Die Schmach des pulverisierten Geschwindigkeitsrekords scheint tief zu sitzen bei Bugatti. Nun haben sie in Molsheim das Konzept eines unfassbaren Hypersportlers vorgestellt. Extrem leicht, 1850 PS stark und in gut 20 Sekunden auf 500 km/h. Der Name: „Bugatti Bolide“. Ob sie dieses Ding wirklich bauen?
Die experimentelle Studie des Bugatti Bolide ist ein rennstreckenorientierter Hypersportwagen - mit einem aus der Serie abgeleiteten W16-Motor als Antrieb und einer auf maximalen Abtrieb getrimmten, minimalen Karosserie.
Bugatti bezeichnet den Bolide als das extremste, kompromissloseste, schnellste und leichteste Fahrzeugkonzept der jüngeren Firmengeschichte - mit einem unvorstellbaren Leistungsgewicht von 0,67 Kilogramm pro PS. Möglich wird das durch die Kombination aus W16-Motor mit 1850 PS (mit 110-Oktan-Rennsprit, mit 95 Oktan nur 1600 PS) und einem (derzeit noch simulierten) Fahrzeug-Trockengewicht von nur 1240 Kilogramm. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei deutlich über 500 km/h liegen - ohne dabei jedoch auf maximales Handling und maximale Agilität zu verzichten. Für eine Runde in Le Mans benötigt der Bolide 3:07,1 Minuten, für die Nordschleife 5:23,1 Minuten. Zumindest theoretisch. Alle Werte sind nur simuliert. Deshalb kursieren auch keine Erlkönig-Bilder von der Nordschleife.
Apropos Werte: In 2,17 Sekunden ist Tempo 100 erreicht. Nach 4,36 Sekunden sind es bereits 200 km/h erreicht, nach 7,37 Sekunden 300 km/h. 12,08 Sekunden reichen für 400 km/h. Wohl am unfassbarsten sind aber wohl die 20,16 Sekunden für den Sprint auf 500 km/h
Überarbeiteter Sechszehnzylinder
Als Herzstück dient der 8,0-Liter-W16-Motor mit 1850 PS und 1850 Newtonmetern Drehmoment. Den Antrieb legt Bugatti konsequent auf den Rundstrecken-Einsatz aus, stimmt speziell Motor und das Getriebe auf höhere Drehzahlen ab. Dazu zählt unter anderem die Entdrosselung der Ansaug- und Abgasanlage, um ein noch schnelleres, spontaneres und extremes Ansprechverhalten zu erreichen. Die vier neu entwickelten Turbolader erhalten optimierte Schaufeln, um bei höheren Drehzahlen mehr Ladedruck und Leistung aufbauen zu können. Um auch bei extrem hohen Fliehkräften eine optimale Schmierung zu erreichen, werden Ölkreislauf, Öldruck, Rückschlagventile, Schwallbleche, Öltanks, Ölreservoire und Pumpenauslegung der Trockensumpfschmierung optimiert. Gleichzeitig reduziert sich das Gewicht des Antriebs deutlich.
Statt einer Wasser-Luft-Ladeluftkühlung sorgt beim Bugatti Bolide eine Luft-Luft-Ladeluftkühlung mit Wasservorkühlung für eine optimale Leistungsentfaltung auf Rundstrecken. Die Anströmung erfolgt von der Fahrzeugfront über jeweils einen internen und externen Luftführungskanal pro Fahrzeugseite. Die beiden Wasserkühler, die vor der Vorderachse angeordnet sind, bieten strömungstechnisch betrachtet ein effektiveres Kühlernetz, als es sogar in der Formel 1 üblich ist. Drei luftdurchströmte Ölkühler für Motor, Getriebe und Differential mit jeweiliger Wasservorkühlung senken die Temperatur auch auf fahrdynamisch anspruchsvollen Rennrunden. Neuentwickelte und hybride CFK-Titan-Turbofan-Radialverdichter durchlüften und kühlen die Hochleistungs-Rennsportbremsanlage.
Um 1240 Kilogramm Trockengewicht zu erreichen, wurden bei den verwendeten Werkstoffen und Fertigungsverfahren alle Register des aktuell und auch des zukünftig Machbaren gezogen.
Extrem leichte Flügel
Alle Schraub- und Verbindungselemente des Bolide sind vollständig in Titan ausgeführt. Zudem kommen an vielen Stellen hohle, dünnwandige Funktionsbauteile aus einer Luft- und Raumfahrt-Titanlegierung zur Anwendung, die aus dem 3D-Drucker stammen und mit Wandstärken von bis zu 0,5 Millimeter extrem dünn, aber trotzdem extrem steif sind. Hybrid-Komponenten wie die 0,5 Meter lange Antriebsnebenwelle kombinieren gewickelte hochfeste und hochsteife Kohlenstofffasern mit 3D-gedruckten Titan-Endfittingen und halten einer Dauerbetriebstemperatur von bis zu 260 Grad Celsius stand. Das reduziert das Gewicht in diesem Beispiel um rund die Hälfte auf 1,5 Kilogramm und erhöht durch die Reduzierung der rotierenden Massen gleichzeitig die Drehfreudigkeit des Triebwerks. Auch die auf den Front- und Heckflügel wirkenden Kräfte werden von ultraleichten, aber sehr festen Titanelementen übertragen. Die vorderen wiegen lediglich 600 Gramm, die hinteren erstaunliche 325 Gramm.
Völlig neuartige Aerodynamik und Extremfahrwerk
Eine Weltneuheit ist die morphbare Außenhaut der Ansaughutze auf dem Dach. Diese bietet eine aktive Strömungsoptimierung: Bei langsamer Fahrt bleibt die Oberfläche der Hutze glatt, bei schneller Fahrt wölbt sich ein Feld von Blasen aus. Dieses reduziert den Luftwiderstand der Hutze um 10 Prozent und sorgt für einen um 17 Prozent geringeren Auftrieb, zudem wird die Anströmung des hinteren Flügels optimiert. Bei 320 km/h liegt der Abtrieb am hinteren Flügel bei 1800 Kilogramm und am vorderen bei 800 Kilogramm.
Wie in der Formel 1 verzögert der Bolide mit einer Rennbremse mit Scheiben sowie Belägen aus Keramik, die Bremssättel wiegen nur jeweils 2,4 Kilogramm. Die geschmiedeten Räder aus Magnesium mit Zentralverschluss wiegen vorne jeweils 7,4 Kilogramm und hinten jeweils 8,4 Kilogramm - und das bei einer sehr breiten Reifengröße von 340 Millimeter an der Vorder- und 400 Millimeter an der Hinterachse (Chiron: 285 mm vorne, 355 mm hinten). Eine mit Druckluft betriebene Hebeanlage mit vier Stempeln erleichtert den Reifenwechsel, eine Schnellbetankungsanlage ermöglicht eine Druckbetankung.
Für ein präzises Fahrverhalten sorgt unter anderem eine Pushrod-Kinematik mit liegenden Dämpfern. In den Dämpfern sind die Öl-Reservoirs innen angeordnet, was die Aerodynamik verbessert. Die nur 100 Gramm wiegenden Pushrods sind als dünnwandige und strömungsgünstige Titan-Leichtbau-Konstruktion konzipiert, die eine Knicklast von 3,5 Tonnen haben. Die geschweißten Querlenker aus Luftfahrtedelstahl weisen eine Zugfestigkeit von 1200 Newton pro Quadratmillimeter auf und sind ebenfalls als Flügelprofile ausgeführt.
Leichtes Monocoque aus Carbon
Rund um den Antrieb entwickelte das Bugatti-Team ein leichtes Monocoque aus Carbon. Der daran angeflanschte integrale Vorderwagen besteht wie auch der aerodynamisch vollständig wirksame Unterboden und auch das Monocoque selbst ebenfalls aus hochfesten Carbonfasern. Der Heckrahmen ist als Stahlschweißbaugruppe ausgeführt.
Mit einer Gesamthöhe von nur 995 Millimeter ist das technische Konzept des Bugatti Bolide exakt so hoch wie der historische Bugatti Type 35, je nach Lenkrad und Stummelscheibe, und etwa 300 Millimeter flacher als der Chiron. Der Radstand beträgt 2,75 Meter, die Breite liegt bei 1,99 Meter. Insassen klappen wie bei einem LMP1-Rennwagen die vorne angeschlagenen Türen nach schräg oben, setzen sich wie bei einem Type 35 auf einen nur 70 Millimeter breiten Schweller und positionieren anschließend die Füße im Innenraum. Dank der zum Type 35 etwa 150 Millimeter tieferen Bordwand erfolgt das Prozedere schnell und einfach - und zwar bis zu einer Körpergröße von 2 Meter.
Für Sicherheit sorgt die nach FIA-Reglement ausgelegte Sicherheitsausstattung. Dazu zählen unter anderem HANS-System-Kompatibilität, eine automatische Feuerlöschanlage, eine Abschleppeinrichtung, Druckbetankung mit Kraftstoffblase, Zentralverschluss für Räder, leichte Scheiben aus Polycarbonat und eine Sechspunkt-Gurtanlage. Die Monocoque-Seitenböden mit integrierten Carbon-Kühlwasser-Leitungselementen sind gleichzeitig als Seitencrashstrukturen sowie Strukturversteifung des Monocoques ausgeführt. Alle fahrerrelevanten Daten erblickt der Pilot auf einem Motorsport-Display. Für den optimalen Sitz lässt sich sowohl das Pedalwerk als auch die Beifahrer-Fußstütze um 150 Millimeter verschieben.
Ob der Bugatti Bolide in Serie geht, ist derzeit noch nicht entschieden.
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