Wie schnell man unverschuldet in den Strudel eines Corona-Clusters geraten kann, hat dieser Tage der Fall rund um eine Operetten-Premiere in Wien mehr als deutlich gezeigt: Nach einer Vorstellung eines Universitätslehrgangs sind mittlerweile 49 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 dem Cluster zugeordnet worden. Im Soge der Berichterstattung geriet allerdings weniger die betroffene Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK), sondern vielmehr das Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) als Veranstaltungsort ins Kreuzfeuer der Kritik. Zu Unrecht, wie sich krone.at selbst vor Ort überzeugen konnte. Die Uni hatte sich eingemietet, der Geschäftsführer des TAG stellt im Gespräch klar: „Unser Präventionskonzept ist vorbildlich!“ Den Schaden hat das Theater trotzdem …
Am vergangenen Montagabend war der Cluster rund um die Premierenvorstellung der „Lustigen Witwe“ am 6. September öffentlich geworden, auch krone.at hatte darüber berichtet. In einem Gratisblatt war sogleich von einem „Theater-Cluster“ die Rede. Sogar an der Wiener Staatsoper mussten infolgedessen Umbesetzungen vorgenommen werden. Der Wiener Kulturszene verging angesichts dieser Entwicklungen jedenfalls das Lachen, Staatsoperndirektor Bogdan Roscic empörte sich öffentlich über die Causa rund um die Theaterpremiere.
Doch wie kam es zu dem Cluster? Der Universitätslehrgang Klassische Operette der MUK hatte sich in das Theater eingemietet. Nach der Aufführung am 6. September wurden zunächst zwei Corona-Fälle im Team bekannt, wie der Krisenstab der Stadt Wien bestätigte. Mittlerweile steht fest, dass sich nicht nur Anwesende, sondern auch Familienangehörige von Besuchern infiziert haben. Stand Samstagvormittag: 49 Infizierte.
Es hagelte Absagen und Mitarbeiter wurden am Telefon beschimpft
Die Folge: Bereits am Tag nach Bekanntwerden des Clusters hagelte es in dem kleinen Theater an der Gumpendorfer Straße in Wien-Mariahilf haufenweise Absagen. Ein Konzert am Dienstagabend besuchten lediglich 16 Gäste - Sitzplätze im Saal des TAG gäbe es Corona-bedingt reduziert für insgesamt 61 Personen. Mitarbeiter des TAG wurden am Telefon zum Teil wüst beschimpft. Tenor: Wie könne es das Theater wagen, trotz Corona-Cluster überhaupt an Aufführungen zu denken.
Fest steht aber, dass es sich bei der Aufführung am 6. September um keine öffentliche Veranstaltung des TAG gehandelt hat. Es handelte sich um eine externe Veranstaltung, die künstlerischen Entscheidungen über die Gestaltung des Bühnengeschehens oblagen in diesem Fall nicht der Kontrolle des TAG. Sämtliche 61 Gäste waren Verwandte, Bekannte und Kollegen der MUK-Künstler gewesen, die Freikarten erhalten hatten.
Den Behörden wurde umgehend eine Liste aller Anwesenden - sowohl im Publikums- als auch im Bühnenbereich - zur Verfügung gestellt, die laut Krisenstab der Stadt Wien der Reihe nach auf SARS-CoV-2 überprüft wurde. Der potenzielle Kreis von Betroffenen war jedenfalls in sich geschlossen - lediglich ein technischer Mitarbeiter des TAG, der im Rahmen der Proben Kategorie‐1‐Kontakt zu der externen Produktion der Universität aufnehmen musste, wurde positiv getestet.
Regeln zur Vermeidung einer Ansteckung wurden beachtet
TAG-Geschäftsführer Ferdinand Urbach vergleicht das Szenario rund um die externe Veranstaltung der MUK mit einem „Betriebsausflug“ und betont: „Das präventive interne Kontaktmanagement im TAG hat dabei verhindert, dass sich der Cluster unkontrolliert auf das TAG und seine Mitarbeiter ausbreitet.“ Auch der Krisenstab der Stadt Wien geht davon aus, dass bei der Vorstellung selbst die Regeln zur Vermeidung einer Ansteckung mit dem Virus beachtet wurden. Demnach wurden die Abstandsregeln eingehalten und nur zugewiesene Sitzplätze vergeben. Ein Sprecher des Krisenstabs: „Zur Übertragung des Virus ist es wahrscheinlich davor und danach, aber nicht während der Aufführung gekommen.“
Davon, dass in dem seit 16 Jahren bestehenden Wiener Theater alles getan wurde - und auch weiterhin wird -, um das Risiko einer Corona-Infektion zu minimieren, machte sich krone.at selbst ein Bild. Beim Besuch einer Vorstellung am Donnerstagabend wurden alle auf der Website des TAG aufgelisteten Corona-Maßnahmen streng umgesetzt - restriktiver, als es der Gesetzgeber vorschreibt: angefangen von der Maskenpflicht für das Publikum über die Abstände bei den Sitzplätzen bis hin zum Contact Tracing.
Gute Theater-Unterhaltung ohne Pause und Gastro
War vor Beginn der Aufführung - zu sehen war das herrliche Impro-Kabarett „Fake-Off“ - bei den Zuschauern noch ein leichtes Gefühl der Verunsicherung zu spüren, wenn die Blicke der maskierten Gesichter durch den Saal schweiften, wurde schließlich doch unbekümmert geredet und gelacht - wie man es aus der Zeit vor Corona kennt. Nur, dass es vorerst keine Pause und auch keine Gastronomie gibt. Und, dass per Lautsprecher mehrmals auf die Corona-Maßnahmen hingewiesen wird.
Für TAG-Geschäftsführer Urbach steht jedenfalls fest, dass die Erkenntnisse rund um den Corona-Cluster des Universitätslehrgangs „einen Besuch im TAG für unser Publikum wohl noch ein weiteres Stück sicherer gemacht“ haben. Er wünscht sich, dass „die Bühnen dieser Stadt, egal ob groß oder klein, die allesamt in hohem Maße verantwortungsvoll in diesen herausfordernden Herbst gehen“, jetzt zusammenhalten.
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