Es war einer der spektakulärsten Mordfälle in der Geschichte Italiens: In der Nacht vom 2. November 2007 wurde die britische Studentin Meredith Kercher brutal ermordet. Man fand sie halb nackt und mit aufgeschnittener Kehle im Schlafzimmer der Wohngemeinschaft in Perugia, die sie mit Amanda Knox und weiteren zwei Studentinnen bewohnte. An der Leiche wurden Spuren sexueller Gewalt nachgewiesen. Der Staatsanwalt warf Amanda Knox und ihrem Freund Raffaelle Sollecito vor, das Opfer massakriert zu haben, weil sie sich weigerte, an einer bizarren Sexorgie teilzunehmen. Knox wurde zu 26 Jahren, Sollecito zu 25 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Im Oktober wird der Fall neu aufgerollt.
"Krone": Herr Dornhelm, die Tatsache, dass Sie in wenigen Tagen mit der Verfilmung des Kriminalfalls um die Ermordung der britischen Studentin Meredith Kercher beginnen, sorgt international für Schlagzeilen und in Italien für helle Aufregung. Was ist der Skandal?Dornhelm: Vielleicht habe ich zunächst die politische Bedeutung dieses Falls unterschätzt. Da die wegen Mord verurteilte Amanda Knox US-Bürgerin ist, hat sich sogar Außenministerin Hillary Clinton in ihrer Causa eingesetzt, in Italien wird im Oktober ein neues Verfahren beginnen, und im Internet gibt es mehr als 20.000 Unterstützungserklärungen zu ihren Gunsten. Eine Zeit lang wollten italienische Anwälte verhindern, dass wir die realen Namen der handelnden Personen im Film verwenden.
"Krone": Sind Sie nun rechtlich abgesichert?
Dornhelm: Ja, das Drehbuch wurde von Anwälten geprüft, der Fall ist eine öffentliche Angelegenheit. Es war erstaunlich, wie viel Druck man auf uns ausüben wollte. In Italien und in Amerika sind die Medien jeden Tag voll mit der Geschichte, im Internet gibt es zwei Millionen Einträge.
"Krone": So gesehen haben Sie bereits jetzt viel Werbung für die Fernsehpremiere der "wahren Geschichte"?
Dornhelm: Natürlich treffen wir mit dem Film einen Nerv, obwohl mich mehr die Liebesgeschichte als der Kriminalfall interessiert.
"Krone": Wie soll das bei einem derart spektakulären Mordfall möglich sein?
Dornhelm: Mich interessiert die Geschichte eines jungen amerikanischen Mädchens, das nach Italien kommt und völlig überwältigt vom Gefühl der Freiheit und des Verliebtseins ist, und nur ein Jahr später wird sie verurteilt, einen schrecklichen Mord begangen zu haben, und fasst 26 Jahre Haft aus.
"Krone": Glauben Sie an ihre Unschuld?
Dornhelm: Ob sie die Tat begangen hat, weiß ich nicht, aber sie ist für mich jedenfalls schuldig genug, im Gefängnis zu sitzen, weil sie versucht hat, einem Unschuldigen, dem Bar-Besitzer Patrick Lumumba, durch falsche Aussagen das Verbrechen umzuhängen. Die Frage, ob sie die Tat begangen hat oder nicht, werde ich offenlassen. Aber es erscheint möglich, dass sie zu dieser Tat fähig war.
"Krone": Haben Sie Amanda Knox getroffen?
Dornhelm: Nein, das möchte ich auch nicht, weil es meine objektive Sicht auf die Charaktere beeinflussen würde.
"Krone": Sie wollen von ihr nicht hören, was sich aus ihrer Sicht zugetragen hat?
Dornhelm: Dieser Film will keine Anklage oder Entlastung sein, ich will keine Fakten über die Mordnacht herausfinden, die noch unbekannt sind, sondern er soll das Psychogramm einer Person zeichnen, die durch die Geschehnisse einer Nacht von der Studentin mit Vorzugsnoten zur verurteilten Mörderin wird. Es geht um die dunklen Seiten eines Menschen, die durch Drogen und Sexualität völlig unkontrolliert hervortreten können.
"Krone": Wie gehen Sie damit um, sich als Regisseur mit diesem dunklen Thema auseinandersetzen zu müssen?
Dornhelm: Das ist eine Aufgabe und ein Auftrag, den ich erfüllen muss, nicht mehr und nicht weniger. Als ich das Drehbuch gelesen habe, fand ich es einfach wahnsinnig spannend als Drama um Schuld und Sühne. Ich wusste nicht einmal, dass es sich um einen realen Fall handelt. Wobei ich betone, dass wir ein Spielfilm sind und kein Doku-Drama mit journalistischem Anspruch.
"Krone": War die amerikanische Serien-Schauspielerin Hayden Panettiere die erste Wahl für die Rolle des "Todesengels"?
Dornhelm: Das war etwas kompliziert. Der Produzent des Filmes hat bereits zwei Filme gemacht und sie mir als perfekte Besetzung vorgeschlagen. Nachdem ich ein Video mit Ausschnitten gesehen und mit ihr telefoniert hatte, war ich überzeugt. Sie ist eine spannende Wahl, weil sie bisher durch ihre Rolle in "Heroes" ein ganz gegenteiliges Image hatte, nämlich das des braven amerikanischen Mädchens. So gesehen passt das alles sehr gut.
"Krone": Werden auch Österreicher mitspielen?
Dornhelm: Nein, ich besetze vorwiegend Italiener, schließlich haben sich die Ereignisse hier zugetragen. Nur Amanda Knoxs Mutter wird von einer bekannten amerikanischen Schauspielerin, einer Oscar-Preisträgerin, dargestellt werden.
"Krone": Sie haben Ihre Wiener Wohnung aufgegeben. Haben Sie der Stadt Adieu gesagt?
Dornhelm: Nein, ich vermisse Wien sehr. Schließlich wohnen meine Tochter und meine Enkelkinder in Wien, und die Gräber meiner Eltern sind dort. Hoffentlich ergibt sich bald wieder eine Gelegenheit, in Österreich zu arbeiten, einige Projekte wirken sehr interessant. Vorher werde ich aber nach den Dreharbeiten in Rom bis Dezember den Film in Los Angeles schneiden.
Das Interview führte Nadia Weiss, Kronen Zeitung
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