Zahlen exlodieren
Tschechien: Vom Musterschüler zum Sorgenkind
Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie hat Tschechien noch als Musterland gegolten - die erste Welle hatte unser Nachbarland im Frühjahr schnell in den Griff bekommen. Ein paar Monate später explodieren die Infektionszahlen geradezu. Mittlerweile ist Tschechien zum Sorgenkind mit dem schnellsten Pro-Kopf-Anstieg in Europa geworden - wie konnte es so schnell so weit kommen?
Ein Rekord jagt derzeit den nächsten, was die Corona-Zahlen in Tschechien betrifft. Das 10,7-Millionen-Einwohner-Land hatte am Mittwoch 5335 Neuinfektionen verzeichnet - beinahe 1000 mehr als am Tag davor. In Österreich sind es zum Vergleich „nur“ gut 1200 Infektionen bei 8,8 Millionen Einwohnern.
Die Vorsicht, mit der die Tschechen gut durch die erste Pandemie-Welle tauchten, ist mittlerweile offenbar verflogen - die fehlende Disziplin fällt unter anderem in der U-Bahn in Prag auf, wo viele Fahrgäste ihre Maske unter der Nase oder dem Kinn tragen.
Ministerpräsident stoppte strengere Maßnahmen im Sommer
Noch im August zeigte sich die Regierung auch noch unbesorgt, was den neuartigen Erreger betrifft. Trotz Empfehlungen von Experten wurde auf zusätzliche Schutzmaßnahmen verzichtet. Ministerpräsident Andrej Babis griff sogar persönlich ein, um die bereits angekündigten Restriktionen zu kippen. Angesichts der Regional- und Teilsenatswahlen Anfang Oktober hatte er offenbar Angst, Wähler zu verärgern.
Im September, als die Infektionszahlen in die Höhe schossen, gestand Babis ein, dass „wir alle“ Fehler gemacht hätten. Der damalige Gesundheitsminister Adam Vojtech trat zurück, seinen Platz nahm der angesehene Epidemiologe und Oberst a.D. Roman Prymula ein. Doch auch dieser Experte ist ob der Explosion der Neuansteckungen in den vergangenen Tagen nervös - er zog strengere Maßnahmen vor, ohne, wie ursprünglich geplant, die Entwicklung abzuwarten. Der Minister wurde selbst von der Überschreitung der Marke von 4000 Neuinfektionen täglich überrascht.
Gästeanzahl bei privaten Feiern wird wohl weiter eingeschränkt
Der Gesundheitsminister will nun eher die Freizeit- und nicht die Wirtschaftsaktivitäten einschränken. Die Medien spekulieren über eine komplette Schließung von Bars, Fitnesszentren und die Absage von Kulturveranstaltungen. Weiter beschränkt könnte die Zahl von Personen werden, die - auch im privaten Rahmen - zusammentreffen dürfen. Auch wolle die Regierung verhindern, dass sich Menschen in der Familie anstecken. Deswegen sollten einige Hotels bereitstehen, jene aufzunehmen, die sich vorübergehend von ihrer Familie freiwillig isolieren möchten, heißt es.
„Letzter Versuch“ vor Lockdown
Sowohl Prymula als auch Vizepremier und Innenminister Jan Hamacek bestritten, dass am Freitag ein Lockdown ausgerufen werden könnte. Für die Zukunft schloss das Prymula aber nicht ganz aus. Die neuen Maßnahmen, die am Freitag angekündigt werden, seien der „letzte Versuch“, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. „Wenn das nicht hilft, dann gibt es nur noch einen Weg: Lockdown“, warnte der Gesundheitsminister.
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