahren - über die Medien“, sagt Sylvia. Die Frau hält schützend den Regenschirm über ihr erst vier Monate altes Baby. Mit einem Schlag sind alle Zukunftsträume geplatzt: „Wir wollten ein Haus bauen und ein zweites Kind, daran ist nun natürlich nicht mehr zu denken“.
Große Hoffnung auf eine neue Arbeitsstelle für den Vater der kleinen Mia macht sich die junge Mutter nicht: „Jetzt sucht ja nicht nur mein Mann einen Job, sondern das machen auch Hunderte andere. Corona erschwert die Situation zusätzlich.“
„Zustände wie in China!“
Der Regen wird stärker, parallel schwillt der Unmut über „die da oben“ an. Dass die Geschäftsführung den Mitarbeitern Montagvormittag laut Betriebsrat unerwartet untersagt, das Werk zu verlassen, um an der von der Gewerkschaft angekündigten Demonstration teilzunehmen, lässt das Fass endgültig zum Überlaufen bringen. „Das sind ja Zustände wie in China (ATB gehört einem chinesischen Konzern, Anm.), wir leben in keiner Diktatur! Das, was bei uns gerade passiert, ist ein Wahnsinn, das dürfen wir uns nicht gefallen lassen“, ist Betriebsrat Michael Leitner aufgebracht.
Mitarbeiter als Schachfiguren
44 Jahre schon ist der 64-Jährige seiner Firma treu, mehr als drei Jahrzehnte als Interessensvertreter. Seine Leidenschaft gilt dem einstigen Vorzeigebetrieb (über 2200 Mitarbeiter wurden zur Blütezeit in den 1980ern beschäftigt), dementsprechend groß sind Enttäuschung und Wut über das Vorgehen der Firmenleitung: „Dass potenzielle Investoren in Wahrheit gar nie eine faire Chance bekommen haben und man über die Leute einfach eiskalt drüberfährt, als wären sie Spielfiguren, das ärgert mich am meisten“, so der Betriebsrat.
Dennoch denkt man nicht ans Aufgeben - Leitner: „Die Investoren stehen Gewehr bei Fuß. Am Mittwoch um 11 Uhr wird die Demo nachgeholt - und dann mit noch mehr Leuten!"
Firmenleitung dementiert aktuelle Vorwürfe
Seitens der Geschäftsführung gab es am Abend dann noch eine Erklärung zum Fernbleiben der Mitarbeiter - Sprecherin Sabine Schnabel: „Parallel zur Demo fand eine Betriebsversammlung der Geschäftsführung statt“. Diese wäre für die Mitarbeiter einfach „wichtiger“ gewesen.
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