NC-Kopfhörer im Test

„Sony WH-1000XM4“: Und plötzlich war es still

Elektronik
17.10.2020 05:59

Und plötzlich: Stille. Kein Klackern und Klicken von Tastatur und Maus mehr, kein Fernseher aus dem Wohnzimmer und sogar die bis eben noch schreienden Kinder auf dem Spielplatz vor dem Balkon sind auf einen Schlag überraschend leise. Wie ihre Vorgängerin leistet auch die vierte Generation von Sonys Noice-Canceling-Kopfhörer WX-1000X in Sachen Geräuschreduktion Überragendes. Ein paar neue Tricks hat der WH-1000XM4 aber doch noch auf Lager - welche, verrät unser Test.

Sonys WH-1000XM3 galt bis dato gemeinhin als der beste Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung am Markt. Seit wenigen Wochen ist mit dem 1000XM4 der Nachfolger erhältlich. Der Einführungspreis blieb gegenüber dem Ende August 2018 eingeführten Vorgänger mit 379 Euro (UVP) gleich - da stellt sich die Frage: Was kann der neue Kopfhörer besser als der alte? Und: Lohnt sich die Investition? Zumal die dritte Generation des WH-1000X inzwischen für um die 250 Euro und damit mehr als 100 Euro günstiger als die aktuelle Version erhältlich ist.

Design
In puncto Design hat sich zunächst wenig getan, nur eine Kleinigkeit sticht ins Auge: Ein Näherungssensor in der Ohrmuschel erkennt, ob der Kopfhörer in Verwendung ist oder nicht und hilft so dabei, Strom zu sparen. Ansonsten sind Vorgänger und Nachfolger de facto ident - was keineswegs negativ zu bewerten ist. Mit einem Gewicht von rund 250 Gramm ist der WH-1000XM4 ebenso angenehm leicht und bequem zu tragen wie sein Vorgänger und wie dieser äußerst platzsparend zusammenklappbar. Kein Vergleich zur „Hutschachtel“ des unlängst getesteten Aonic 50 von Shure.

Akkulaufzeit
Gleich geblieben ist auch die Akkulaufzeit. Die liegt dem Papier nach wie beim 1000XM3 unverändert bei bis zu 30 Stunden mit aktiver Geräuschunterdrückung und bis zu 38 Stunden ohne - Werte, die sich mit unseren praktischen Erfahrungen im Alltag decken und nach wie vor sehr gut bzw. mehr als ausreichend sind. Mehr Akkukapazität wäre aber zweifelsohne immer wünschenswert. Geladen wird der Kopfhörer wie gewohnt mittels beiliegendem USB-C-Kabel, binnen drei Stunden sind seine Reserven wieder vollständig aufgefüllt. Dank Schnellladefunktion reichen jedoch bereits zehn Minuten am Netz für weitere fünf Stunden Musikwiedergabe.

Touch-Steuerung
Der bereits vom 1000XM3 bekannten Touch- bzw. Gestensteuerung bleibt Sony auch beim 1000XM4 treu. Das Wischen und Tippen zur Lautstärkeanpassung und Track-Auswahl funktioniert nicht nur problemlos, sondern vor allem intuitiv und erweist sich somit als echter Vorteil gegenüber der mitunter mühseligen Suche nach der passenden Taste bei so manchem Konkurrenzprodukt.

Geräuschunterdrückung
Verbesserungen verspricht Sony bei der aktiven Geräuschunterdrückung. Die soll jetzt vor allem bei der Reduzierung hoher und mittlerer Frequenzen zuverlässiger arbeiten und somit etwa Gespräche besser filtern. Angesichts der ohnehin schon sehr guten Ergebnisse des Vorgängers in diesem Bereich dürfte eine Unterscheidung den meisten Nutzern allerdings schwerfallen. Ein Eigenrauschen ist ohnehin selbst in ruhiger Umgebung kaum wahrzunehmen. Über die neuerdings mit „Custom“ statt wie vormals mit „NC/Ambient“ beschriftete Taste kann schnell zwischen den drei NC-Modi (On, Ambient, Off) oder einem Sprachassistenten wie dem Google Assistant oder Amazons Alexa gewechselt werden.

Klang
Zur Verbesserung des Klangs greift Sony beim 1000XM4 auf die aktualisierte Version seiner Audio-Upscaling-Technologie DSEE, jetzt mit dem Zusatz „Extreme“ versehen, zurück, um Klangverluste, die durch digitale Komprimierung entstehen, besser auszugleichen und so ein „originalgetreues Hörerlebnis“ zu ermöglichen. In der Praxis lässt sich dazu nur eines sagen: Der 1000XM4 klingt wie sein Vorgänger sehr gut und liefert ein ausgewogenes, verzerrungsfreies Klangbild. An den bereits erwähnten, allerdings noch einmal teureren Shure-Kopfhörer reicht das Sony-Modell jedoch nicht ganz heran. Im direkten Vergleich zu diesem fehlt es an etwas mehr Klarheit.

Bluetooth Multipoint
Die größten Veränderungen betreffen jedoch kleine Details, die unterm Strich aber zu einem insgesamt besseren Benutzererlebnis beitragen. Eines davon: Der 1000XM4 kann via Bluetooth gleichzeitig mit zwei Geräten verbunden werden, etwa dem Smartphone und einem Computer. Hört man auf diesem Musik und erhält einen Anruf, schaltet der Kopfhörer automatisch auf das Smartphone um, um den Anruf entgegenzunehmen und wechselt wieder zurück, sobald das Telefonat beendet ist. Praktisch.

Näherungssensor
Gleiches gilt für den bereits erwähnten Näherungssensor, der die Wiedergabe bei Abnahme des Kopfhörers automatisch pausiert und fortsetzt, sobald die Ohrmuschel wieder auf dem Ohr sitzt. Per dazugehöriger App lässt sich definieren, wie lange der 1000XM4 pausiert, ehe er sich ganz abschaltet.

(Bild: Sony)

Speak to Chat
Neu ist auch, dass sich der sogenannte Umgebungsmodus nun nicht nur wie gewohnt durch Abdeckung der linken Ohrmuschel mit der Hand aktivieren lässt, sondern auch automatisch, sobald der Träger bzw. die Trägerin zu sprechen beginnt. Im Test klappte dies erstaunlich gut, mitunter genügte allerdings schon ein lauteres Räuspern, um die sogenannte Speak-to-Chat-Funktion zu aktivieren. Wie sensibel der Kopfhörer reagiert, lässt sich per App festlegen, ebenso wie die Dauer, nach der die Musikwiedergabe nach den letzten gesprochenen Worten wieder fortgesetzt werden soll. Standardmäßig vorausgewählt sind 30 Sekunden. Die eigene Stimme klingt über die integrierten Mikros des Kopfhörers sehr blechern - wer zu faul ist, den Kopfhörer für ein kurzes Gespräch abzunehmen, dürfte sich über diese Funktion dennoch freuen und darüber hinwegsehen bzw. -hören können.

360 Reality Audio
Neu ist auch, dass der 1000XM4 das Sony-Format 360 Reality Audio unterstützt, dass den Hörer „so intensiv in die Musik eintauchen lassen“ soll, „als würde er in der ersten Reihe vor seinen Lieblingsmusikern sitzen“, wie der Hersteller verspricht. Dass dafür die eigenen Ohrmuscheln abfotografiert und analysiert werden müssen, hat gewissen Unterhaltungswert. Noch unterstützen allerdings nur wenige, kostenpflichtige Streaming-Dienste das Format, weshalb es aktuell wohl eher weniger kaufentscheidend sein dürfte. Da ein Kopfhörer zumeist jedoch eine Investition auf Jahre ist, ist man mit dem Sony entsprechend gerüstet.

Fazit: Ein bereits sehr gutes Produkt entscheidend zu verbessern, ist schwer. Sony konzentriert sich bei seinem 1000XM4 vor allem auf kleine Optimierungen im Detail, die für sich betrachtet vielleicht nicht spektakulär sind, in Summe aber für größeren Benutzerkomfort sorgen. Vollgepackt mit Features und dank seiner hervorragenden Geräuschunterdrückung, gepaart mit ausgezeichnetem Klang, dürfte somit auch die neueste Generation von Sonys NC-Kopfhörer keine Wünsche offenlassen. Wer auf Neuerungen wie die Speak-to-Chat-Funktion, Bluetooth-Multipoint-Verbindungen und den Näherungssensor verzichten kann, darf jedoch auch ruhigen Gewissens zum mehr als 100 Euro günstigeren Vorgänger greifen - zumindest so lange der Vorrat noch reicht.

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