Die Chinesen haben mit ihrer Disziplin das Virus abgewürgt. Die Wirtschaft läuft wieder, doch in der Politik gerät China in den Gegenwind.
Seit China das chinesische Coronavirus mit chinesischer Gründlichkeit abgewürgt hat, läuft die Wirtschaft dort wieder – im Gegensatz zu den globalen Konkurrenten, die mit der Pandemie nicht zurechtkommen. Allerdings mangelt es Chinas Wirtschaft deshalb auch an Kunden. Der heimische Markt der 1,4-Milliarden-Nation mit schon 400 Millionen Mittelstands-Konsumenten – das entspricht der EU! – kann aber die Konjunktur aufrechterhalten.
Im Gegensatz zur Wirtschaft bläst China in der Politik der Wind ins Gesicht – immer stürmischer. Das ist eine Folge des forschen Vorgehens unter Staats- und Parteichef Xi Jinping. Er ist von der Überzeugung getragen, dass China einen Entwicklungsstand erreicht hat, bei dem es auch seine Stärke zur Geltung bringen kann, um seine Ziele zu erreichen.
Chinas Ansehen ziemlich angekratzt
Das führt zu einem forschen Vorgehen, das Chinas Ansehen in vielen Teilen der Welt, besonders bei seinen ostasiatischen Nachbarn, nachhaltig schädigt. Plötzlich werden die negativen Seiten an dem Reich der Mitte intensiv beleuchtet: Menschenrechte, mangelnde Fairness in der Handelspolitik, Daten-Ausspähung in der Cyberwelt.
Wie überhaupt China in der Geschichte nie als „normal“ angesehen wurde; mal romantisiert und verklärt, mal verteufelt. Im Grunde aber zeigt China positive und negative Seiten wie andere Staaten auch.
Schlechtes Gewissen als Corona-Verursacher?
Aktuell wird China vorgehalten, durch mangelnde bzw. falsche Informationen die Pandemie (mit)verursacht zu haben – eine Panne des Diktatursystems wie schon 2006 bei der SARS-Epidemie. Chinas Führung dementiert, lässt aber schlechtes Gewissen erkennen; durch die massiven Hilfsaktionen, als die gesamte Welt dann von Corona erfasst wurde.
Rückschlag in Chinas Außenwirtschaftsbeziehungen: Die Seidenstraßen-Initiative (zur Ausweitung von Handel und Einfluss) ist nicht nur durch die Pandemie ins Stocken geraten.
Das chinesisch-europäische Seidenstraßen-Forum „17 plus 1“ entwickelt sich immer deutlicher zu einem Spaltungsfaktor in Europa, besonders in der EU. Es werden Verpflichtungen im Sinne Chinas „erwartet“, das heißt: verlangt. Einladungen etwa an den Friedensnobelpreisträger Dalai Lama sind ein No-Go, und Ungarn blockiert Äußerungen der EU zu Menschenrechtsfragen in China.
In den durch China-Kredite in die Schuldenfalle geratenen asiatischen und afrikanischen Staaten regt sich Widerstand. In Europa und den USA organisiert sich Widerstand gegen die aggressive Übernahmestrategie des chinesischen Staates von ausländischen Betrieben, so sie für Chinas Entwicklung wertvoll sind.
Mehr Staaten stellen die Sicherheitsfrage
Chinas Staat steht auch hinter der 5G-Vernetzung der Welt durch den „Privat“-Giganten Huawei. Mehr und mehr Staaten stellen die Sicherheitsfrage, die aber unzureichend beantwortet wird.
Die Aushebelung der 1997 garantierten Autonomie Hongkongs war ein Sündenfall, der ein Umdenken besonders in der asiatischen Welt einleitete. Staaten, die mit Peking wegen der südchinesischen Inseln im Streit liegen, sehen China heute als Gefahr.
Alte Rivalität Indien – China neu entflammt
Indien, der alte Rivale Chinas im Wettbewerb „Wer ist die Nummer 1 auf dem asiatischen Kontinent?“, hat seine Politik gegenüber Peking völlig revidiert. Es kommt (wieder) zu bewaffneten Auseinandersetzung an der Himalaja-Grenze. Menschenleere Gletscher werden zu Kampfzonen.
Rüstung: China ist jenes Land, das in den letzten Jahren am meisten die Rüstungsausgaben gesteigert hat. Schwerpunkt sind Mittelstreckenraketen, die in die Nachbarstaaten reichen, sowie der Aufbau einer Kriegsflotte, die sich mit den USA messen kann.
Wird Taiwan das nächste Hongkong?
Chinas Führung ist der Ansicht, dass die US-Flotte im ostasiatischen Raum eigentlich nichts verloren hat. China würde ja auch keine Manöver im Golf von Mexiko abhalten, heißt es.
Taiwan: Mit dem Abwürgen von Hongkong ist auch die Taiwan-Frage wieder in den Vordergrund gerückt. Man fragt sich: Wird Taiwan das nächste Hongkong?
Pekings Konzept von der „friedlichen Wiedervereinigung“ durch „Ein Land, zwei Systeme“ lässt sich nach Hongkong in Taiwan nicht mehr verkaufen. Auch immer häufigere ausländische Politikerbesuche auf Taiwan – besonders aus den USA, um Peking zu ärgern – könnten Chinas Führung reizen, den Schwebezustand mit der „abtrünnigen Insel“ zu beenden.
Dann käme die Stunde der Wahrheit, wie es um den Schutz der USA für Taiwan wirklich bestellt ist. Er wurde nie klar dokumentiert und zuletzt immer mehr in Zweifel gezogen etwa: Ist Taiwan einen Krieg wert?
China ist nur eine „halbstarke“ Weltmacht
China stellt den Weltmachtanspruch, ist aber erst auf dem Weg dorthin, also nur „halbstark“. In so einer Phase äußern sich Anzeichen von Selbstüberschätzung.
Die USA haben zwar ihren Höhepunkt überschritten, bleiben aber noch weit ins 21. Jahrhundert hinein „im Spiel“. Auf das Amerikanische Jahrhundert folgt ein Pazifisches Zeitalter im Hightech-Wettbewerb mit den beiden Brennpunkten Shenzhen (Huawei) und Kalifornien (Silicon Valley).
Kurz Seinitz, Kronen Zeitung
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