Corona-Musterland?

Schweden: Offenhalten der Schulen hat sich bewährt

Ausland
28.09.2020 10:00

Schweden ist derzeit laut EU-Statistik das einzige Land der Union, in dem seit Sommerbeginn die Zahl der wöchentlichen Corona-Neuinfektionen pro Kopf kontinuierlich rückläufig ist. Genau erklären können sich die Experten in Stockholm dieses Phänomen auch nicht. Sie sehen darin aber eine Bestätigung der auf Langfristigkeit angelegten nationalen Covid-19-Strategie. Das generelle Offenhalten der Grundschulen habe sich zum Beispiel für die Arbeitswelt sehr bewährt.

Diesen Schluss zog der schwedische EU-Minister Hans Dahlgren zuletzt beim 16. Salzburg Europe Summit. So habe Schweden die Grundschulen während der ganzen Zeit geöffnet, sodass sich das Leben der Kinder so normal wie möglich gestaltete. Dies habe sich auch auf die Arbeitswelt sehr positiv ausgewirkt, weil die Eltern ihrer Arbeit nachgehen konnten, sei es im Home-Office oder am Arbeitsplatz, insbesondere im Gesundheitsbereich.

Laut den Angaben des Ministers hat seine Regierung eine eigene Spezialkommission eingesetzt, die unabhängig und weisungsfrei alle Covid-19-Maßnahmen evaluieren und das Ergebnis im Februar 2022 präsentieren wird. Im Sinne des notwendigen Informationsaustausches werde dieses Ergebnis der EU und den anderen Ländern zur Verfügung gestellt. Die schwedische Regierung sei auch an den Evaluierungsergebnissen der anderen Länder interessiert, so Dahlgren.

Auch in Schweden war es heuer ein etwas anderer Sommer. Doch das Land ist bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. (Bild: APA/AFP/TT News Agency/Johan NILSSON)
Auch in Schweden war es heuer ein etwas anderer Sommer. Doch das Land ist bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen.

In Schweden waren am ersten Höhepunkt der Corona-Krise die Grundschulen zwar offen, alle anderen Bildungseinrichtungen allerdings ebenfalls geschlossen. Zudem wurden auch Ältere und Menschen, die zu den Risikogruppen gehören, streng isoliert. Die schwedische Bevölkerung hielt sich auch an die beschränkte Anzahl von Personen bei Versammlungen und in der Gastronomie.

Wirkung des Mund-Nasen-Schutzes wird angezweifelt
Auch anders als praktisch überall sonst verzichtete Schweden zur Gänze darauf, Mund-Nasen-Schutz in der Allgemeinheit auch nur zu empfehlen, und begründete dies mit der dünnen Evidenzlage bezüglich der Frage, ob ein solcher effektiv die Verbreitung eines Virus verhindern kann. Die Politik hielt sich aus dem operativen Corona-Management weitgehend heraus und überließ die der Bevölkerung „dringend empfohlenen“ Maßnahmen und Verhaltensregeln einem Komitee von Experten unter der Leitung von „Staatsepidemiologe“ Anders Tegnell, der international bald zur Ikone des „Schwedischen Modells“ wurde. Laut Untersuchungen hielten sich rund 90 Prozent der Schweden an die empfohlenen Verhaltensregeln.

Der schwedische Chef-Virologe Anders Tegnell geht davon aus, dass jeder fünfte Stockholmer Antikörper gegen das neuartige Coronavirus gebildet hat. (Bild: APA/AFP)
Der schwedische Chef-Virologe Anders Tegnell geht davon aus, dass jeder fünfte Stockholmer Antikörper gegen das neuartige Coronavirus gebildet hat.

Als die Zahl der Corona-bedingten Todesfälle in Schweden im April sprunghaft anstieg und das Land europaweit die vierthöchste Ziffer verzeichnete, regte sich international und im eigenen Land teils scharfe Kritik an der vermeintlich laschen Vorgangsweise der schwedischen Verantwortlichen. Diese machten Mängel und Fehler in der Altenpflege für die hohen Todesziffern verantwortlich und leiteten verschiedene Maßnahmen wie eine gezielte Testungskampagne von Pflegepersonal in besonders kritischen Institutionen ein. Offenbar mit Erfolg, denn die Kurve der neuen Todesfälle flachte ab und glich sich jener der meisten europäischen Staaten an.

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