Anna Strasberg, die Witwe von Monroes Schauspiellehrer und Nachlassverwalter Lee Strasberg, hat den Zettel und zahllose weitere Dokumente in zwei Kisten beim Aufräumen auf dem Dachboden gefunden. Notizen, Aphorismen, Einkaufslisten, Briefe, Kochrezepte - und sogar ganze mit Schreibmaschine getippte A4-Seiten schlummerten in den Kartons. Stanley Buchthal und Bernard Comment haben all das nun zu einem Buch zusammengefasst. Unter dem Titel "Marilyn Monroe - Tapfer lieben" wollen sie das, was Comment den "literarischen Nachlass" der Monroe nennt, der Öffentlichkeit präsentieren und zeigen, dass sie nicht nur Sexsymbol und die Frau von Schriftsteller Arthur Miller war - sondern auch selbst eine Poetin.
Dumme Blondine - sexy, aber dämlich?
"Ich denke, dass viele Leute in ihr immer noch eine dumme Blondine sehen - sexy, aber dämlich", sagt Herausgeber Comment im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. "Und ich denke, dass diese Menschen entdecken werden, dass sie eine Poetin war und ziemlich clever."
Das erste Kapitel des Buches ist mit "Private Aufzeichnungen" überschrieben und zeigt mit Schreibmaschine beschriebene Seiten über die erste Ehe Monroes mit James Dougherty, den sie im Jahr 1942 heiratete - als der spätere Kino-Star noch Norma Jeane hieß und erst 16 Jahre alt war. Belastet von der Untreue ihres Mannes sinniert sie über ihre Beziehung und die Bedeutung der Liebe.
"In dieser Phase kamen mir große Zweifel, ob dieser junge Mann von 21 Jahren meinem unbewussten Bild von einem Traummann nicht unwirklich wäre, wahrscheinlich fühlte ich mich zu ihm als einem der wenigen jungen Männer hingezogen, die mich sexuell nicht abstießen", schreibt sie. Und: "Ich glaube, meine Liebe, wenn das das richtige Wort ist, war vor allem das herrlich berauschende Gefühl, begehrt, geliebt umhegt zu werden."
Einkaufszettel, To-do-Listen, Rezepte
Es folgen Aufzeichnungen unterschiedlichster Art: To-do-Listen, Einkaufszettel und Rezepte für Brathuhn oder Roastbeef, in denen Monroe anmerkt, "keinen Knoblauch" zu benutzen. Auf den Seiten dazwischen sind größtenteils unbekannte Bilder der schönen Blondine zu sehen. Auf den meisten liest oder schreibt sie. "Es sollte keins der üblichen Bücher über sie werden, es sollte ein Buch von ihr sein", betont Comment.
Über kaum jemanden ist so viel geschrieben und gemutmaßt worden wie über Marilyn Monroe. Schon ihr bürgerlicher Name gibt Rätsel auf. Zwei Schreibweisen des Vornamens - Norma Jean und Norma Jeane - sind verbreitet. Und obwohl Baker gemeinhin als ihr Geburtsname gilt, war es doch wahrscheinlich Mortenson, der Name des Mannes, der als ihr Vater gilt. Schon Zeit ihres Lebens ging eine Faszination von ihr aus, nach ihrem frühen Tod im Alter von nur 36 Jahren durch eine Überdosis Schlaftabletten, um den sich bis heute zahllose Gerüchte und Verschwörungstheorien ranken, wurde Monroe zum Mythos.
Wer von dem Buch restlose Aufklärung erwartet, wird sicher enttäuscht. Neue Enthüllungen über ihre Beziehung zu den Kennedy-Brüdern gibt es nicht - dafür aber eine ganz andere Seite der vielleicht bekanntesten Schauspielerin der Welt zu entdecken.
"Man sieht Marylin Monroe, von der man so viel zu wissen glaubt, plötzlich mit anderen Augen. Eine verletzliche Frau, die auf immer dünner werdendem Eis lebt", sagt der Programmleiter Internationale Literatur des Fischer-Verlages, Hans Jürgen Balmes, und spricht von einem "Gänsehauterlebnis". "Man bangt mit ihr und wünscht sich inständig, dass sie davonkommt, einen Ausweg findet. Doch im Hinterkopf hat man immer ihr tragisches Ende." Gänsehaut bereitet vor allem eins ihrer Gedichte: "Verdammt, ich wünschte, ich wäre tot, gar nicht vorhanden, fort von hier, von überall."
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