Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei.
Annie - Dark Hearts
Den Soundtrack für einen Film zu kreieren, den es noch gar nicht gibt - das war das große Ziel der norwegischen Pop-Queen Annie, die in ihrer Heimat durchaus ein großer Promi ist. Auf ihrem Drittwerk „Dark Hearts“ begeistert sie einmal mehr mit mainstreamiger Pop-Vielfalt, verzettelt sich dabei aber auch immer wieder. Mit dem Opener „In Heaven“ taucht sie in paralysierende Synthwave-Gefilde, nur um auf „The Streets Where I Belong“ plötzlich einen Springsteen-Beat in den Vordergrund zu stellen. Der Titeltrack ist mit seiner Schema-F-Komposition der erste Warnruf, auch „Corridors Of Time“ oder „Bomb“ plätschern eher beliebig daheim. Obwohl sich Annie samt Produzent Stefan Storm mit viel Liebe in die dekadenten 80er wirft, fehlt ihr auf Langstrecke einfach die Ideenvielfalt, um den Spannungsbogen dauerhaft gespannt zu halten. Der irgendwo zwischen John Hughes- und David Lynch-Filmen mäandernde Sound macht trotz allem Spaß. 7/10 Kronen
Autechre - Sign
Warp Records und Autechre - diese Kombination passt zusammen wie die viel zitierte Faust aufs Auge. Das britische Experimental-Electronic-Duo bestehend aus Sean Booth und Robert Brown revolutioniert seit mittlerweile 33 Jahren die Szene und bastelt frei nach dem Credo „Stillstand bedeutet Rückschritt“ Songcollagen, die nicht immer sonderlich zugänglich, aber stets szenebahnbrechend erklingen. Noch viel mehr als Aphex Twin oder The Orb entführen die zwei Heilsbringer aus Manchester in labyrinthartige Soundsphären, die sich bewusst jedweder klanglichen Logik entziehen. Umso überraschender, dass die auf ihre alten Tage offensichtlich die Liebe zur Zugänglichkeit entdecken und die Songs auf „Sign“ überraschend human geraten sind. Natürlich ziehen Autechre noch immer einen Mahlstrom der Klangvielfalt, aber man kann den metaphorischen Taschenrechner zumindest eingesteckt lassen. Ist ja auch schon mal was. 7,5/10 Kronen
Beabadoobee - Fake It Flowers
Bedroom-Pop und Slacker-Rock - das eine relativ neu und durch Billie Eilish erfolgreich in die Welt gefeuert. Das andere unverzichtbar in den 90er-Jahren und zusehends wieder in der unabwendbaren Revival-Schleife zu verorten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis aus diesen Stilen ein Hybrid erwächst. Beabadoobee aka Beatrice Laus ist derzeit eine der meistgehypten Künstlerinnen im Indie-Segment. Als sie einst von der Schule flog tauschte sie sieben Jahre Geigenunterricht gegen die Gitarre, erlernte sich Akkorde via YouTube-Tutorials und eroberte mit fünf EPs die Underground-Welt. Das Debütalbum „Fake It Flowers“ vereint nun alle ihre Stärken: den dreckigen Grunge von Nirvana, die Lo-Fi-Stimmung von Elliot Smith, Teenage Angst („Emo Song“, „How Was Your Day?“), Sonic Youth, Pavement, die Stone Roses und Soccer Mommy. Volltreffer! 8/10 Kronen
Benediction - Scriptures
Hach ist das schön, wenn man alte Helden plötzlich wieder in alter Form begrüßen darf. Die britische Death-Metal-Walze Benediction zählte zwar niemals zur ersten Genre-Liga, hat aber mit Frontmann Dave Ingram ein paar der wichtigsten Szene-Alben der 90er veröffentlicht. Ebenjener ist nach genau zwei Dekaden Abwesenheit letztes Jahr wieder in den Schoß seiner alten Heimat zurückgekehrt und hat mit ihnen „Scriptures“, das erste Studioalbum seit unglaublichen zwölf Jahren eingeholzt. Vom unwiderstehlichen Groove in „Stormcrow“ über den schwedisch angelehnten Uffta-Beat in „Progenitors Of A New Paradigm“ bis hin zu fein eingestreuten Old-School-Punk-Einflüssen und dem wuchtigen „The Crooked Man“ schöpfen sie aus dem Vollen der eigenen Vergangenheit. So ein Album mit alten Meisterwerken in Relation zu setzen ist immer gefährlich, aber so frisch klangen die alten Herren aus Birmingham in diesem Jahrtausend noch nie. Gelungen! 7,5/10 Kronen
Matt Berninger - Serpentine Prison
Wenn man sich unter Kritikern, Fans und auch Mitmusikern so viele Lorbeeren verdient, dann kann man für sein Solodebüt schon mal aus der Cremé de la Cremé picken. The National-Frontmann Matt Berninger hat sich seinen jahrelangen Traum von einem Solowerk endlich erfüllt und trifft mit „Serpentine Prison“ ins Volle. Produziert hat der große Booker T. Jones, zu hören sind Könner wie sein National-Kollege Scott Devendorf, Andrew Bird, Walter Martin von den Walkmen oder David Bowies Bassistin Gail Ann Dorsey. Die Songs selbst kleiden sich passend in ein kühles Herbstgewand und zeigen Berninger mit seiner düsteren Bariton-Stimme in Top-Form. Zwischen Songs wie dem elegischen „Distant Axis“, dem fast schon wüsten-rockigen „Loved So Little“ und einer elegische Harmonieausführung wie in „Silver Springs“ bleibt Zeit zum Nachdenken und Reflektieren. „Serpentine Prison“ ist wie The National, nur mit weniger Rotwein und mehr Ingwertee. 7,5/10 Kronen
Tyler Bryant & The Shakedown - Pressure
Echte Vollblutrocker befinden sich ohnehin permanent im Songwriting. So war das auch bei Tyler Bryant und seinen Shakedown, die zwar erst letztes Jahr ihr starkes Rockalbum „Truth & Lies“ veröffentlichten, aber nie so richtig mit dem Kreativprozess aufhörten. Corona-bedingt erscheint „Pressure“ nun also schon relativ kurz danach - man hat ja derzeit sonst nichts zu tun. Für ein klassisches „Corona-Album“ ist das Viertwerk des Nashville-Kollektivs zum Glück viel zu gut geraten, dass man Songs wie „Hitchhiker“, „Automatic“ oder „Loner“ aufgrund der kurzen Zeitspanne aber auch nicht sonderlich lange reifen lief, lässt sich nicht leugnen. Die von zahllosen Touren mit AC/DC, Guns N‘ Roses oder Aerosmith gestählten Vollblutrocker haben aber natürlich genug Gespür, um sich zeitlos riffend zwischen Classic Rock, Glam Rock und hemdsärmeligem Hard Rock festzusetzen. Die Gaststimme von Larkin Poes Rebecca Lovell auf „Crazy Days“ hätte es gar nicht mehr gebraucht, aber gut, sie ist ja die Angetraute von Bryant. Mehr als solide, aber es geht schon noch besser. 7/10 Kronen
Helena Deland - Someone New
Nach fünf (!) EPs war es für die junge Kanadierin Helena Deland auch wirklich einmal an der Zeit, mit einem richtigen Debütalbum in den Markt zu grätschen. Schon bislang wurden ihre Songs millionenfach gestreamt, es gab eine fruchtbare Kooperation mit JPEGMAFIA und sie begleitete den großen Iggy Pop und Weyes Blood auf Tour, als es noch Touren und Livekonzerte im normalen Rahmen gab. Nun gibt es die Songs des folk-basierten Electropop also endlich zusammengefasst und „Someone New“ kann die Vorschusslorbeeren glücklicherweise ziemlich gut bestätigen. Über 13 Songs hinweg mäandert sie zwischen große Verletzlichkeit, Melancholie, Angel Olsen-Vibes und - wie etwa in „Pale“ - dunkler Tanzflächenelektronik. Mit „Someone New“ gelingt tatsächlich ein Debüt, das den Indie-Pop durch seine Authentizität und Frische noch einmal aufrollen kann. Eine echte Perle! 8/10 Kronen
Christopher von Deylen - Colors
Für die Welt der Elektronik war und ist der Deutsche Schiller ein unverzichtbares Unikum. Auch wenn in unseren Breitengraden niemals den Ruhm und Respekt seiner Heimat erreichen konnte, gelten seine Arbeiten als inspirierend und bahnbrechend zugleich. Dass es zu einem radikalen Stilbruch kommen muss, wenn er sich nun unter eigenem Namen ans Werk macht, ist zu einem gewissen Teil korrekt. „Colors“ ist nämlich die erste wirklich intensive Erkundung des Zwischenspiels von melodiösen Klavier-Miniaturen und elektronischen Klang-Panoramen. Dafür zog sich Christopher von Deylen bewusst in die Natur zurück, um sich das durchaus digitale Klangbild erst einmal analog zu visualisieren. Der Soundtrack zur neuen Energie und Sehnsuchtszuflucht kommt mal kantiger, mal elegischer ums Eck - ist aber trotz allem immer „Schiller“. Gut so! 7/10 Kronen
Health - Disco4 :: Part I
Achtung, wichtige Info: „Disco 4 :: Part I“ ist kein brandneues Studioalbum der elektronischen Klangzauberer aus den USA. Nur der famose Opener „Cyperunk 2.0.2.0“ ist als Verkaufsverstärkung wirklich neu komponiert, der Rest ist eine auf Albumlänge fortgeführte Fortsetzung der beliebten Tradition, auf jedes bisherige Album einen Remix draufzuknallen. Dieses schöne Teil besteht nun eben nicht aus Remix-Versionen von Health-Songs, die ihnen besonders gut gefallen haben. So wird „Body/Prison“ genial vom Synthwave-Durchstarter Perturbator interpretiert, der hippe Ghostemane veredelt „Judgement Night“, Xiu Xiu begeistert auf „Delicious Ape“ und Youth Code bei „Innocence“. Die Tracks mäandern zwischen düsterer Nine Inch Nails-Ehrerbietung und knallbuntem EDM der Breakcore-Skrillex-Ära und bieten ein sehr buntes Panoptikum unterschiedlichster elektronischer Klangsegmente. Ein wundervolles Szene-Liebhaberstück. Ohne Bewertung
I Don‘t Know How But They Found Me - Razzmatazz
Es irgendwie allen recht zu machen ist in der heutigen Musikwelt einfacher denn je. Die Hörgewohnheiten der jungen Menschen sind so mannigfaltig, dass eben die Qualität zählt und nicht mehr das Genre per se. Wie sinnlos Genres sind, beweist etwa dieses neue Projekt von Multi-Instrumentalist Dallon Weekes, den man in erster Linie von der Emo-Star-Band Panic! At The Disco kennt. Über Sinn und Praktikabilität des meist auf „iDKHOW“ abgekürzten Bandnamen kann man breitflächig diskutieren, mit seinem eklektischen Pop trifft er am Debüt „Razzmatazz“ den Zeitgeist mitten ins Herz. Hier huldigt er den ach so trendigen 80ern so schön, dass es eine Freude ist. Manchmal würzt sich der Mainstream-Pop samt Indie-Appeal mit Arctic Monkeys-Anleihen, „Clusterhug“ kokettiert mit einem Musical, auf „From The Gallows“ versucht das Duo (samt Drummer Ryan Seaman) sogar den allmächtigen Queen zu huldigen. Manchmal rückt der Sound etwas zu sehr ins Nintendo-hafte, aber Spaß macht es allemal. 7,5/10 Kronen
Inter Nubes - Dogmatic
„Dogmatic“ ist nur eine Abkürzung, weil der originale Albumtitel „The Human Being And It’s Dogmatic Interference With Nature“ sämtliche Rahmen im Titel sprengen würde. Der Name ist Programm, denn den Wienern geht es um hochaktuelle Themen wie Klimaprobleme, Korruption, Dekadenz und diese, unsere Welt, die immer mehr aus den Angeln gerät. Das geht noch eindeutiger aus Songtiteln wie „Western World’s Decline“, „Age Of Sin“ oder „Polar Noise“ hervor, die wenig Raum zur Missinterpretation lassen. Mit ihrem „Head-In-The-Clouds-Rock“ fahren Inter Nubes auch auf ihrem Zweitwerk allein auf weiter Spur. Die Selbsteinschätzung, man würde Alternative Rock von A Perfect Circle bis Frank Zappa machen soll dann aber doch eher als alphabetische Klammer, denn als Richtungsentscheidung gedeutet werden. An die doch etwas dünne Stimme muss man sich gewöhnen, ansonsten erklingt „Dogmatic“ progressiv, überraschend und vielseitig. 6/10 Kronen
Low Cut Connie - Private Lives
Eigentlich eine Schande, dass Low Cut Connie hierzulande ein eher unspektakuläres Nischendasein fristen, immerhin hatte Ex-US-Präsident Barack Obama die Songs der Band aus Philadelphia auf seiner Playlist und Sir Elton John ist ganz verrückt nach dem Heartland-Rock, der aber nicht so altersmilde wie Bruce Springsteen klingt, sondern deutlich mehr Ecken und Kanten aufweist. „Private Lives“ ist sogar ein 17 Songs starkes Doppelalbum des Quasi-Soloprojekts von Adam Weiner, der sich zum zehnjährigen Bandjubiläum nicht lumpen lässt und im Prinzip alle Stärken prominent in den Vordergrund kehrt. Geschickt und leichtfüßig springt er zwischen modernem Americana, herzhaftem Rock und Big-Band-Sound hin und her und verliert dabei nie den Faden. Dringende Hörempfehlung! 8/10 Kronen
Mad Caddies - House On Fire EP
Momentan brennt es an allen Ecken und Enden lichterloh, bei den Ska-Legenden Mad Caddies ist gleich das ganze „House On Fire“. Mit einem neuen Studioalbum müssen wir uns hier noch gedulden, aber die fünf Songs auf dieser EP sollten den Warteschmerz etwas lindern. Auch wenn schon der Opener „Let It Go“ mit seiner sehr getragenen Reggae-Ausrichtung nicht unbedingt gleich zum großen Stimmungmachen lädt. Die Radiotauglichkeit von Nummern wie „Waiting For The Real Thing“ oder „Dogs Of War“ ist überraschend stark ausgeprägt, ein bisschen mehr Feuer unterm Hintern würde den Kaliforniern in Zeiten wie diesen aber guttun. Ohne Bewertung
Mayday Parade - Out Of Here EP
Hach wie tröstlich und angenehm sind Emo-Punk-Klänge an verregneten Herbsttagen wie diesen? Beim Florida-Gespann Mayday Parade lässt es sich auf der EP „Out Of Here“ gleich wunderbar in den nächsten Sommer vorverreisen, wenn auch nur für drei kurze Songs lang. Dass zwei Jahre nach dem Studioalbum „Sunnyland“ nicht mehr als gut zehn Minuten Material herausschauen ist trotzdem eine kleine Frechheit. Aber gut, besser als nichts. Dieses kleine Häppchen wird Fans der großen Namen (Blink-182, Sum 41) ebenso wohlig die Kehle runterrinnen wie jener der Underground-Fraktion (Set Your Goals, The Dangerous Summer). Zurücklehnen, genießen, auf Repeat drücken. Ohne Bewertung
Molasses - Through The Hollow
Den Einfluss der Holländer The Devil‘s Blood auf die europäische Okkult- und Dark-Rock-Szene kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Mastermind Selim Lemouchi nahm sich viel zu früh das Leben, Schwester und Lebensmensch Farida wurde vom renommierten holländischen „Roadburn“-Festival immer wieder angefragt, 2019 zum fünften Todestag aufzutreten und seiner Legende zu huldigen. So stellte sie dafür mit Molasses eine Band zusammen, der nun zur Überraschung aller ein lange Leben beschieden ist. Mit dem Sound der Kultband hat das hier freilich wenig zu tun. Avantgarde, Progessive Rock, ja, sogar Jazz-Anleihen findet man im bunten Molasses-Dunstkreis und muss - auch aufgrund der meist überlangen Songs - schon besonders aufmerksam sein. Molasses vereinen Kompostionsfähigkeiten, Kunst und eine zauberhafte Imagination. Nur Geduld braucht man, dann fließt man rein. 7/10 Kronen
Kevin Morby - Sundowner
Er gehört zu den profundesten und besten Geschichtenerzählern aus den USA und hat sich nicht umsonst einen fixen Platz in der globalen Americana- bzw. Singer/Songwriter-Szene erarbeitet. Kevin Morby erforscht auf seinen meist sehr ruhigen Alben unterschiedliche Plätze und Stimmungen und ist für „Sundowner“ am Land angekommen. Das Album spiegelt die Vorzüge und Nachteile von Kansas City wider, wofür er den künstlerischen Schmelztiegel Los Angeles vor nicht allzu langer Zeit verließ. Die Mischung aus Autobiografischem und Fiktionalem trägt er meist schlicht mit Akustikgitarre vor, das kühle, fast an Jack White erinnernde Stimmtimbre trägt die Emotionen aber auch ohne technische Behelfsmittel. „Sundowner“ ist ein entschlacktes Album zum Schwelgen und Träumen. Hohe Kunst im reduzierten Raum. 7,5/10 Kronen
Elvis Perkins - Creation Myths
Katie Melua, Kevin Morby, Matt Berninger - es ist wirklich die Woche der Ruhe und Gemütlichkeit. In diese Phalanx an passenden Herbstalben stößt auch der New Yorker Elvis Perkins, dessen Eltern Anthony Perkins und Berry Berenson ihm in punkto Bekanntheitsgrad noch etwas über sind. „Creation Myths“ ist das erste Album nach fünf Jahren und beeindruckt wieder einmal mit stoischer Ruhe und instrumentaler Reduktion. Irgendwo zwischen britisch prasselndem Regen auf Herbstlaub und einer Weites-Land-Atmosphäre in Kentucky sind die langen, stets entspannten Songs angesiedelt, die manchmal mehr nach psychedelischen Beatles und dann wieder nach US-Westküsten-Folk erklingen. Ein bisschen mehr Feuer hätte den Songs zwischendurch nicht geschadet, auch wenn sich die Nummern gemütlich durch die Gehörgänge schälen. Perkins ist ein famoser Interpret, dem es aber ein bisschen an Abwechslungsreichtum fehlt. 7/10 Kronen
The Screenshots - 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee
Susi Bumms, Dax Werner und Kurt Prödel sind große Twitter-Stars in Deutschland, die berühmte Fans wie Thees Uhlmann, Jan Böhmermann oder Klaas Heufer-Umlauf haben, mit ihrer Popularität längst über diese Grenzen hinaus zu uns rüberstrahlen und mit Auftritten beim „Neo Magazin Royale“ auch in einer größeren Breite auffällig worden. Nach der „Europa“-LP ist „2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee“ das zweite Studioalbum und sprudelt förmlich über vor akkurater Zeitgeistigkeit. Der Sound mäandert geschickt zwischen Anarcho-Pop, Rotzrock und leichten Punk-Anleihen, inhaltlich wird natürlich die spitze Feder geschwungen. In Songs wie „Airbnb“, „Snacks“, „Wir lieben uns und bauen uns ein Haus“ werden ganz profane Alltagsthemen und -probleme aufs Parkett gelegt und mit viel Doppelbödigkeit seziert. Ein erfrischendes Album, das mit gut 30 Minuten auch die ideale Länge aufweist. 7/10 Kronen
Spirit Adrift - Enlightened In Eternity
Der Hype um die sogenannten „Echtmetall“-Band Spirit Adrift nimmt in ihrer Heimat, den USA, mittlerweile solche Ausmaße an, dass sie sogar einschlägige Szene-Magazincover einnehmen. Das ist natürlich großartig, denn irgendwann kann man halt nicht mehr nur Iron Maiden, Judas Priest und Slayer großflächig präsentieren. Und es ist auch verdient, denn das vierte Album „Enlightened In Eternity“ ist wohl die endgültige Adelung ihres bislang unaufhaltsam famosen Soundweges. Songwriter Nate Garrett hat ein untrügliches Gespür für Hymnen, die mal zähflüssig wie im Doom wabern, meist aber doch den traditionellen Heavy Metal ehren. Zwischen Metallica, Manowar und Black Sabbath ist hier definitiv Platz für eine junge Band, die sehr hungrig ist. „Astral Levitation“ und der üppige Closer „Reunited In The Void“ sind Göttergaben. Grandios! 8/10 Kronen
The Struts - Strange Days
Es ist das Schicksal der späten Geburt, dass die Struts keine weltbekannte Rockband sind. Damit teilt man sich das Schicksal mit den britischen Landsmännern von The Darkness, die zwischen den 70er- und 90er-Jahren ebenfalls garantiert durch die Decke geschossen wären. Luke Spiller und Co. machen aber das Beste daraus und musizieren einfach weiter. Während des Corona-Lockdowns schloss sich die Band für zehn Tage ins Studio ein um mit „Strange Days“ ein grandioses Album einzuspielen, das zwischen breitbeinigem Rock, gefühlvollen Balladen, großen Momenten und reduzierter Atmosphäre all das bietet, was man für eine Glam-orientierten Rockband erwartet. Dass man dabei eine Gästeliste mit Robbie Williams, zwei Def Leppard-Mitgliedern, Albert Hammond jr. von den Strokes RATMs Tom Morello hat, ist gewaltig, aber eigentlich auch egal. Zusatzpunkt: das steile KISS-Cover von „Do You Love Me?“ - Rock isn’t dead, das wird hier eindeutig beweisen. 7,5/10 Kronen
Hayden Thorpe - Aerial Songs EP
Ach das waren noch Zeiten, als die Wild Beasts mit ihrem Indiepop weit über ihre britische Heimat hinausstrahlten. Frontmann Hayden Thorpse wurde das musikalische Korsett seiner fast 20 Jahre lang erfolgreichen Band aber irgendwann zu eng und es war absehbar, dass er sich solo verwirklichen müsse. So kam es, dass er mit seiner markanten Tenorstimme letzten Frühling das famose Debüt „Diviner“ veröffentlichte und mit hauchzarten Electropop-Rhythmen voll Melancholie und Herbststimmung sein altes Projekt zwar nicht vergessen machte, den Abschiedsschmerz aber verringerte. Auf der 3-Songs-EP betreibt der filigrane Künstler nun so etwas wie „digitale Seelsorge“ und kreiert die Stücke als Projekt für das „Aerial Festival“, ein Kunstevent in seiner Heimat Cumbria. Herausgekommen sind wunderschöne Stücke, die zum Träumen und Schwelgen einladen. Einfach schön. Ohne Bewertung
The Vamps - Cherry Blossom
Vor, mit und kurz nach ihrem Debütalbum „Meet The Vamps“ räumte die britische Pop-Band zwischen 2013 und 2014 alle möglichen Preise ab, die man in diesem Segment so als ganz junge Truppe machen kann. Es folgten ein Nummer-eins-Album in Großbritannien, einige US-Touren und Live-Gigs im Vorprogramm von Selena Gomez, Taylor Swift und Little Mix. „Cherry Blossom“ ist nun bereits das fünfte Werk und zeigt das jugendliche Quartett noch immer massentauglich, hymnisch und unverändert unverbraucht. Das Songwriting und die musikalischen Fertigkeiten haben sich noch einmal verbessert und mit „Better“ und „Married In Vegas“ gibt es auch wieder ein paar echte Ohrwürmer zu verorten. Ecken und Kanten fehlen zwar, aber die Vamps denken größer. Dagegen ist nichts einzuwenden. 7/10 Kronen
Paul Winter - Light Of The Sun
Entspannungsmusik der allerhöchsten Güte, das liefert einem die Saxofon-Legende Paul Winter dieser Tage ins Haus. Nach gut 60 Jahren Karriere ist „Light Of The Sun“, das erste Album, auf dem er sich und seine Fähigkeiten am Blasinstrument klar in den Mittelpunkt stellt und damit auch die Erfüllung eines persönlichen Traums. Inhaltlich ist das Album - Nomen est Omen - eine Huldigung an das Licht, das dem Komponisten auch im seelischen Bereich stets den rechten Weg wies. Die 15 Songs sind eine Mischung aus Klassikern und neuen Songs und warten zudem mit einer beträchtlichen Anzahl an träumerischen Natursamples auf. Konzeptionell verfolgt Winter rein instrumental die Reise der Sonne von Aufgang bis zum Untergang und durch alle Jahreszeiten hindurch. Für den 81-Jährigen ist dieses Werk tatsächlich noch ein dritter Frühling. Ohne Bewertung
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