Wir beherrschen unsere Welt nicht, wir sind ein Teil von ihr. Die Versiegelung der Böden schadet auf mehrfache Weise unserer Gesundheit.
Jeder kann am eigenen Körper erleben, dass uns ein Ausflug in den Wald guttut. Jogging, Walking, seit Neuestem „Waldbaden“ sind beliebt. Aber warum ist das so? Warum gibt es Untersuchungen, die besagen, dass Spitalspatienten, die durchs Fenster einen Baum sehen, schneller genesen? Warum ist nachweislich unser Puls langsamer und der Schlaf tiefer, wenn man in einem Bett aus Zirbenholz schläft? Wer glaubt, Natur wäre verzichtbar, muss vermehrt mit Depressionen, Migräne, Asthma und Allergien rechnen.
Erwin Thoma aus Goldegg im Salzburger Pongau ist gelernter Förster und kein Mediziner. Er hat bei seinem Opa, der Zimmermann war, gelernt, wie man Holz verarbeitet. Später hat er auch Wirtschaft studiert, bevor er begann, besondere Holzhäuser zu bauen. Er liebt den Wald, er hat sich sein ganzes Leben lang mit Holz beschäftigt, und vor allem mit den Menschen, die in seinen Häusern wohnen sollen. Und er weiß daher wie kaum einer, wie wichtig der Wald und ein natürliches Umfeld für Körper, Geist und Seele sind. Nicht zuletzt die Asthma-Symptome seines Sohnes haben den Forst-Ingenieur dazu veranlasst, sich intensiv mit diesem Thema zu befassen.
„Eigentlich“, sagt Thoma, „ist der Mensch von der Evolution her perfekt darauf abgestimmt, mit Stress umzugehen. Stress löst ein chemisches Feuerwerk aus, das uns seit der Steinzeit zu Höchstleistungen antreibt und das Überleben sichert. Aber der Rhythmus zwischen Spannung und Entspannung ist enorm wichtig. Man muss sich auch ausruhen können.“ Für den Dauerstress, der heutzutage umgeht, den Mangel an Pausen und geistiger Ruhe, sind wir nicht geschaffen. Das Gehirn ist zwar nie untätig, aber es ist wie bei einem Muskel, der vor Dauer-Anspannung das Lockerlassen verlernt.
Das Unterbewusstsein sucht nach Vertrautem
Warum wir besonders gut bei einem Waldspaziergang neue Energie finden, erklärt Thoma so: „Das Unterbewusstsein sucht nach Vertrautem, nach dem, was schon unsere Vorfahren kannten. Das hat mit dem limbischen System zu tun, das auch die Ausschüttung des Glückshormons Endorphin steuert. Und von der Evolution her ist uns die Natur - unbewusst - viel näher als alles, was uns erst seit Jahrzehnten umgibt.“ Die Kunst - nicht nur beim Bau des idealen Schlafzimmers für gesunden Schlaf - liegt im Weglassen. Und das ist für viele Menschen, sagt Thoma, „im Zeitalter der Technokratie (wo die Technik fast alles beherrscht) wirklich schwierig geworden“.
Wir halten uns für die Herrscher des Planeten
Besonders die ständige Erreichbarkeit löst unterbewussten Dauerstress aus. Das ganz große Problem sieht der Visionär und Buchautor („Strategien der Natur“, Benevento-Verlag) aber in der derzeit herrschenden Eigenwahrnehmung der Menschen: „Wir verstehen uns als Herrscher über den Planeten. Wir glauben, wir sitzen am Lenkrad. Und das führt dazu, dass wir denken, wir könnten losgekoppelt von der Natur leben. Das ist eine bittere Illusion. Wir sind mit der Natur als Teil von ihr verbunden. Ich weiß, wenn man das so sagt, dann sehen das viele nur als ,romantische‘ Darstellung. Aber die Wahrheit ist, wenn wir diese Verbundenheit nicht wiedererkennen und entsprechend handeln, wenn wir nicht aufhören, unsere eigene Lebensgrundlage zu zerstören, dann werden wir auch keine Lösung für den Klimawandel finden.“
Kommentar von Prof. Dr. Hans-Peter Hutter (Umweltmediziner und Landschaftsökologe):
Fast alle unsere Sinne werden bei einem Spaziergang im Wald gleichzeitig stimuliert: Wir sehen mit den Augen, wir hören, wir riechen die Natur. Und wenn wir Brombeeren oder Hagebutten naschen, dann schmecken wir sie auch. Dieselben Sinne werden natürlich auch angesprochen, wenn man durch die Stadt spaziert. Aber bei Weitem nicht so positiv. Wald reduziert Anspannungen und senkt den Blutdruck. Das haben mehrere Studien ergeben. Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit (ADHS) werden ruhiger. Aber man kann diesen Effekt nicht einfach in Tabletten pressen. Es gibt Vermutungen, dass dies mit der Wirkstoffgruppe der Terpene zusammenhängt, die von Pflanzen ausgeht. Aber man kann das - Gott sei Dank, muss man eigentlich sagen - nicht von der Gesamtwirkung des Waldes trennen.
Alle Menschen sollten von klein auf Natur erleben dürfen, je früher desto besser. Es braucht Grünflächen in greifbarer Nähe. Die bestehenden müssen geschützt und die zerstörten wiederbelebt werden. Denn ohne funktionierenden Boden ist kein Leben denkbar. Wir brauchen ihn wie einen Bissen Brot! Die Geringschätzung und die Sorglosigkeit, mit der hier umgegangen wird, ist schaurig. Vor allem wenn man bedenkt, dass wir von dem, was da im Boden passiert, bisher nur einen Bruchteil verstehen.
Die „Krone“-Serie zum Nachlesen:
Tobias Micke, Kronen Zeitung
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