Angesichts täglich neuer Corona-Rekordzahlen - so wurde mit 1672 Neuinfektionen der höchste Sonntagswert seit Beginn der Krise gemessen - hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein weiteres Mal eindringlich an die Österreicher appelliert, „zusammenzuhalten, um die Ansteckungszahlen niedrig zu halten“. Es „liegt an uns allen“, den zweiten Lockdown zu verhindern - indem soziale Kontakte reduziert, auf Feiern, große private Zusammenkünfte und Partys verzichtet wird, sagte er in einem langen, via Facebook verbreiteten Video mit dem Titel „Die Lage in Österreich ist ernst“.
Bevor die Bundesregierung am Montagvormittag mit den Landeshauptleuten in einer Videokonferenz über weitere Maßnahmen angesichts der täglichen Rekord-Zuwächse an Corona-Infizierten berät, stimmte Kurz am Sonntag die Österreicher auf einen „herausfordernden Herbst und Winter“ ein, eine „extrem schwierige Zeit“ mit „Einschränkungen, notwendigen Maßnahmen und Verzicht“. Aber er bekräftigte seine Einschätzung, dass es im Sommer nächsten Jahres einen Impfstoff und damit die Rückkehr zur Normalität geben sollte, wie er auch in einem Interview mit der „Krone“ betonte.
Derzeit noch kein Problem für Intensivmedizin, aber ...
Kurz sprach die merkbare „Corona-Müdigkeit“ an, die zu immer mehr Verschwörungstheorien führe, bis hin zu offenen Aufrufen, Maßnahmen nicht einzuhalten. Er bestätigte, dass die Pandemie derzeit, mit rund 1000 bis 1500 täglich neu Infizierten, noch kein Problem für die Intensivmedizin sei. Aber das Virus wachse exponentiell, die Zahlen verdoppeln sich in drei Wochen. Gelinge es nicht, das einzubremsen, habe Österreich im Dezember täglich 6000 Neuinfizierte. Das sei „alles andere als unrealistisch“, Tschechien habe diese Situation bereits heute.
Bei Sorglosigkeit „deutlich mehr Arbeitsplätze bedroht“
Mit der beginnenden Grippewelle würde man dann schrittweise an die Grenzen der intensivmedizinischen Kapazitäten stoßen. „Das Ziel muss sein, das zu verhindern“ - durch die Reduktion der sozialen Kontakte und das Tragen von Masken. Damit könnte ein zweiter Lockdown verhindert werden, verwies Kurz auf „lockdownähnliche Zustände“ bereits jetzt in vielen Ländern. Einschränkungen bei Events und Partys würden natürlich vielen Unternehmen schaden. Aber mit einem zweiten Lockdown wäre der wirtschaftliche Schaden wesentlich größer und es wären „deutlich mehr Arbeitsplätze bedroht“.
„Je höher die Infektionszahlen, desto größer ist der wirtschaftliche Schaden in einem Land“, stellte Kurz fest, unter Hinweis auf die hohe Tourismus-Abhängigkeit Österreichs und den hohen Schaden durch Reisewarnungen. Das Coronavirus „vernichtet unzählige Arbeitsplätze und richtet für viele Menschen sehr viel Leid an“. Eine einfache Antwort, schnelle Lösungen durch einzelne Maßnahmen gebe es nicht. Aber: „Wir können, müssen und werden diese Zeit gemeinsam in Österreich überstehen“, betonte Kurz.
„Wollen ältere Menschen nicht wegsperren“
Klar trat der Kanzler auch der Haltung entgegen, es würde reichen, die älteren Menschen wegzusperren. „So eine Gesellschaft wollen wir nicht sein“, sagte er, „ältere Menschen und Risikogruppen haben es verdient, dass wir auf sie Rücksicht nehmen“. Zudem würde das nicht funktionieren, müssten doch ältere Menschen auch in Pflegeheimen von Mitarbeitern versorgt werden - und die Mehrzahl wohne nicht in Heimen, sondern „mitten in der Gesellschaft“, oft in Familien.
Kritik am Auftritt des Kanzlers ließ nicht lange auf sich warten: „Kurz führt Österreich skrupellos in den nächsten Lockdown und schiebt die Verantwortung dafür schon jetzt den Bürgern zu“, fasste FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl seine Interpretation der Videoansprache in einer Aussendung zusammen.
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