Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich am Donnerstag auf dem EU-Sondergipfel einmal mehr für Sanktionen gegenüber der Türkei ausgesprochen. Das „völkerrechtswidrige Verhalten“ der Türkei gegenüber den EU-Staaten Griechenland und Zypern fordere eine klare Reaktion. Dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan müsse man „endlich rote Linien“ aufzeigen, so Kurz. Daher fordere er auch, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen.
Es sei „seit Langem unerträglich, wie mit Journalisten und Oppositionspolitikern in der Türkei“ umgegangen werde. Außerdem sei es „nicht akzeptabel“, dass die Türkei „Migranten als Waffe“ gegenüber Europa einsetze, so Kurz. Im vergangenen Jahr habe man erlebt, dass das „Nicht-Reagieren auf türkische Provokationen“ nicht zu einer Beendigung des türkischen Fehlverhaltens führe, im Gegenteil: „Die Grenzen verschieben sich immer weiter, wenn man keine rote Linien aufzeigt.“
Zuvor war Kurz in Brüssel von EU-Ratspräsident Charles Michel empfangen worden. „Wir haben die Themen des bevorstehenden Europäischen Rates, wie etwa unsere Beziehungen zur Türkei, wo alle Optionen auf dem Tisch bleiben, besprochen“, teilte der Kanzler im Anschluss via Twitter mit.
So viele Probleme und so wenige fertige Lösungen
Nach dem Treffen mit Michel traf Kurz noch den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Am Nachmittag kamen dann die Staats- und Regierungschefs zusammen. Bei dem Sondergipfel geht es vor allem darum, Handlungsfähigkeit in der Außenpolitik zu demonstrieren. Doch das zweitägige Treffen wird auch von schweren inneren Konflikten überschattet - selten gab es bei einem EU-Gipfel so viele Probleme und so wenige fertige Lösungen.
Am Nachmittag stehen zunächst die Beziehungen zu China und die Stärkung des europäischen Binnenmarkts in der Corona-Krise auf der Agenda. Danach werden aktuelle Krisen besprochen, wie die Situation in Weißrussland, die Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny und der Konflikt in Berg-Karabach. Beim Abendessen werde man sich dann „voll und ganz“ der Situation im östlichen Mittelmeer und den Beziehungen zur Türkei widmen, hieß es im Einladungsbrief von Michel.
EU-Finanzstreit und Ärger um Rechtsstaatlichkeit trüben Stimmung
Nicht offiziell auf der Agenda, aber ein zentrales Thema sind die Probleme, den Hilfsfonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise auf den Weg zu bringen. Schlecht für die Stimmung dürfte auch der sich zuspitzende Konflikt um die Rechtsstaatlichkeit sein. Vor allem Ungarns Regierungschef Viktor Orban wehrt sich vehement gegen Vorwürfe aus Brüssel, er habe die Unabhängigkeit der Justiz und die Medienfreiheit massiv eingeschränkt.
Den Brexit bzw. die seit Monaten in einer Sackgasse steckenden Verhandlungen dazu will der Gipfel mit einem kurzen „Informationspunkt“ abhaken. Großes Thema wird der Brexit beim regulären EU-Gipfel Mitte Oktober.
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