Machtkampf in Minsk
100.000 Menschen bei Demo für „Präsidentin Sweta“
Mehr als 100.000 Menschen haben trotz einer neuen Welle der Gewalt von Armee und Polizei in Weißrussland gegen Machthaber Alexander Lukaschenko protestiert. Uniformierte in Sturmhauben gingen am Sonntag in den Städten Gomel und Grodno brutal gegen die Demonstranten vor. Es gab landesweit etwa 200 Festnahmen, wie das Innenministerium am frühen Abend mitteilte. Der Aufmarsch erfolgte diesmal unter dem Motto „Amtseinführung für Präsidentin Sweta“. Gemeint ist die 38-jährige Swetlana Tichanowskaja, die aus Sicht der Demokratiebewegung die Wahl am 9. August gegen den seit 26 Jahren regierenden Lukaschenko gewonnen hatte.
„Sweta ist unsere Präsidentin“ oder einfach „Sweta - Präsidentin“, skandierten die Menschen in der Hauptstadt Minsk. Viele riefen auch: „Lange lebe Weißrussland!“ und „Eto nasch gorod!“ („Das ist unsere Stadt“). Tausende trugen die historischen weiß-rot-weißen Fahnen.
Reaktion auf Lukaschenkos „Geheimaktion“
Damit sich die Menschen nicht zu den wechselnden Protestrouten verabreden konnten, schalteten die Behörden wieder das mobile Internet ab. Auch U-Bahn-Stationen waren gesperrt - wie an jedem Sonntag zur Protestzeit. Die Aktion galt diesmal als direkte Reaktion auf Lukaschenkos als „Geheimaktion“ kritisierte Amtseinführung am vergangenen Mittwoch. Seither hat der Protest noch einmal an Fahrt gewonnen. Aber auch das brutale Vorgehen des Machtapparats verschärfte sich.
Um einen neuen Massenprotest zu behindern, zogen in der Innenstadt Truppen des Innen- und des Verteidigungsministeriums auf. Sie blockierten viele Straßen und stellten Gefangenentransporter bereit. Auch Panzer und andere Militärtechnik ließ der Machtapparat auffahren. In Gomel wurden nach Angaben der Behörden Leuchtgeschosse als Warnung und Wasserwerfer eingesetzt. Angesichts der bedrohlichen Lage in der Stadt und der vielen Festnahmen lobte Tichanowskaja den Mut ihrer Landsleute, den Kampf um die Freiheit auf der Straße unerschrocken fortzusetzen.
„Wir haben uns versammelt, um dieses Regime zu stoppen - und wir werden das mit friedlichen Mitteln tun“, sagte sie in einer Videobotschaft. „Wir sind Millionen. Und deshalb werden wir gewinnen.“ Bereits zuvor hatte sie zudem die besondere Rolle der Frauen hervorgehoben, die samstags eigene Proteste gegen Lukaschenko organisieren. Allein dabei gab es rund 150 Festnahmen.
Der Machthaber hatte stets erklärt, sich seine sechste Amtszeit notfalls unter Einsatz der Armee zu sichern. Die EU und viele andere Staaten erkennen Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten an. Dem Land drohen nun Sanktionen. Menschenrechtler werfen den Truppen Verbrechen gegen die friedlichen Demonstranten vor.
Regierung spricht von „unzulässiger Einmischung“ von außen
Der weißrussische Außenminister Wladimir Makej warf dem Westen in einer Note an die Vereinten Nationen einmal mehr vor, sich unzulässig in die inneren Angelegenheiten der Ex-Sowjetrepublik einzumischen. Er behauptete, das weißrussische Volk habe Lukaschenko gewählt. Der Machthaber hatte sich mitten in einer schweren Krise mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Wahlsieger erklären lassen. Das Ergebnis gilt als grob gefälscht.
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