In Wien, Salzburg, Klagenfurt und Graz traten die Rektoren am Freitagvormittag gemeinsam vor die Presse. Beim Termin der steirischen Universitätsrektoren hat Sünkel, der in Graz die TU leitet, nur mehr verzweifelte Worte für die finanzielle Situation der Unis gefunden: "Wir werden angesichts des Betreuungsverhältnisses und des freien Uni-Zugangs international ausgelacht." Er und seine beiden Kollegen Wolfhard Wegscheider von der Montanuniversität Leoben und Martin Polaschek, Vizerektor der Uni Graz, hätten "die Nase voll von der Parteiblockade innerhalb der Regierung".
"Mehr Geld vom Staat" - oder Selektion
Regierung, Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft forderten von den Universitäten höchste Qualität, Internationalität und gleichzeitig freien Zugang. Die Studiengebühr von Nicht-EU-Bürgern betrage pro Tag "heiße zwei Euro", so Sünkel. Und das in einem "Land mit sozialer Sicherheit, wo andere Urlaub machen." Zähle man diese beiden Attribute zusammen, seien die Bedingungen in Österreich "paradiesisch", weshalb "Studierende aus aller Herren Ländern" kommen würden. "Wir werden überhäuft und um den Zusammenbruch zu vermeiden, gibt es zwei Möglichkeiten: Mehr Geld vom Staat oder die Option, nur die besten Studierenden auszuwählen."
Für Wegscheider wäre es an der Zeit für "dramatische Appelle". In manchen Studien herrsche ein Betreuungsverhältnis von eins zu 300. Da sei keine tiefergehende Beschäftigung mit einem Thema möglich. "Wir erwecken bei unseren internationalen Partneruniversitäten nur mehr Mitleid und werden nicht ernst genommen," so der Rektor der Montan-Uni. Polaschek geht es nicht darum, mit Zugangsregelungen einen "exklusiven Klub" an den Universitäten zu schaffen. Man könne aber die steigende Zahl an Studierenden mit den gebotenen Mitteln nicht mehr wie erwartet ausbilden - und ab 2013 werde es noch schwieriger, wenn es bei den Einsparungsplänen im Wissenschaftsressort bleibe. Sünkel sagte, dass gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten in Bildung investiert werden müsse, ein Wegfall der Kapazitäten sei keine Lösung.
Klagenfurt befürchtet Instituts-Schließungen
Der Rektor der Universität Klagenfurt, Heinrich C. Mayr, befürchtet bei einem Festhalten an der Einfrierung des Uni-Budgets die "Schließung von drei größeren Instituten". Allein die laufenden Gehaltssteigerungen machten einen Mehrbedarf von 4,5 Millionen Euro aus. 80 Prozent des Budgets brauche man für Personalkosten, erläuterte Vizerektorin Sabine Kanduth-Kristen. Daher hätten Einsparungen unmittelbare Auswirkungen auf den Personalstand, denn in anderen Bereichen gebe es keine ausreichende Manövriermasse. Derzeit sind rund 1.400 Menschen an der Uni beschäftigt, davon 450 Personen im wissenschaftlichen Bereich. Weiters könnten Wartungen nicht mehr durchgeführt werden, Investitionen und Planungen würden gestoppt, kündigte Mayr an.
Studiengebühren kann sich der Rektor aber trotzdem nur für die Finanzierung des Stipendienwesens vorstellen. Die Beiträge sollten nach dem Einkommen der Eltern sozial gestaffelt eingehoben werden und ausschließlich in Stipendien fließen, sagte er. Denn die Erfahrung habe gezeigt, dass allgemeine Studiengebühren nicht zu einer Erhöhung des Uni-Budgets geführt hätten. In Klagenfurt habe das lediglich ein Promille ausgemacht. Die Vertreter der Uni Klagenfurt fordern eine Lösung bei den Zugangsbeschränkungen in den überlaufenen Studienrichtungen sowie bei den deutschen Studierenden. "Der freie Studienzugang ist das Paradebeispiel einer Lebenslüge", meinte der Senatsvorsitzende Oliver Vitouch. "Wir brauchen gesetzliche Möglichkeiten."
Auch Salzburger Uni-Chef überlegt Schließungen
Einzelne Studienrichtungen oder Vorlesungen für mehrere Jahre nicht mehr anzubieten oder Gebäude zu schließen - das wären auch für den Rektor der Universität Salzburg, Heinrich Schmidinger, die Konsequenzen eines weiteren Sparkurses bei den Universitäten. "Die Situation ist dramatisch", erklärten Schmidinger und seine Kollegen Karlheinz Töchterle (Uni Innsbruck) und Richard Hagelauer (Uni Linz) unisono. Besonders an den grenznahen Universitäten Innsbruck, Salzburg und Linz hätte sich die Zahl der Studierenden in den vergangenen Jahren stark erhöht. In Salzburg rechnet Schmidinger in diesem Jahr mit einer Zunahme von derzeit 16.500 auf 18.000 Studierende. Diese Steigerungen seien mit den derzeitigen finanziellen und personellen Mitteln nicht verkraftbar.
Angesichts der schlechten Rahmenbedingungen der österreichischen Universitäten falle man in Forschung und Lehre im Vergleich zu anderen Ländern immer weiter zurück, warnte der Salzburger Rektor. Wenn es wie angekündigt 2013 zu einer weiteren Reduktion der Budgets komme, wären die Universitäten nicht mehr führbar. Einsparungen bei jemandem, der seit Jahren unterfinanziert sei, wären fatal. "Dann muss die Politik auch die Konsequenzen ziehen und sagen: Gut, dann verzichten wir halt darauf, in Österreich Universitäten zu haben", meinte Schmidinger.
Faymann und Pröll sollen "Ping-Pong" in der Freizeit spielen
"Einen Stillstand in der Hochschulpolitik können wir uns nicht mehr leisten und wollen wir auch nicht mehr akzeptieren", betonte WU-Chef Christoph Badelt bei der Wiener Pressekonferenz. Der Zustrom an Studenten und die Kapazitäten würden immer mehr auseinanderklaffen. Die WU werde in diesem Jahr rund 7.000 Studienanfänger haben - bei nachgewiesenen Kapazitäten für 1.300 Personen. Die Regierungsspitze müsse "jetzt endlich etwas für die Unis tun" und aufhören, sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben: "Kanzler und Vizekanzler sollen ihre Ping-Pong-Spiele auf eine Freizeitbeschäftigung nach Dienstschluss reduzieren."
"Hochschulpolitik ist gestaltbar, wenn man will. Die Frage ist, wo ist das Wollen in Österreich", sagte der Rektor der Uni Wien, Georg Winckler, und nannte als positive Beispiele Dänemark, Finnland und Deutschland. Diese Länder würden in den Hochschulbereich investieren und Studienplätze schaffen bzw. Studentenförderungen erhöhen. Die Uni Wien habe seit 2004 einen Studentenzuwachs von rund 30 Prozent zu verzeichnen, während das Budget real nur um ca. fünf Prozent angehoben worden und die Zahl der Lehrenden um zehn bis 15 Prozent gewachsen sei. Der Mehrbedarf für die Unis ist für ihn "gestaltbar": Eine Erhöhung der Mineralölsteuer um einen Cent pro Liter würde etwa 100 Millionen Euro ins Budget spülen, allein das ÖBB-Defizit sei höher als das gesamte Uni-Budget. "Die Kraftanstrengung ist gar nicht so groß." Als ersten Schritt kann sich Winckler einen Betrag von 200 bis 300 Millionen Euro vorstellen - wenn man das Ziel eines vom Parlament angestrebten Hochschulbudgets von zwei Prozent des BIP ernst nehme, brauche man aber einen "Pfad" für die kommenden Jahre.
"Man kann eine Zeit lang die Leute betrügen"
"Das Bankenpaket wird der Bevölkerung als ein gutes Geschäft verkauft", meinte Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien. Er frage sich, warum man jetzt für die Unis nicht ein ebenso gewinnbringendes Paket schnüren könne. "Wenn das nicht auf die Schiene kommt in den nächsten Monaten oder im nächsten Jahr, fahren wir geradewegs gegen eine Wand", so Bast. "Man kann eine Zeit lang die Leute betrügen und die Dinge verwässern, aber irgendwann wird es dem politischen System auf den Kopf fallen." Eine Politik der Perspektivlosigkeit wäre ein "fatales Signal".
Auf die Frage "Studiengebühren ja oder nein" wollten sich die Wiener Rektoren nicht einlassen. Dies sei eine politische Entscheidung, so Winckler. Natürlich müsse man diese Frage diskutieren - es gebe aber auch Länder, die ohne Studiengebühren auskämen und trotzdem in die Hochschulen investierten.
Vollversammlungen am 19. Oktober - auch Streik möglich
Als weitere Protestmaßnahme kündigten die Rektoren zunächst landesweite Uni-Vollversammlungen an, die am 19. Oktober abgehalten werden sollen. In dieser Zeit werde keine Lehre stattfinden. Weiters fordern die Rektoren einen "Bildungsgipfel" mit der Regierungsspitze. Schon bisher habe die Universitätenkonferenz dreimal versucht, einen eal sinkenden Budgets "Kapazitäten reduzieren" und Studien bzw. bestimmte Bereiche "zusperren" müsse. Gleichzeitig warnte er die Regierung: "Das werden nicht die Rektoren Badelt oder Winckler verantworten müssen, sondern diese Damen und Herren." Winckler rechnet damit, dass in den kommenden zwei Monaten Gespräche mit der Regierung stattfinden. "Über mögliche Drohungen werden wir ab 1. Dezember reden." Sünkel deutete in Graz hingegen deutlich Kampfmaßnahmen an. Lenke die Regierung nicht ein, sei der Streik ein letztes Mittel, das bisher aber noch nicht angedacht worden sei: "Ich bin aber nicht bereit, Hörsäle zu beschlafen, denn wir sind in einem zivilisierten Land, in dem man wohl reden kann."
Regierung bemüht sich bereits um Terrmin
Sowohl Kanzler Werner Faymann als auch Vizekanzler Josef Pröll ließen am Freitag wissen, sie würden sich bererits um einen Termin mit den Rektoren zu kümmern. Wissenschaftsministerin Beatrix Karl geht ebenfalls von einem raschen Treffen aus: "Warnstreiks werden nicht notwendig sein."
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