Der 34-Jährige sprach bei seiner Zeugenbefragung von einem "völlig unerwarteten Angriff". Wie der Sportlehrer betonte, wäre er "erstarrt", hätte er den Polizisten als solchen erkannt, wobei er auf seine Herkunft aus Jacksonville im US- Bundesstaat Miami verwies, ein angeblich besonders gewaltträchtiger Ort. Wenn man als junger Schwarzer von der Polizei angesprochen werde und nicht sofort stehenbleibe, laufe man Gefahr, erschossen zu werden, so der 34-Jährige. Wie Brennan weiter hervorhob, habe für ihn kein Grund bestanden, ein Verhalten an den Tag zu legen, das der Beamte als Fluchtversuch interpretieren hätte können.
Polizist jagte Dealer
Besagter Beamte gehörte einer Spezialeinheit an, die unter anderem den Drogenhandel im öffentlichen Raum bekämpfen soll. Am 11. Februar 2009 wurden bekannte Hot-Spots an der U4 überwacht, wobei der 37-Jährige Kenntnis davon bekam, dass ein farbiger Dealer mit der U-Bahn in Richtung Heiligenstadt unterwegs sei. Der Beamte stieg daher in der Station Friedensbrücke in die betreffende Garnitur ein, fuhr eine Station mit und verließ den Zug dann wieder, weil ihm ein Kollege über Funk mitteilte, der in einem hinteren Waggon befindliche Verdächtige sei im Begriff auszusteigen. Als der 37-Jährige auf den Bahnsteig trat, wurde ihm mitgeteilt, der Dealer, der ihm zuvor beschrieben worden war, komme direkt auf ihn zu.
"Er hat auf die Zurufe überhaupt nicht reagiert"
Dem Beamten näherte sich allerdings kein Dealer, sondern der 34 Jahre alte Mike Brennan, ein an der Vienna International School tätiger farbiger Sportlehrer. Da die Personenbeschreibung - rund 1,85 Meter groß, bullige Statur, dunkle Jacke, Kopfbedeckung - zu passen schien, habe er den Mann für den Verdächtigen gehalten und mit den Worten "Stop! Police! You are arrested!" angehalten, erzählte der Polizist nun Richter Patrick Aulebauer. "Er hat auf die Zurufe überhaupt nicht reagiert. Er hat sich angespannt. Für mich hat es ausgeschaut, als ob er sich unter mir durchducken und davonlaufen will", meinte der Beklagte. Da habe er den kräftigeren Mann "aus dem Gleichgewicht gebracht und zu Boden befördert". Brennan wurden dabei zwei Lendenwirbelkörper-Querfortsätze gebrochen, außerdem erlitt der 34-Jährige eine Rippen- und Schädelprellung sowie eine Zerrung der Nackenmuskulatur.
"Das Verhalten habe ich falsch interpretiert"
"Dass ich von einem Fluchtverhalten ausgegangen bin, war mein großer Fehler. Kann sein, dass er mich nicht gehört hat. Das Verhalten, das er gesetzt hat, habe ich falsch interpretiert", gab der Polizist zu. Dass sich Brennan "leicht geduckt und angespannt hat, war vermutlich ein Überraschungsverhalten", sah er im Nachhinein ein. Der Polizist bestritt dagegen die Darstellung von Brennan und dessen Lebensgefährtin, die behaupten, der Beamte habe sich nicht zu erkennen gegeben, sich nicht ausgewiesen und Brennan, als dieser am Boden lag, mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen: "Das stimmt einfach nicht." Er bedaure die Verwechslung, betonte der 37-Jährige: "Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einer U-Bahn zwei Schwarzafrikaner sitzen, die beide gleich oder fast ähnlich angezogen sind, die dann in derselben U-Bahn-Station aussteigen und beide auf mich zukommen?"
Die Verhandlung wird am Freitag mit den Sachverständigen-Gutachten fortgesetzt. Danach sind die Schlussvorträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung geplant, doch muss das Verfahren möglicherweise auf 2011 vertagt werden: Rechtsanwalt Wilfried Embacher, der in der Verhandlung als Privatbeteiligten-Vertreter die Interessen Brennans wahrt, besteht auf der Einvernahme der Lebensgefährtin des Sportlehrers. Diese hält sich bis Weihnachten allerdings im Ausland auf. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, ist mit einem Urteil frühestens im kommenden Jänner zu rechnen.
Bereits zweiter Prozess gegen Polizisten
Bei der Verhandlung handelte es sich bereits um den zweiten Prozess gegen den 37-jährigen Beamten: Der erste Prozess endete im vergangenen Juni im Bezirksgericht Josefstadt mit einem Unzuständigkeitsurteil, weil die Richterin die ursprünglich nur auf Fahrlässigkeit lautende Anklage für verfehlt hielt. Um den Beamten doch noch belangen zu können, dehnte die Staatsanwaltschaft die Anklage formal aus, was die Zuständigkeit des Straflandesgerichts begründete und im Fall eines Schuldspruchs auch einen höheren Strafrahmen zur Folge hat. Nunmehr drohen dem Polizisten nicht mehr nur maximal sechs Monate, sondern bis zu drei Jahre Haft, sollte er schuldig erkannt werden, die Verletzungen Brennans zumindest mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen zu haben.
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