Zahlreiche Mythen ranken sich um den großen Dichter des Mittelalters, Ulrich von Liechtenstein. In seinem Roman berichtet er etwa über einen chirurgischen Eingriff, um seiner Angebeteten zu gefallen. Aber es gibt auch „reale“ Lebensspuren in Graz.
„Herr Ulrich von Liechtenstein war ein Prasser. So trank er - wird berichtet - vom Wasser, in welchem sich seine Liebste gebadet. Und niemals, heißt es, hat’s ihm geschadet.“
Mit Augenzwinkern berichtet ein Wiener Journal seinen Lesern im Jahr 1908 von der nicht ganz appetitlichen Vorliebe, die man dem überregional bekannten steirischen Dichter und Promi-Politiker des Mittelalters zuschrieb. Der um das Jahr 1200 geborene Ulrich berichtet ja selbst davon, und zwar in seinem Hauptwerk „Frauendienst“. Der mit 58 Minneliedern „gespickte“ Roman wurde im Laufe der Geschichte immer wieder missverstanden; meist als Autobiographie des Adeligen aus dem Murtal. Kein Wunder: Ulrich schildert seine Abenteuer, die er als furchtloser Ritter im Liebesdienst seiner edlen Angebeteten unternimmt, ja auch aus der Ich-Perspektive.
So geht die Kunstfigur Ulrich, das Alter Ego des Autors, auf Turnierfahrt durch die Steiermark. Dabei verkleidet sich der Liechtensteiner sogar als Frau - und kämpft hoch zu Ross als männliche Liebesgöttin Venus. Man könnte meinen, der Minneheld spielte eine „Drag Queen“ des Mittelalters. Das alles, um Eigenwerbung zu betreiben; gerade, weil er sich selbst nicht ganz so tierisch ernst nimmt.
Sein Hauptwerk wurde häufig missverstanden
Aber zurück zu den Missverständnissen: Dass Ulrich tatsächlich genüsslich die Badewanne seiner höhergestellten Dame ausgetrunken habe, stimmt nicht. Im Laufe der Jahrhunderte wurde in diese „Frauendienst“-Episode ein bisschen zuviel hineininterpretiert. Tatsächlich schlürfte der Romanprotagonist Ulrich, über beide Ohren verliebt, eine kleine Schale Wasser leer, in der sich die Minneherrin zuvor gerade die Hände gewaschen hatte. Ganz hygienisch vor dem Essen im Rittersaal.
Aber es ranken sich auch weitere Mythen um den hohen Landesbeamten, der im Jahr 1272, am Höhepunkt seiner Karriere, sogar Landrichter war. Gleichsam ein Vorgänger des Landeshauptmannes. Er unterzog sich der ersten Schönheitsoperation des Mittelalters hierzulande, weil der unerreichbaren Geliebten seine angebliche Hasenscharte nicht gefiel. In Graz legte er sich dafür unter das Messer. Zudem ließ er sich den Finger abhacken und übersandte ihn in einem Paket als Geschenk an die Dame. All das zumindest in der Fiktion seines Hauptwerkes.
Damit hat sich Ulrich selbst zum Mythos stilisiert - und ist so 754 Jahre nach seinem Tod unsterblich.
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