Nach einem halben Jahr des Stillstandes am Tiroler Landestheater fand vergangenen Freitag ein sanfter Neustart für den Spielbetrieb statt. Sir Peter Maxwell Davies’ im Jahr 1980 in Edinburgh uraufgeführte Kammeroper „Der Leuchtturm“, im Original „The Lighthouse“, feierte in den Kammerspielen eine ungewöhnliche, aber äußerst emotionale Premiere.
„Ungewöhnlich“ deshalb, da aus Sicherheitsgründen die Zahl des Premierenpublikums halbiert und dadurch nur jeder zweite Stuhl besetzt wurde. Beim Schlussvorhang gab es auch – wie sonst gewohnt – keine lauten Begeisterungsrufe, damit sich ja keine Viren ausbreiten. Mit dem Wort „emotional“ kann man den Neustart zudem betiteln, da dieses avantgardistische Musik-Psychodrama eine zweite Chance erhielt. Es hätte schon vor dem Corona-Lockdown seine Premiere erfahren sollen.
Gerade in einer Gegenwart, die von offizieller Seite als Zeit der „zweiten Welle“ proklamiert wird, regt das Libretto dieser unheimlichen, mysteriösen, dunklen und kalten Kammeroper dazu an, um über das „Eingesperrt sein“ und wie dieser Umstand der menschlichen Seele Schaden zufügen kann, nachzudenken.
Nichts für klaustrophobe Personen
In der rund 75 Minuten dauernden einaktigen Oper mit einem Prolog spielt sich der Horror im Inneren des Leuchtturms ab, welcher von Bühnenbildner Michael D. Zimmermann kreiert wurde. Dieser enge, klaustrophobische Lebensraum inmitten der unwirtlichen Äußeren Hebriden erzeugt unermessliche Spannungen bei den drei Leuchtturmwächtern.
Um diesen Konflikt zu mildern, beschließen sie Lieder zu singen. Aber damit beginnt das Grauen Gestalt anzunehmen. Diese Songs offenbaren nämlich das wahre Wesen der drei Männer. Blaze (Dale Albright) beginnt mit einem Folksong über seine Kindheit, Sandy (Florian Stern) eine zarte Liebesromanze und Arthur (Johannes Maria Wimmer) einen frommen Choral. Das Resultat: Blaze ist ein Mörder und Räuber, Sandy ein Vergewaltiger und Mörder und Arthur ist dem religiösen Wahn verfallen.
Lieder als Herzstück
Maxwells Kompositionen sind in der Kammermusik verwurzelt, wobei der musikalische Leiter Tommaso Turchetta dies mit dem Tiroler Ensemble für neue Musik entsprechend umsetzt, da er stets im Einklang mit den drei Solisten Albright, Stern und Wimmer steht und somit durchgehend höchste Spannung erzeugt wird. Herzstück und Höhepunkt der Inszenierung sind jedoch die drei Lieder der Leuchtturmwärter.
„Der Leuchtturm“ unter Regie von Kai Anne Schuhmacher liefert den Beweis, dass auch moderne Klassik sehr publikumstauglich präsentiert werden kann.
Hubert Berger, Kronen Zeitung
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