Tage vor Enthauptung
Vater einer Schülerin rief Muslime zu „Aktion“ auf
Einen Tag nach dem entsetzlichen Angriff auf einen Lehrer in der Nähe von Paris kommen immer mehr Details über die schaurigen Hintergründe ans Tageslicht. Geschichtslehrer Samuel Paty (47), das spätere Opfer, soll bereits Tage vor seiner Enthauptung Todesdrohungen erhalten haben. Zum Verhängnis dürfte dem Lehrer geworden sein, dass eine muslimische Schülerin in seiner Klasse die Warnung vor dem Zeigen von Mohammed-Karikaturen im Unterricht „verpasst“ hatte. Sie beschwerte sich später bei ihren Eltern über die „anti-islamische Propaganda“ des Lehrers.
Damit dürfte das Todesurteil Patys, selbst Familienvater, wohl bereits unterzeichnet worden sein. Denn Medienberichten zufolge postete der aufgebrachte Vater der Schülerin ein Hassvideo in den sozialen Netzwerken, welches auch Besuchern einer Moschee in Paris vorgespielt worden sei. So erlangten immer mehr Gläubige von der „Freveltat“ Kenntnis. In dem Video ist von einem „nackten Mann“ die Rede, der „als unser Prophet“ dargestellt werde. Der wütende Vater fordert alle Eltern auf, eine „gemeinsame Aktion“ gegen den Lehrer zu starten (siehe Video auf Französisch unten).
Welche Beziehung der 18-jährige Attentäter, der tschetschenische Wurzeln haben soll, zum Lehrer bzw. zur Schule, wo dieser angestellt war, hatte, ist nicht bekannt. Es ist auch unklar, ob er tatsächlich das Foto des abgetrennten Kopfes auf Twitter gepostet oder doch ein „Komplize“ diese Arbeit übernommen hat. Unter dem Bild war unter anderem zu lesen, dass das Opfer „im Namen Allahs hingerichtet“ worden sei, nachdem es „den Propheten Mohammed beleidigt hatte“. Präsident Emmanuel Macron wurde als „Anführer der Ungläubigen“ bezeichnet.
Unter den neun bisher verhafteten Personen sollen sich dem Vernehmen nach auch Eltern befinden, die sich an der „Bestrafungsaktion“ des Lehrers beteiligt haben sollen. Der Attentäter selbst kann nicht mehr befragt werden. Der 18-Jährige wurde im Zuge seiner versuchten Festnahme erschossen. Ein Augenzeugenvideo zeigt den tödlichen Einsatz (siehe Tweet unten).
Positive Erinnerungen an Getöteten
Der Vater eines 13-Jährigen sagte dem Sender France Inter, dass der Lehrer muslimische Schüler gefragt habe, ob sie den Raum verlassen wollten, bevor er die Bilder zeigte. Der Lehrer sei nicht „herablassend oder respektlos“ gewesen. Für Muslime gelten Darstellungen des Propheten als Gotteslästerung. Medien gegenüber äußerten sich mehrere Schüler äußerst positiv zum getöteten Geschichtsprofessor. Diese sei sehr engagiert gewesen und habe auch immer wieder Diskussionen Platz im Unterricht eingeräumt.
Macron stellte sich deutlich hinter Lehrkräfte
Macron hatte sich bereits am Freitagabend sehr deutlich hinter die Lehrkräfte gestellt. Es sei kein Zufall, dass ein Terrorist ausgerechnet einen Lehrer ermordet habe, weil er das Land in seinen Werten habe angreifen wollen, sagte der Staatschef. Aus Elysee-Kreisen hieß es, dass eine nationale Gedenkfeier geplant sei. Das Datum stehe allerdings noch nicht fest.
Im Kampf gegen radikalen Islamismus hatte der Staatschef zuletzt vor allem auf die Bildung als zentrales Element gesetzt. Der Fernunterricht von Kindern, die zu Hause bleiben, solle vom kommenden Sommer an strikt eingegrenzt werden, kündigte Macron Anfang Oktober an. Ausnahmen solle es nur noch aus Gesundheitsgründen geben. Unterricht sei vom Alter von drei Jahren an verpflichtend.
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