2019 lockte die Technik-Messe IFA noch knapp 250.000 Besucher an. Heuer lässt die Coronapandemie ein Massen-Event dieser Dimension nicht zu. Doch im Gegensatz zu anderen Tech-Shows zieht sich die IFA nicht komplett ins Internet zurück.
Eigentlich kann die Branche der Heim-Elektronik in diesem Jahr ganz zufrieden sein. Obwohl klassische Produkte der Unterhaltungselektronik wie Fernsehgeräte sich nicht besonders gut verkaufen, konnte die Branche insgesamt die Umsatzrückgänge der Vorjahre stoppen. Mit einem Umsatzplus von über fünf Prozent wurde der Trend sogar umgekehrt, auch weil Laptops, Monitore und andere Geräte für das Homeoffice reißenden Absatz fanden. In jedem anderen Jahr hätten Hersteller, Händler und technikbegeisterte Verbraucher die Innovationen der Branche auf der Technik-Messe IFA gefeiert.
Doch 2020 ist nicht wie jedes andere Jahr. Wegen der Coronapandemie wurden rund um den Globus Technik-Messen wie der Mobile World Congress in Barcelona oder die Ceatec, die wichtigste Elektronikmesse Japans, abgesagt oder komplett ins Internet verlagert. In Berlin wollen die Messemacher die IFA allerdings nicht nur im Netz als Wachstums- und Innovationsmotor der Branche unter Beweis stellen, sondern auch ganz analog auf dem Gelände unter dem Funkturm.
An der auf drei Tage verkürzten Technik-Schau ab Donnerstag können aber nur akkreditierte Medienvertreter, Händler und Hersteller teilnehmen. Und statt des gesamten Messegeländes stehen nur vier Hallen im Südbereich sowie der Citycube zur Verfügung. Die meisten anderen Hallen sind geschlossen. In der Messehalle 26 steht aber weiterhin das Spezial-Krankenhaus mit rund 500 Betten bereit, um mögliche Coronapatienten einer zweiten Infektionswelle aufnehmen zu können.
Ampeln steuern Besucherströme
Die Vorsichtsmaßnahmen gegen eine Verbreitung des Coronavirus bestimmen nun auch den Teil, der für die IFA-Aktivitäten geöffnet wird. Nach dem ausgeklügelten Hygienekonzept dürfen an den drei Messetagen ab Donnerstag maximal 750 Menschen zur gleichen Zeit in jeden der drei Veranstaltungsbereiche kommen. Große Ampeln signalisieren den Besuchern, ob sie eine Halle oder den Citycube betreten dürfen oder noch warten müssen.
Zahlreiche Aussteller fehlen
Die inhaltlichen Erwartungen an die IFA sind vor diesem Hintergrund nicht besonders hoch. So hat Samsung, sonst ein treuer IFA-Aussteller, seine Teilnahme abgesagt und Innovationen wie die Neuauflage des Klapp-Smartphones Galaxy Z Fold2 5G schon vorher verkündet. Die Deutsche Telekom verkündete im vergangenen Jahr noch auf einem riesigen Messestand in Halle 21a ihren Start des 5G-Ausbaus. Heuer wird die Farbe Magenta in den IFA-Hallen nicht zu sehen sein. Auch andere IFA-Daueraussteller wie Amazon, Lenovo, Philips, Sennheiser und Sony fehlen.
Mit an Bord sind dagegen unter anderem Branchengrößen wie der Chip-Riese Qualcomm, dessen Mikroprozessoren die Mehrheit der Android-Smartphones antreibt, der südkoreanische Samsung-Wettbewerber LG, die deutschen Haushaltsgerätehersteller BSH und Miele und der chinesische Smartphone-Gigant Huawei. Knapp 100 Aussteller sind vor Ort vertreten. Im vergangenen Jahr drängten sich noch knapp 2000 Aussteller auf dem IFA-Messegelände.
Heuer sind mehrere hundert Aussteller zusätzlich ausschließlich online präsent: Mit einer digitalen Plattform bietet die „IFA 2020 Special Edition“ auch denjenigen Interessierten einen Zugang zur Veranstaltung in Berlin, die nicht vor Ort dabei sein können.
Flagge zeigen
Für die IFA-Veranstalter geht es unter den schwierigen Rahmenbedingungen vor allem darum, Flagge zu zeigen und auf eine Besserung der Verhältnisse im kommenden Jahr zu hoffen. Während die Veranstalter der großen Elektronikmesse CES in Las Vegas schon ihre Pläne begraben haben, im Jänner 2021 Hunderttausende Besucher in Las Vegas begrüßen zu können, bleibt den Berlinern nächstes Jahr mehr Zeit. Bis zum September 2021 könnte tatsächlich ein wirksamer Impfstoff gegen den Covid-19-Erreger vorhanden sein.
Ereilt IFA das Schicksal der CeBIT?
Aber selbst wenn die globalen gesundheitlichen Verhältnisse sich bis dahin wieder normalisiert haben und die Coronapandemie wirksam eingegrenzt werden konnte, bleiben für die Messemacher bange Fragen: Wollen sich Hersteller, Händler und Käufer von Unterhaltungselektronik tatsächlich auf einem riesigen Messeplatz wie der IFA von Angesicht zu Angesicht treffen? Oder reicht eine digitale Bühne aus, um Innovationen der Branche zu verkünden und Geschäfte einzufädeln? Oder ereilt die IFA das Schicksal der CeBIT, die zuletzt 2018 Computernerds und Geschäftsleute nach Hannover lockte und dann eingestellt wurde.
Zumindest der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), zeigt sich zuversichtlich, dass die IFA nicht das Schicksal der CeBIT ereilt: „Die IFA 2020 wird ein wichtiger Meilenstein sein, um Berlin aus dieser Pandemie zurück zur Normalität und zurück zum Wirtschaftswachstum zu bringen.“
Immerhin kein Totalausfall
Wie sich die veränderte IFA in der Bilanz der Berlin Messe niederschlagen wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Im aktuellen Format ist sie immerhin kein Totalausfall, wie viele andere Messen in Deutschland. Die Coronazwangspause dürfte die deutsche Messebranche nach eigenen Schätzungen mindestens ein Viertel ihres Jahresumsatzes kosten. Mehr als eine Milliarde Euro des Umsatzes, der sonst inklusive Auslandsgeschäft bei vier Milliarden Euro liege, werde 2020 fehlen, sagte Harald Kötter, Sprecher des Verbandes der deutschen Messewirtschaft.
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