Bilanz auf Tiefstand

Living Planet Report: Artensterben setzt sich fort

Wissenschaft
10.09.2020 11:48

Die Entwicklung der Bestände vieler Wirbeltierarten werden im Living Planet Report des WWF erfasst - und die Bilanz der 2020er-Ausgabe ist düster: Die global untersuchten Populationen von Säugetieren, Vögeln, Amphibien, Reptilien und Fischen sind im Schnitt um über zwei Drittel, seit 1970 um durchschnittlich 68 Prozent, eingebrochen. Wäre der Report ein Index an der Börse, würde Panik ausbrechen, so ein Experte.

Konkret sind die untersuchten Bestände wild lebender Arten seit 1970 um durchschnittlich 68 Prozent gesunken. Die Umweltorganisation stellt als Haupttreiber Flächenfraß, Übernutzung, Entwaldung und illegaler Handel fest und plädiert dafür, einen grundlegenden Systemwechsel einzuleiten, um diese Entwicklung zu stoppen. „Wäre der Living-Planet-Index an der Börse, würde die größte Panik aller Zeiten ausbrechen“, folgert WWF-Experte Georg Scattolin. Eine Wende sei möglich, erfordere aber einen globalen Naturschutzpakt nach dem Vorbild des Pariser Klimavertrags.

Neuer Tiefstand besorgt
Der Living-Planet-Index beruht auf Daten von 4392 Arten und 20.811 Wirbeltier-Populationen. Die prozentuale Veränderung spiegelt die durchschnittliche proportionale Veränderung der Größe der Bestände über einen längeren Zeitraum wider - nicht die Anzahl der verlorenen Einzeltiere. In den am stärksten betroffenen Süßwasser-Lebensräumen haben die untersuchten Bestände sogar einen Verlust von durchschnittlich 84 Prozent erlitten.

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Unsere Natur wird rücksichtslos ausgebeutet und zerstört, obwohl sie absolut systemrelevant ist.

WWF-Experte Georg Scattolin

Insgesamt falle das Barometer des Living-Planet-Berichts in seiner 13. Auflage auf einen neuen Tiefstand. „Unsere Natur wird rücksichtslos ausgebeutet und zerstört, obwohl sie absolut systemrelevant ist“, warnte Scattolin - und diese Zerstörung erhöhe auch die Wahrscheinlichkeiten für neue Pandemien.

Auch inmitten der Pandemie sind Märkte in Asien, die auch teils lebende Wildtiere verkaufen, noch immer gut besucht. (Bild: AFP)
Auch inmitten der Pandemie sind Märkte in Asien, die auch teils lebende Wildtiere verkaufen, noch immer gut besucht.

Afrikanische Graupapageien fast ausgerottet
Vor allem der Amazonas werde rücksichtslos abgeholzt, und daher sanken untersuchte Wildtier-Bestände in Süd- und Zentralamerika noch stärker als anderswo. Zu den besonders gefährdeten Tieren gehöre der Östliche Flachlandgorilla im Kongo - seit 1994 wurde ein Rückgang um 87 Prozent verzeichnet, vor allem aufgrund illegaler Jagd.

Anfang September hat an Japans Küsten wieder die Jagd auf Delfine und andere kleine Walarten begonnen. (Bild: APA/EPA/Sea Shepherd)
Anfang September hat an Japans Küsten wieder die Jagd auf Delfine und andere kleine Walarten begonnen.

Die Bestände der Lederschildkröten sollen seit 1995 um 84 Prozent gesunken sein. Der Afrikanische Graupapagei im Südwesten Ghanas verzeichnet ein Minus von 99 Prozent seit 1992 - und ist damit fast ausgerottet. Am stärksten betroffen sind Gewässer und Feuchtgebiete. 

Nur noch 15 Prozent der Flüsse in Österreich sind ökologisch intakt. (Bild: ©Friedberg - stock.adobe.com (Symbolfoto))
Nur noch 15 Prozent der Flüsse in Österreich sind ökologisch intakt.

„Systemwechsel“ dringend notwendig
Der Living Planet Report bietet jedoch auch positives: die Bestände der Buckelwale im westlichen Südatlantik, die 1958 nur mehr 450 Tiere aufwiesen, vergrößerte sich auf geschätzte 25.000 Individuen dank des Walfangmoratoriums. Auch eine Verdoppelung der Singschwäne in Großbritannien konnte verzeichnet werden. In Österreich seien nur noch 15 Prozent der Flüsse ökologisch intakt. Es brauche einen „Systemwechsel“.

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