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Grubinger: Spreng die Fesseln, Kanzler!

Salzburg
06.09.2020 08:00

„Heute stehen wir am Rande einer neuen Grenze - der Grenze der 1960er Jahre, der Grenze unbekannter Chancen und Gefahren, der Grenze unerfüllter Hoffnungen und unzähliger Bedrohungen. Jenseits dieser Grenze gibt es unbekannte Bereiche der Wissenschaft und des Weltraums, ungelöste Probleme von Frieden und Krieg, unbesiegte Probleme von Unwissenheit und Vorurteilen, unbeantwortete Fragen von Armut und Überschuss.“ John F. Kennedy skizzierte in seiner Rede am Parteitag der US-Demokraten seinen Blick auf die Welt.

60 Jahre später könnte diese Analyse nicht zutreffender sein. Es stellt sich die Frage, an welchem Wendepunkt der Geschichte wir angekommen sind? Dass da draußen in sehr naher Zukunft eine neue Zeit auf uns wartet, das spüren wir täglich. Am Arbeitsplatz, am Stammtisch, im Gespräch mit den Kindern, beim Lesen der Zeitung. Alles ist in Bewegung. Corona, ungelöste Konflikte innerhalb und außerhalb Europas, demokratische Rückschritte in der EU, Flüchtlingsbewegungen und ein Abschwung der österreichischen Wirtschaft - im Paarlauf mit der Weltweltwirtschaft -, der schon im Herbst, spätestens aber 2021 Eruptionen in unser aller Arbeitsleben erzeugen wird. Wir können das jetzt beklagen, uns dem Schicksal ergeben, den schweren Zeiten ängstlich entgegenblicken. Oder wir nutzen diese Zeiten und brechen zu neuen „Planeten“ auf. Am Anfang steht immer ein politischer Impuls. Eine echte Rede an die Nation mit wenigstens einer großen Vision. Dazu ein kompetentes Team. Verbunden mit dem Versprechen einer ganzen Nation, den neuen jungen Entdeckerinnen und Entdeckern in Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft, Bildung, Kultur, Politik, Medien, Sport den vollen Rückhalt zu gewähren, damit vieles möglich wird.

Das ist die Aufgabe: Ein Land zu prägen, einen Kontinent zu überzeugen, eine Generation junger Europäerinnen und Europäer zu inspirieren. Getragen von einem Regierungsteam mit klugen und charismatischen Persönlichkeiten. Das könnte ein junger Kanzler leisten. Könnte er. Stattdessen geben wir Wähler uns mit den immer gleichen auf Umfragen basierenden Winkelzügen zufrieden, akzeptieren Ministerinnen und Minister, die dazu ausgewählt wurden, schablonenhafte Sprechtexte der türkisen PR-Jimbos wiederzugeben.

Das ist keine Politik im eigentlichen Sinn. Das ist bloß die blanke Lust auf Macht.

Wir kennen das aus dem Berufsleben anders. Der Handwerksmeister braucht die besten Leute für seinen Betrieb, der Hotelier sucht die besten Köche. Das Architekturbüro die fähigsten Architekten. Musiker umgeben sich gerne mit den besten Musikern.

Die Schwachen aber, die Unsicheren, die suchen sich Schwächere. Damit ist in Zeiten der Hochkonjunktur gerade noch irgendwie ein Staat zu machen. Jetzt aber nicht mehr. Sebastian Kurz setzt auf ein eher schwaches und uncharismatisches Team. Vielleicht in der Hoffnung, dadurch selbst noch heller zu strahlen. Dabei hat er das vermutlich gar nicht nötig. Allerdings müsste er seine selbstauferlegten Fesseln sprengen, alte Rezepte ruhen lassen und der von mir erhoffte Staatsmann werden.

Claus Pándi hat das am Donnerstag in seinem offenen Brief an den Rektor der Universität Salzburg beschrieben: „So wie die Leistungen der Vergangenheit nicht mehr viel zählen, werden das auch Titel nicht mehr tun. Ein Politiker, ein Chefredakteur, ein Rektor, der heute nicht umpackt und umgestaltet, der macht sich zum Gehilfen des Angriffs auf unsere Gesellschaft. In Zeiten des Umbruchs sind Ideen gefragt, Denker, Philosophen, Halt und Orientierung.“

Trau dich, Kanzler!

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