Wirbel um Grenzsperre
Brüssel: Ungarn diskriminiert EU-Bürger
Wird Ungarn die erst am Dienstag erlassenen Grenzsperren für ausländische Staatsbürger bald wieder zurücknehmen müssen? Die EU-Kommission ortet nämlich eine Diskriminierung von EU-Bürgern und fordert in einem Schreiben an die Regierung in Budapest eine Erklärung. Anlass für die Kritik sind Ausnahmen für Bürger aus den sogenannten Visegrad-Staaten. An den Grenzübergängen zwischen Österreich und Ungarn wurden unterdessen kaum Störungen gemeldet.
Nach Angaben eines Kommissionssprechers kritisiert die Behörde, dass Budapest bei dem Einreiseverbot EU-Bürger diskriminiert. Denn nicht betroffen sind Reisende aus den Mitgliedstaaten Polen, Tschechien und der Slowakei. Tatsächlich hatte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto wenige Stunden vor der Schließung der Grenzen zu den bisher bereits bekannten Ausnahmen weitere für tschechische, slowakische und polnische Staatsangehörige verkündet. Einreisende aus den betroffenen Ländern, mit denen sich Ungarn in Fragen der EU- und Außenpolitik eng abstimmt, dürfen nämlich weiterhin einreisen. Einzige Voraussetzung ist ein negativer Corona-Test, der nicht älter ist als fünf Tage.
Selbst eigene Staatsbürger diskriminiert
Skurrilerweise führt diese Ausnahmeregelung sogar dazu, dass ungarische Staatsbürger diskriminiert werden. Diese müssen sich seit Dienstag nämlich nach einer Rückreise in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Die Isolation kann erst mittels zweier negativer Tests aufgelöst werden, und diese wiederum dürfen ausschließlich in Ungarn durchgeführt werden. Grundsätzlich ist es EU-Staatsbürgern bis auf einige Ausnahmen untersagt, nach Ungarn einzureisen. So dürfen auch Pendler über die Grenze, die aus angrenzenden Ländern wie Österreich, Kroatien oder Rumänien kommen, wenn sie jeweils nicht länger als 24 Stunden im Land bleiben und sich nicht weiter als 30 Kilometer von der Grenze entfernen. Geschäftsreisende dürfen nur ins Land, wenn eine österreichische Firma über eine Niederlassung in Ungarn verfügt.
Als weitere Einreisegründe, die anerkannt werden, gelten eine Niederlassungsbewilligung, eine Tätigkeit als Sportler, behördlich notwendige Termine (zum Beispiel bei einem Gerichtsverfahren, Anm.) oder familiäre Verpflichtungen. Auch wenn man eine Covid-19-Erkrankung in den vergangenen sechs Monaten nachweisen kann, darf man als Ausländer einreisen. Die Reisebeschränkungen sollen zunächst einen Monat lang gelten.
Brüssel sieht „Integrität des Schengen-Raums“ gefährdet
Doch wenn es nach Brüssel geht, muss es zu Änderungen der Beschränkungen oder gar zu einer Aufhebung kommen. Innenkommissarin Ylva Johansson und Justizkommissar Didier Reynders erinnern in ihrem gemeinsamen Schreiben „an die Bedeutung der Integrität des Schengen-Raums und der diskriminierungsfreien Anwendung von Grenzmaßnahmen auf alle EU-Bürger“. „Alle Maßnahmen, die nicht mit diesen Grundprinzipien des EU-Rechts in Einklang stehen, sollten natürlich sofort zurückgenommen werden“, heißt es weiter. Reynders kündigte an, er werde den direkten Dialog mit den ungarischen Kollegen suchen.
Gegen die Reisebeschränkungen an sich kann Brüssel nicht vorgehen. Gesundheitsfragen und das Einreiserecht liegen in der Kompetenz der nationalen Regierungen. Doch wenn ein Verstoß gegen Grundprinzipien der Union festgestellt wird, kann die Kommission sehr wohl einschreiten.
Bisher kaum Störungen an den Grenzen gemeldet
An den Grenzübergängen zwischen Österreich und Ungarn wurden unterdessen kaum Störungen gemeldet. Sowohl bei der Ausreise aus Österreich als auch bei der Einreise gab es für die Pendler kaum Wartezeiten. Auch am Autobahngrenzübergang Nickelsdorf war die Lage laut Polizeiangaben deutlich entspannter als im März, als am Höhepunkt der Corona-Pandemie erstmals die ungarischen Grenzen gesperrt worden waren.
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