Staatsoper betroffen

24 Corona-Infizierte nach Theater-Premiere in Wien

Wien
14.09.2020 21:05

Nächster Corona-Cluster in Wien, jetzt hat es die Kulturbranche erwischt: Nach der Premiere der Operette „Die lustige Witwe“ in Wien-Mariahilf sind - trotz Einhaltung aller Sicherheits- und Hygienemaßnahmen - mittlerweile schon 24 Covid-Neuinfektionen auf das betroffene Theater bzw. die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK), die sich für die Veranstaltung eingemietet hatte, zurückzuführen. An der Wiener Staatsoper mussten am Montag bereits zwei Umbesetzungen vorgenommen werden. Der Wiener Opernszene vergeht angesichts dieser Entwicklungen jedenfalls das Lachen. Heftige Kritik gab es von Staatsoperndirektor Bogdan Roscic, der in einer Stellungnahme Tanzszenen im Zuschauerraum des Theaters zur Sprache brachte. Eine „Vermischung zwischen Bühne und öffentlichem Bereich, die eigentlich undenkbar sein sollte“, so Roscic. 

Am 6. September feierte „Die lustige Witwe“, eine Produktion der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK), im Theater TAG in der Gumpendorfer Straße Premiere. Eine Handvoll Aufführungen sollten folgen - daraus wurde allerdings nichts, denn die Premiere sollte sich leider als Corona-Event entpuppen. Obwohl, wie Bernhard Mayer-Rohonczy, Leiter der Presseabteilung der Uni, gegenüber krone.at betonte, sämtliche Vorkehrungen mit Blick auf Corona getroffen worden seien - die Besucher trugen demnach auch während der Vorstellung den Mund-Nasen-Schutz -, konnten Ansteckungen mit dem Virus nicht verhindert werden.

Einer der Schauspieler war, so die aktuellen Erkenntnisse zur Verbreitung, bereits vor dem Premierentermin an Covid-19 erkrankt. Zwar sei daraufhin, so wie es im eigens ausgearbeiteten Corona-Plan vorgesehen war, die Zweitbesetzung auf die Bühne geschickt worden - doch da dürften bereits weitere Schauspielerkollegen infiziert gewesen sein. Mittlerweile gibt es 24 Coronavirus-Fälle, die auf den Erkrankten zurückzuführen sind. Wie es mit Blick auf die Corona-Maßnahmen zu den Ansteckungen von Besuchern durch die Schauspieler kommen konnte, bleibt fraglich. Naheliegendste Vermutung: Kontakt in den Pausen bzw. vor- oder nach der Aufführung. Allerdings kursieren auch Gerüchte, wonach es während der Aufführung zu Tanzszenen im Zuschauerraum gekommen sein soll. 

„Es wurden sofort alle weiteren Vorstellungen gestoppt und die vorgeschriebenen Informationen an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Kontaktpersonen wurden, soweit bekannt, informiert, unter Quarantäne gestellt und getestet“, informierte der Leiter der Presseabteilung der Musik- und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien am Montagabend. Mayer-Rohonczy stellte auch klar, dass alle Personen, die Teil dieses Theater-Clusters sind, nach Bekanntwerden der ersten positiven Corona-Fälle umgehend informiert wurden, die Standorte der MUK - die von rund 850 Studenten frequentiert werden - nicht mehr zu betreten. Ein „Überspringen“ des Virus auf die Universität konnte damit verhindert werden, so der Presseprecher. Sämtliche Produktionen mit Publikumsbeteiligung wurden vorerst bis Ende September gestoppt.

Auch Staatsoper betroffen, Umbesetzungen nötig
Für Aufregung sorgt der Theater-Cluster aber auch, weil er auch die Staatsoper betrifft: Am Montagabend mussten am Opernhaus am Ring zwei Umbesetzungen vorgenommen werden. Das Dirigat von „Elisir d‘amore“ übernimmt Evelino Pidò, die Rolle des Nemorino singt Javier Camarena. Beide Änderungen seien im Rahmen der Nachverfolgung aller Kontaktpersonen eines positiv getesteten Mitglieds des Opernstudios der Staatsoper notwendig geworden, hieß es dazu aus der Staatsoper.

Opernstudio-Mitglied hatte Premiere in Wien-Mariahilf besucht
Die betroffene Person hatte am 6. September als Zuseherin die Vorstellung im TAG besucht, bei der 61 Besucher anwesend gewesen sein sollen, und wurde in der Folge positiv getestet. „Sie befindet sich seitdem in Quarantäne. Schon vor der Verständigung durch die Behörde hatte diese Person allerdings an einer Ensembleprobe teilgenommen, wodurch es nun am Haus zu den weiteren Ansteckungen gekommen ist“, hieß es in einer Stellungnahme der Staatsoper. „Die Staatsoper hat alle direkten und indirekten Kontakte der betroffenen Person sofort isoliert und unterzieht sie täglichen Testungen, um eine weitere Ausbreitung der Infektion am Haus zu unterbinden.“

(Bild: stock.adobe.com)

Bei der Vorstellung im TAG sei er selbst nicht anwesend gewesen, erklärte indes Staatsoperndirektor Bogdan Roscic in einer Stellungnahme gegenüber der APA: „Aber Besucherinnen und Besucher berichten unter anderem von Tanzszenen im Zuschauerraum, also einer Vermischung zwischen Bühne und öffentlichem Bereich, die eigentlich undenkbar sein sollte. Falls diese Berichte wahr sind, handelt es sich um eine schockierende Verantwortungslosigkeit. Auch unsere Kollegin, die nur als Publikumsmitglied mit Maske anwesend war, wurde zu spät verständigt, um sie sofort zu isolieren. Unser ganzer Fokus liegt nun darauf, eine Ausbreitung an der Staatsoper zu verhindern und die Gesundheit unserer betroffenen Kolleginnen und Kollegen wiederhergestellt zu sehen.“

Theater bekräftigt strenges Präventionskonzept
Ferdinand Urbach, kaufmännischer Leiter des Theaters in der Gumpendorfer Straße (TAG), wehrte sich hingegen gegen den Vorwurf eines „Theater-Clusters“. Die „Lustige Witwe“ im TAG sei demnach eine eingemietete Veranstaltung gewesen, so Urbach am Montagabend. Das Präventionskonzept des Hauses sei streng, er sei für die Einhaltung der Coronaregeln im Zuschauerraum, nicht aber für die Bühnenvorgänge bei einer Fremdveranstaltung verantwortlich. Die von Staatsopern-Direktor Roscic kritisierten angeblichen „Tanzszenen im Zuschauerraum“ seien aber lediglich ein Auftritt von drei Tänzerinnen durch den Zuschauerraum auf die Bühne gewesen und keine unter den Zuschauern gespielte Szene.

Sämtliche TAG-Mitarbeiter seien sowohl vor Aufnahme des Betriebs sowie nun im Zuge des festgestellten Clusters getestet worden - der einzige positive Fall betreffe einen Lichttechniker, der direkt in die Proben zur MUK-Produktion von „Die lustige Witwe“ involviert gewesen sei, so Urbach. Am 6. September sei die erste Veranstaltung im TAG seit dem Corona-Shutdown im März gewesen, die hauseigenen Regeln sehen Testungen und Kontakttagebücher für Mitarbeiter, personalisierte Karten „im knallharten Schachbrettmuster“, Verzicht auf Buffetbetrieb und Maskenpflicht für Besucher auch während der Vorstellung vor, seien also quasi eine freiwillige Orange-Schaltung der hauseigenen Corona-Ampel.

Im TAG waren seit Bekanntwerden der Infektionen alle Vorstellungen abgesagt worden. Ab Dienstag, wird wieder gespielt. Auf dem Programm steht ein Auftritt des Singer-Songwriters Bernhard Eder. Passender Titel seines Konzerts: „Reset“.

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