Zwei Jahre nach dem globalen Erfolg mit ihrer Debütsingle „Sweet But Psycho“ veröffentlicht Ava Max ihr Debütalbum „Heaven & Hell“. Darauf klaut sie von ihren Idolen und würzt die Songs mit dem aktuellen Zeitgeist. Im „Krone“-Interview gibt sie tiefere Einblicke.
Es ist kein Nachteil, wenn man von den Besten lernen kann. Als Amanda Koci noch nicht Ava Max war, turnte sie im Kinderzimmer zu den eingängigen Pop-Songs von Britney Spears und Christina Aguilera, die sich lange vor Miley Cyrus von Kinderstars zu echten Pop-Granden emanzipierten. Über die Jahre wurden sie von Katy Perry und Lady Gaga abgelöst, die den Mainstream-Pop wahlweise mit nur noch mehr „Bubblegum-Gestus“ oder feministischer Begrifflichkeit in die Gegenwart beförderten. Doch die großen Zeiten der beiden - neben Taylor Swift - wichtigsten Pop-Diven des letzten Jahrzehnts sind vorbei. Lady Gagas „Chromatica“ eroberte vergangenen Frühling zwar weltweit die Charts, rein künstlerisch konnte sie damit aber nicht mehr an ihre Vergangenheit anknüpfen. Die frischgebackene Mama Perry landete mit „Smile“ vor wenigen Wochen einen veritablen Bauchfleck - zumindest für ihre kommerziell hochgestochenen Verhältnisse.
Wenig Überraschungen
Wie man Pop würdevoll in die 2020er transferiert, das werden die nächsten Jahre zeigen, doch Ava Max versucht mit Kräften die freigewordene Lücke am weiblichen Mainstream-Popthron mit eingängigen Rhythmen, lebensnahen Texten und einer wirkungsvollen Inszenierung zu füllen. Die heute 26-Jährige veröffentlicht mit „Heaven & Hell“ dabei ein Debütalbum, das nur wenige Überraschungen aufbietet. Gut die Hälfte der 15 darauf befindlichen Songs hat Max schon in Single-Form veröffentlicht. Der erste große Hit „Sweet But Psycho“, indem sie sich der Welt als süßes, aber doch ziemlich abgedrehtes Girlie-Wunder präsentierte, enterte vor mehr als zwei Jahren die Charts. Mehr als eine Milliarde Spotify-Streams sprechen für sich, auch die nachgeschossenen Tracks „So Am I“, „Torn“ oder „Salt“ eroberten YouTube, TikTok und Co. in Rekordgeschwindigkeit, wodurch Max zuletzt sogar ihre zuvor erwähnten Idole überflügelte.
Dass Ava Max die Eigenständigkeit fehlt, ist halb so wichtig. Optisch ähnelt sie Lady Gaga nicht nur durch das Platinblond, musikalisch bewegt sich „Heaven & Hell“ im Prinzip quer durch den Gemüsegarten aller genannten Künstlerinnen und wird durch eine dringliche Zeitgeistigkeit verstärkt, die den mehr als zwei Jahre alten Kompositionen am Album eine beständige Aktualität verleiht. Auch wenn Ava Max‘ Kickstart-Karriere aus Single-Erfolgen resultiert, ist ihr das Albumformat ungemein wichtig, was nicht zuletzt das Himmel-und-Hölle-Konzept klar in den Vordergrund kehrt. „Es war mir einfach wichtig, die Dualität meines Lebens abbilden zu können“, erklärt sie der „Krone“ im Zoom-Interview, „jeder Mensch geht im Laufe seines Lebens durch gute und schlechte Zeiten. So habe ich das Album aufgeteilt. Nur ein Album kann die Reise zwischen Licht und Dunkelheit anbieten, deshalb war es mir dermaßen wichtig.“
Suche nach der Essenz
So erklingt die „Heaven“-Seite bewusst schwungvoll und befindet sich permanent im Up-Tempo, der zweite Teil des Albums lässt genug Raum für ein paar Zwischentöne und sanfte Klangveränderungen. Was sofort auffällt ist, dass Max auf eine klassische Ballade verzichtet hat, wie sie auf jedem Popalbum Usus ist. „Völlig korrekt, diese typisch verletzliche Nummer gibt es nicht. Mir war wichtig, dass mein Debütalbum Spaß macht, hymnisch ist und auch ermutigt. Aber vielleicht ist dafür das nächste dann voller Balladen, wer weiß?“ Hinter dem Himmel/Hölle-Prinzip zieht sich als roter Faden das Beziehungsleben durch alle Songs. Erfahrungen, die Ava Max selbst gemacht hat, teilt sie auf ehrlichem Wege. „Mir ist wichtig, dass die Leute mit dem Album die Essenz einer Beziehung spüren, die mal Himmel und mal Hölle ist. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass jede Beziehung zwischen diesen beiden extremen Polen wandelt.“
Doch gerade die persönliche Note, die Max textlich einfließen lässt, wird von der knalligen Produktion immer wieder abgeschossen, was den Songs leider viel an Drive nimmt. Die atmosphärische, etwas dunklere „Hell“-Seite hat mit „So Am I“ oder dem wundervollen Song „Belladonna“ auch die stärkeren Tracks. „,So Am I‘ dreht sich um Selbstsicherheit und Freiheit. Ich war als Kind ein typisches Mobbingopfer und fühlte mich bei allen Dingen, die ich so tat, immer irgendwie ertappt“, erinnert sich Max zurück, „mit diesem Song habe ich meine eigene Vergangenheit abgehandelt. Jeder kennt doch das Gefühl, sich manchmal unsicher zu fühlen und nicht genau zu wissen, wie es weitergehen soll. Jeder kennt das Gefühl, manchmal in gewisse Normen gepresst zu werden, die einem nicht passen. Manchmal muss man sich sein Wohlergehen erkämpfen.“
Längst gestählt
Insgesamt hat Ava Max über die Jahre rund 100 Songs fertiggeschrieben oder skizziert. Diese dann auf die 15 am Album befindlichen runterzubrechen fiel ihr naturgemäß nicht leicht. „Ich hatte sehr viele kreative Phasen und konnte wirklich aus dem Vollen schöpfen. Gemeinsam mit meinem Produzenten Cirkut haben wir uns dann auf die 15 wichtigsten Stücke beschränkt. Das ist gar nicht so wenig Material, aber noch mehr hätte ich unmöglich kürzen können.“ Für Max beginnt mit dem Debütalbum nun der nächste Karriereschritt, der sie an die Spitze des Pop-Olymps führen sollte. Der Thron ist vakant und die Chancen sind groß, ihn erobern zu können. Mittlerweile ist sie vom Business und der Öffentlichkeit gestählt. „Als ,Sweet But Psycho‘ die Charts und Radios eroberte, musste ich durch einiges durch, dem ich nicht gewappnet war. Ich habe in den letzten Jahren extrem viel gelernt und sprang oft ins kalte Wasser. Im Rampenlicht zu stehen musste ich erst lernen. Am Wichtigsten ist es, nichts zu überhasten und alle Schritte genau zu überlegen.“
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.