Dafür oder dagegen?

Mercosur-Pakt: Parteien legen Positionen offen

Mercosur
03.10.2020 06:00

Es ist eine Schicksalsfrage für Österreich. Auf „Krone“-Anfrage legten die Parteien jetzt ihre Mercosur-Positionen offen. Inzwischen probt der Bauernbund den Aufstand gegen den Pakt!

„Die zur Stunde wütenden Rekordfeuer bringen den Amazonas an die Kippe. Ein Pakt durch die Hintertür würde den Todesstoß für die grüne Lunge des Planeten und unzählige bedrohte Arten bedeuten“, versuchte WWF-Artenschutzexperte Georg Scattolin am Freitag neuerlich die Dramatik der Situation vor Augen zu führen.

Rendi-Wagner: „Hier weichen wir keinen Milimeter zurück“
Bei den meisten heimischen Politikern ist diese Mercosur-Ökobotschaft, die letztlich auch Zehntausende Bauern in Europa um ihre Existenz bringen wird, angekommen. „Die Österreicher wollen kein Fleisch aus dem brandgerodeten Regenwald. Genau deshalb wurde im Parlament unser Ablehnungsantrag angenommen. Das gilt, und nichts anderes. Hier weichen wir keinen Millimeter zurück“, bekräftigt SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner das kategorische Nein der Sozialdemokraten.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: „Wir müssen unsere Bauern vor Zigtausenden Tonnen Fleisch aus Rinderfabriken schützen.“ (Bild: Kurt Prinz)
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: „Wir müssen unsere Bauern vor Zigtausenden Tonnen Fleisch aus Rinderfabriken schützen.“

Vor allem der jetzt von Greenpeace aufgedeckte Geheimplan der EU mit juristischen Tricks (Splitten des Vertrags und eine Art Beruhigungs-Beipackzettel, dass der Amazonas ohnehin geschützt wird), das rotweißrote Veto auszuhebeln, spornt den Öko-Widerstand weiter an.

„Wir sind für den Schutz unserer Bäuerinnen und Bauern und für gesunde heimische Lebensmittel, deshalb ein klares Nein zu Mercosur“, betonen auch Vizekanzler Werner Kogler und seine Umweltministerin Leonore Gewessler. (Bild: HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com)
„Wir sind für den Schutz unserer Bäuerinnen und Bauern und für gesunde heimische Lebensmittel, deshalb ein klares Nein zu Mercosur“, betonen auch Vizekanzler Werner Kogler und seine Umweltministerin Leonore Gewessler.
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist als Einzige dafür - immerhin fordert sie einen Neustart für das Mercosur-Abkommen. (Bild: NEOS)
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist als Einzige dafür - immerhin fordert sie einen Neustart für das Mercosur-Abkommen.

Hofer: „Müssen uns für Regionalisierung einsetzen“
Unmissverständlich klar daher FPÖ-Chef Norbert Hofer in seiner Stellungnahme gegenüber der „Krone“: „Was wir aus der Corona-Krise gelernt haben, ist wohl, dass wir uns für Regionalisierung und nicht für Globalisierung einsetzen müssen. Freihandel ohne moralische, soziale und ökologische Schranken müssen ohne Wenn und Aber gestoppt werden.“

FPÖ-Chef Norbert Hofer bekräftigt, dass er gegen „Mercosur in jeder Form“ ist, und zwar zum Schutz der heimischen Bauern und auch, weil er eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung befürchtet. (Bild: zwefo)
FPÖ-Chef Norbert Hofer bekräftigt, dass er gegen „Mercosur in jeder Form“ ist, und zwar zum Schutz der heimischen Bauern und auch, weil er eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung befürchtet.

Greenpeace-Chef: „Diesmal geht es um noch viel mehr“
Genau das ist es aber, was Greenpeace-Chef Alexander Egit und SPAR-Vorsitzender Dr. Gerhard Drexel Kanzler Sebastian Kurz massiv ankreiden: „Er lehnt Mercosur nur in der derzeitigen Form ab. Wir befürchten aber, dass der regenwaldzerstörende Pakt dann eben wie CETA, der Vertrag mit Kanada, durch die Hintertür daherkommt. Nur diesmal geht es um noch viel mehr!“

Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit (Bild: APA/BKA/Andy Wenzel)
Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit

Kurz: „Wollen kein Billigst-Ramschfleisch aus Südamerika“
Immerhin legt sich der Regierungschef fest: „Wir wollen kein hormonbehandeltes Billigst-Ramschfleisch aus Südamerika in unseren Verkaufsregalen. Wir bekennen uns klar zur Förderung unserer regionalen Lebensmittel. Und damit zu Wertvollem aus Landwirtehand.“

Kanzler Sebastian Kurz ist gegen das Handelsabkommen mit Brasilien - wörtlich aber nur in der „jetzigen Form“. Dafür wird er von Umweltorganisationen wie Greenpeace heftig kritisiert. Klare Forderung: eine Ablehnung dieses Pakts durch Kurz ohne Wenn und Aber! (Bild: Gabriele Moser)
Kanzler Sebastian Kurz ist gegen das Handelsabkommen mit Brasilien - wörtlich aber nur in der „jetzigen Form“. Dafür wird er von Umweltorganisationen wie Greenpeace heftig kritisiert. Klare Forderung: eine Ablehnung dieses Pakts durch Kurz ohne Wenn und Aber!

„Bauernaufstand“ gegen Mercosur
Inzwischen bahnt sich ein „Bauernaufstand“ gegen Mercosur an. Denn alle Agrarspitzen des Landes kämpfen jetzt Schulter an Schulter gegen das Abkommen mit Brasilien. Wie berichtet, will Brüssel dieses noch heuer - getrieben von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, der wiederum die deutsche Autoindustrie im Nacken sitzt - durchpeitschen.

An die Spitze des Widerstands haben sich Bauernbund-Boss Georg Strasser und Niederösterreichs Direktor Paul Nemecek sowie der türkise EU-Mandatar Alex Bernhuber (selbst von einem bäuerlichen Familienbetrieb stammend) gestellt: „Das Abkommen hätte schwerwiegende Folgen für die Bauern-Heimat.“

Bauernbund-Boss Georg Strasser lehnt Mercosur strikt ab! (Bild: Bauernbund)
Bauernbund-Boss Georg Strasser lehnt Mercosur strikt ab!

Brasilien-Pakt treibt Rübenbauern in Ruin
Eine ganze Flut an Pestizid-Produkten bedroht die Bauern! Nichts, was auf Österreichs Äckern und in den Ställen hoher Ökostandard ist, zählt für brasilianische Rinderbarone! Denn diese lassen den Regenwald brandschatzen, quälen ihr Vieh mit Wachstumshormonen und Antibiotika-Spritzen, die bei uns längst verboten sind.

Einer von vielen, der bangt: Rübenbauer Alex Scharinger (Bild: Imre Antal)
Einer von vielen, der bangt: Rübenbauer Alex Scharinger

Auch dürfen dort 149 (!) Pestizide versprüht werden, die in Österreich untersagt sind. Vor allem für unsere Rübenbauern steht die Existenz auf Messers Schneide: Denn Mercosur sieht eine höhere Importquote für minderwertigen südamerikanischen Zucker in die EU vor ...

Mark Perry, Kronen Zeitung

Kommentar: Schicksalsfrage dieser Koalition!
Bei der Regierungserklärung Anfang Jänner erörterte Sebastian Kurz, „es ist gelungen, das Beste aus beiden Welten zu vereinen“ und „es ist möglich, das Klima und die Grenzen zu schützen“. Die Grenzen werden eifrig geschützt und verzweifelte, unbetreute Kinder aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria im Stich gelassen. Die Grünen tragen das „Beste aus der Welt der ÖVP“ gegen ihre Überzeugung mit.

Und wie sieht’s mit dem „Besten aus Klima- und Umweltschutz“ aus? Trägt die ÖVP das „Beste aus der Welt der Grünen“ mit und hält ihr Koalitionsversprechen? Noch wurde das Glyphosatverbot nicht umgesetzt, die Plastikflut nicht gebremst und für einen Beschluss des Mercosur-EU-Abkommens steht die Hintertür sperrangelweit offen. Dabei hat uns die Corona-Krise überdeutlich gezeigt, wie wichtig regionale Lebensmittel sind. Soll der Dank dafür ein Abkommen für Bauernsterben sein, das noch dazu mit der Vernichtung des Amazonas einhergeht?

Hinter verschlossenen Türen wird für den Mercosur-EU-Pakt zurzeit nach dem Vorbild von CETA (dem EU-Kanada-Pakt) eine unverbindliche Zusatzerklärung zum Amazonasschutz verhandelt, die das Papier nicht wert ist, auf dem sie geschrieben ist. Die Bundesregierung muss dem Pakt ohne Wenn und Aber eine Absage erteilen und um Bündnispartner in Europa werben. Denn sonst könnte es sehr bald passieren, dass die Koalitionspartner sich durch das Schlechteste aus beiden Welten wieder voneinander trennen …

Kommentar von Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace

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