An Lukaschenkos 66er
Zehntausende in Minsk trotzen Truppenaufmarsch
Das martialische Aufgebot an Truppen am Unabhängigkeitsplatz in Minsk ist so massiv wie seit der Präsidentenwahl vor drei Wochen nicht mehr. An seinem 66. Geburtstag setzt der umstrittene weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko am Sonntag Hundertschaften von Uniformierten und Spezialtechnik gegen friedliche Demonstranten ein. Sein Ziel: keine Massendemonstrationen mehr zulassen.
Zehntausende Menschen sind in Belarus auf den Beinen. Sie lassen sich auch von der Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht abschrecken, Lukaschenko Truppen zur Hilfe zu schicken. Den Unabhängigkeitsplatz in Minsk erreichten die Bürger zwar diesmal aufgrund von Absperrungen durch Metallgitter nicht, doch an vielen Stellen der Stadt stellen sich die Demonstranten den Uniformierten mutig entgegen. „Lukaschenko in den Gefangenentransporter“ oder „Hau ab!“, skandieren viele gegen „Europas letzten Diktator“.
Freiheitsdrang der Demonstranten kommt Putin ungelegen
Ein Thema auf der Straße ist auch die Forderung an Kremlchef Putin, sich nicht einzumischen. Viele hatten „auf eine neutrale Position Russlands“ gehofft, so der frühere Kulturminister Pawel Latuschko. Putin aber hat sich auf Lukaschenkos Seite geschlagen und somit auch den Machtapparat in Belarus, der immer härter gegen die Demonstranten vorgeht, gestärkt.
Geduld des Kreml am Ende
Das Polizeiaufgebot auf den Straßen spiegelt dies wider. Die vorangegangenen Proteste hatte sich Putins Regierung noch vergleichsweise nachsichtig angesehen, nun aber ist die Geduld am Ende. Die Revolutionsbilder und der Freiheitsdrang, die abstrahlen könnten auf Russland, kommen dem Kreml höchst ungelegen. „Russland ist nicht bereit, den Veränderungs- und Freiheitswillen des Volkes zu unterstützen“, so auch der frühere Diplomat Latuschko.
Wird Belarus noch abhängiger vom Kreml?
„Dass sich Putin jetzt so äußern muss zeigt, wie schwach Lukaschenko ist, wie sehr er sein Volk fürchtet“, sagt die Oppositionelle Maria Kolesnikowa in Minsk. Dass Lukaschenko nun dasselbe Russland um Hilfe bitten muss, dem er noch im Wahlkampf vorwarf, es wolle sich Belarus einverleiben, sei eine große Blamage. Andere gehen weiter und meinen, dass Putin nun gezeigt habe, wer der Herr in Belarus ist.
Putins Drohung, im Notfall eine Kampfreserve einzusetzen, wird sowohl als Warnung an die Opposition, sich zurückzuhalten also auch ein Signal an den Westen, sich nicht einzumischen, gedeutet. Experten in Moskau und in Minsk sind sich zudem einig, dass sich Putin seine Hilfe für Lukaschenko gut bezahlen lassen wird - und Belarus damit noch deutlich abhängiger von Russland werden könnte als bisher.
„Putin opfert alles“
Latuschko befürchtet angesichts der schweren Wirtschaftskrise schon im Herbst eine neue Protestwelle. Soziale und ökonomische Probleme würden sich zunehmend verschlimmern, Belarus steht mit Milliarden bei Russland in der Kreide. Eine neue Repressionswelle erwartet nun der Minsker Politologe Waleri Karbelewitsch. „Das Anziehen der Daumenschrauben hat schon begonnen.“ Putin bringe das Volk hier gegen sich auf: „Dadurch verstärkt sich ein antirussisches Gefühl. Er opfert das alles, um keine Revolution zuzulassen.“
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