Weltweit wird fieberhaft an einem wirksamen Impfstoff gegen das Coronavirus geforscht - mehrere aussichtsreiche Kandidaten befinden sich in der letzten und wichtigen dritten Phase vor einer eventuellen Zulassung. China aber ging noch einen Schritt weiter: Hunderttausenden Menschen wurde abseits von offiziellen Studien einer von drei Impfstoffkandidaten gespritzt. Bei den Geimpften handelt es sich um von der chinesischen Regierung als „essenziell“ eingestufte Angestellte, wie etwa die Mitarbeiter der Pharmafirmen, die diese Impfstoffe herstellten. Die Bedenken wegen nicht abschätzbarer Risiken sind außerhalb Chinas hoch.
Die drei Impfstoffkandidaten befinden sich der „New York Times“ zufolge in der letzten Testphase, die hauptsächlich außerhalb Chinas durchgeführt würden - in vom Coronavirus schwer getroffenen Regionen wie Brasilien, der Türkei oder Indonesien. Die Probanden dieser Studien würden begleitet und beaufsichtigt, was aber auf all die Geimpften im eigenen Land nicht zutreffen dürfte, wie die Zeitung schreibt.
„Das ist eine Art Tradition in unserem Unternehmen“
Allein die staatlich unterstützte Sinopharm-Tochter CNBG, die an zwei Vakzinen forscht, impfte 350.000 Menschen außerhalb der Covid-19-Studie und weitere 40.000 in deren Rahmen, wie eine Führungskraft laut der Nachrichtenagentur AP kürzlich mitteilte. Zudem habe man 200.000 Dosen der beiden Impfstoffe Wuhan gespendet, wo sie für medizinisches Personal vorgesehen seien.
Sinovac Biotech impfte 90 Prozent seiner Angestellten und deren Familienangehörige - rund 3000 Menschen - und stellte Zehntausende Dosen der Impfung der Pekinger Stadtregierung bereit, wie CEO Yin Weidon bekannt gab. Er selbst habe sich bereits vor Monaten CoronaVac injizieren lassen. „Das ist eine Art Tradition in unserem Unternehmen“, sagte er der AP. Er habe dasselbe gemacht, als das Unternehmen einen Hepatitis-Impfstoff entwickelte.
Massive moralische und ethische Bedenken
Internationale Experten sind jedenfalls alarmiert: Die unerprobten Vakzine könnten schwere Nebenwirkungen haben, unwirksame könnten zu einer falschen Sicherheit führen und ein Verhalten auslösen, das zu noch mehr Infektionen führen könnte. Zudem gebe es moralische und ethische Bedenken. Die bisher geimpften Angestellten staatlicher oder staatsnaher Betriebe sowie der Pharmafirmen könnten nicht alle freiwillig die Ärmel hochgerollt haben, um den Impfstoff zu erhalten. Die Firmen hätten der „New York Times“ zufolge von den Mitarbeitern eine Geheimhaltungsvereinbarung verlangt.
Chinesische Firmen hoffen auf Zulassung bis Jahresende
Offiziell rechnet China damit, bereits im November einen Impfstoff zur Verfügung stellen zu können, hieß es Mitte September. Die Entwicklung des chinesischen Vakzins verlaufe „sehr reibungslos“, sagte die Epidemiologin Wu Guizhen vom Zentrum für Krankheitsbekämpfung und -prävention. Auf welchen Impfstoffkandidaten sich Wu bezog, ist unklar. Sinovac Biotech und Sinopharm arbeiten an insgesamt drei Impfstoffen und hoffen auf eine Zulassung bis Jahresende, wie Vertreter mitteilten. Außerdem im Rennen sei die Firma CanSino.
Neun Impfstoffkandidaten in letzter Testphase
Weltweit befinden sich derzeit neun Impfstoffkandidaten gegen das neuartige Coronavirus in der dritten und letzten Testphase. In dieser Phase wird das Mittel an Tausenden Menschen erprobt. Allerdings traten bei einigen Firmen Schwierigkeiten auf: So musste der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca seine klinischen Tests vorübergehend unterbrechen, nachdem ein Proband aus ungeklärter Ursache krank geworden war.
Der russische Impfstoff mit dem Namen „Sputnik-V“ wurde als weltweit erster für eine breite Anwendung in der Bevölkerung zugelassen - trotz ebenfalls internationaler Bedenken. Die Genehmigung erfolgte vor den sogenannten Phase-III-Studien, die mittlerweile begonnen haben.
Erst in dieser wichtigen Phase wird gewöhnlich an sehr vielen Teilnehmern überprüft, ob und wie gut ein Wirkstoff tatsächlich vor einer Infektion schützt und welche Nebenwirkungen auftreten.
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