Wahlmänner

Das ausgehöhlte und veraltete Wahlsystem der USA

Ausland
03.11.2020 17:40

Cäsarenwahn und die Angst vor dem Aufstand der Massen beeinflussten die Etablierung des amerikanischen Polit-Systems. Das Kontrollinstrument Checks and balances und die Wahlmänner sind dadurch entstanden. Beides gilt heute als demokratiepolitisch ausgehöhlt und veraltet.

Unter dem Eindruck des wahnsinnigen englischen Königs George III. und der französischen Revolution wollten die USA weder einen Monarchen, noch die Macht des Volkes. Ein starker Präsident nach außen, der innenpolitisch von Parlament und Oberstem Gerichtshof kontrolliert wird. Checks and Balances genannt. Alles ist momentan noch in konservativer Hand, von einer unabhängigen Kontrolle wie sie die Gründerväter gerne gehabt hätten kann praktisch keine Rede sein.

Der Supreme-Court in Washington (Bild: APA/AFP/Getty Images/Win McNamee)
Der Supreme-Court in Washington

Aber: „Die Gründungsväter misstrauten nicht nur möglichen unberechenbaren Präsidenten, sondern auch dem Wahlvolk, das einen derartigen Präsidenten mit knapper Mehrheit wählen könnte. Deswegen gibt es die indirekte Wahl mit den Wahlmännern - die trotzdem Trump nicht verhindert haben“, sagt USA-Experte und Politologe Heinz Gärtner.

Alle Infos zur US-Präsidentenwahl lesen Sie hier!

Wahlmänner als Puffer zwischen Wähler und Präsident
Ein Gremium aus erfahrenen Wahlmännern als Puffer zwischen Wähler und Präsident hielten sie für nötig. Kurz gesagt: Sie hielten den Pöbel für zu dumm, die richtige Wahl zu treffen. Weitere Vorteile der Wahlmänner: Dadurch zügelten sie auch die Dominanz der bevölkerungsreichen Staaten, und vermieden logistische Probleme durch die Entsendung von nur einer Handvoll Personen zur Wahl. Demokratiepolitisch bedenklich: Der Sieger kriegt in den meisten Fällen den ganzen Bundesstaat. Hat Trump also etwa in Florida nur eine Stimme mehr als Biden, bekommt er alle Wahlmänner. Viele Millionen Biden-Wähler haben somit mehr oder weniger umsonst abgestimmt. 538 Wahlmänner-Stimmen gibt es, für den Sieg braucht man zumindest 270.

(Bild: AFP)

Der demokratische Herausforder Joe Biden kündigte eine Wahlrechtsreform an. Leere Versprechungen, wie Heinz Gärtner sagt: „Die Bundesstaaten haben so mehr Macht, das Ergebnis der Wahlen durch die Entsendung ihrer Wahlmänner zu beeinflussen, weil viele von ihnen nicht an das Wahlergebnis gebunden sind. Deswegen haben die Bundesstaaten keinerlei Interesse, die Verfassung zu ändern.“ Bei einer Direktwahl - wie auch in Österreich üblich - würde etwa das 40 Millionen Einwohner starke Kalifornien erheblich an Einfluss gegenüber beispielsweise Wyoming (580.000 Einwohner) verlieren.

Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung

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