Im Herzen des Amerikabildes stand und steht New York mit seiner aufstrebenden Architektur seit jeher für den gigantomanischen Wunsch, alles zu wollen. Es ist diese Kühnheit, die gerade auf die Bewohner Manhattans abfärbt. Besonders auf junge, unfertige Menschen, für die die pekuniäre Barriere nicht existiert. Wie etwa an der privilegierten Upper East Side, wo der Mammon gediegen regiert.
Die Jugendlichen, die hier aufwachsen, haben alles. Alles, bis auf die Aufmerksamkeit ihrer extrem egozentrisch-neurotischen Eltern, die zwischen Karrieregier und erotischer Hast irgendwann vergessen haben, dass sie Verantwortung für das in die Welt gesetzte Leben haben. Was an Zuwendung fehlt, wird mit Geld kompensiert. Geld, das von den hedonistisch gepolten Kids hemmungslos ausgegeben wird. Für Shopping-Orgien, für Partys. Und für Drogen. Für Träume der gefährlich halluzinogenen Art also, weil dieses Alles-haben-Können kaum noch auszuhalten ist.
Marode Glitzerwelt
Der im August 2002 erschienene Roman "Twelve - Zwölf" avancierte binnen kürzester Zeit zu einem gefeierten Bestseller. Es war dies ein Buch, das aufgrund seiner Brisanz wie eine Bombe einschlug und weltweit zum Kultbuch einer ganzen Generation wurde. Der damals knapp 17-jährige Autor Nick McDonell begeisterte mit seiner fiebrigen Chronik über die Jugend der New Yorker Oberschicht, - ein Umfeld, in dem er selbst aufgewachsen war. Ebenso kompromisslos führt uns Regisseur Joel Schumacher ("8 mm", "Nicht auflegen") nun in seiner gleichnamigen Adaption eine marode Glitzerwelt vor Augen, in der Geld, Sex und Schönheit regieren und zu der Erwachsene keinen Zutritt haben. In dieser verstörenden Parabel über abgestumpfte Teenager auf der Suche nach dem letzen Kick überzeugen US-Serienstar Chace Crawford ("Gossip Girl"), Rapstar Curtis Jackson aka "50 Cent", Julia Roberts' Nichte Emma Roberts und auch Lenny Kravitz' Tochter Zoe Kravitz.
Koordinaten einer Tragödie: White Mike - Crawford -, der die High-School geschmissen hat, vertickt Partydrogen an seine ehemaligen Mitschüler. Nichts Hartes, nur "Gute-Laune-Macher". Doch plötzlich macht ein neues synthetisches Horror-Zeug in der Szene die Runde: Twelve - ein Mix aus Kokain und Ecstasy, absolut abhängig machend ab der ersten Dosis. Mikes Cousin will sich den Stoff auf eigene Faust besorgen, doch nicht die Droge, sondern ein Schuss in einem Harlemer Hinterhalt macht ihn friedhofsfertig.
Der herannahende 18. Geburtstag des It-Girls Sara - Esti Ginzburg -, eine Art Paris Hilton mit großem "Hofstaat", bereitet White Mike Kopfzerbrechen, ahnt er doch, dass die neue Wunderdroge auch bei diesem Fest in Umlauf sein wird. Was rauschhaft beginnt, endet in einer Katastrophe...
"Prominenz wichtiger als Leistung"
Ein Tanz auf dem Vulkan, der jugendlichen Leichtsinn, Lebensgier und ungezügelte Maßlosigkeit in allen Dingen - so auch sexueller Natur - verflicht. Regisseur Joel Schumacher: "Ich war mir der Besonderheit der literarischen Vorlage sofort bewusst. Nick McDonell kommt aus privilegiertem Elternhaus, und er schreibt über Dinge, die ihm vertraut sind. Wenn Leute nun den Film als 'Ach, das sind ja nur verwöhnte, reiche Kids' abtun, verdrängen sie, wie ich glaube, was gerade hier und heute, in der westlichen Kultur, passiert. Diese großen Kinder ohne Bodenhaftung leben in einer Welt, in der Prominenz weit mehr wertgeschätzt wird als Leistung."
Beunruhigende Seitenblicke also, in deren Fokus orientierungslose Wohlstandskinder stehen, die in eine vermeintlich erwachsene Scheinwelt abdriften. Ein Szenario, das seine Wiederholung in vielen Metropolen dieser Welt findet. Wenn in den Seelenkorridoren junger Menschen Leere gähnt, hat die Sucht gute Chancen...
von Christina Krisch, Kronen Zeitung
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